Hamburg. Rassismus und Judenfeindlichkeit sind ein Problem. Meist bleibt es bei Worten. Doch eine Gruppe leidet besonders unter Gewalt.

Wenn die Behörden das Licht anmachen, fällt umso mehr auf, was da so alles im Dunkeln wächst. Seit einigen Jahren verfolgt Hamburg Taten aus dem Bereich der internetaffinen Hasskriminalität mit enormer Zähigkeit, was sich in den Zahlen niederschlägt. Die gute Nachricht: Die in Hamburg im Vorjahr erfasste Zahl der Hasstaten ist leicht rückläufig gegenüber 2021. Die schlechte: Sie liegt mit 323 Fällen fast annähernd auf dem 2021er-Niveau, als 345 Taten und damit so viele wie nie zuvor registriert worden waren.

Zahl der Hasstaten sinkt unter Rekordwert von 2021 – aber nur leicht

Wie die Justizbehörde auf Abendblatt-Anfrage jetzt mitteilte, hatten die mit Abstand meisten dieser 323 Straftaten, nämlich 153, einen fremdenfeindlichen Hintergrund (2021: 176). Darauf folgen schon die antisemitischen Straftaten. 64 wurden 2022 registriert – im Jahr davor waren es sogar noch 15 mehr. Dabei handelt es sich meist um Fälle von Volksverhetzung.

Erst vor wenigen Wochen hatten das Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft einen Leitfaden für eine bessere Verfolgung antisemitischer Straftaten vorgestellt. Fast alle im Vorjahr eingeleiteten 105 Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung hatten einen juden- oder fremdenfeindlichen Bezug. Wie üblich missbrauchten die Täter dabei das Internet oder die sozialen Medien als Vehikel, um ihre Hetzbotschaften zu transportieren.

Hasskriminalität: Radikalisierung findet häufig im Internet statt

Man sollte die Folgen von Hass, Hetze und Häme nicht unterschätzen, insbesondere wenn die Täter in abgeschotteten „Social Media“-Blasen, sogenannten Echokammern, praktisch außerhalb der Realität agieren. So ist längst bekannt, dass sich die Attentäter von Hanau und Halle sowie der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) im Internet radikalisiert hatten.

„Verbale Eskalationen gehen schnell, sie treiben aber auch die Eskalation gesellschaftlicher Konflikte voran. Wir sehen insbesondere in den digitalen sozialen Medien, dass manche Menschen jede Hemmung verlieren und auch noch meinen, es sei legitim. Hier ist dann auch häufig die Grenze zu strafbaren Handlungen überschritten, auch wenn es ,nur’ Worte sind“, sagte Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) dem Abendblatt. „Man sollte sich immer klarmachen, dass es Menschen sind, die angegriffen werden. Es sind Menschen, denen Verletzungen zugefügt werden, Demütigung, Bedrohungen und Beleidigungen. Immer wieder gibt es zudem schlimme Taten gegen Transpersonen, Frauen und People of Color. Auch antisemitische Straften und antimuslimischer Rassismus sind weiterhin ein ernsthaftes Problem.“

Auch Hamburgs Hasstäter machen von Worten häufiger Gebrauch als von der Faust. Die meisten fremdenfeindlichen Taten gehen auf Beleidigungsdelikte zurück. 2022 wurden 80 solcher Schmähungen wegen der Hautfarbe oder anderer Stereotype erfasst. Darüber hinaus leiteten die Behörden 19 Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlich rassistisch motivierter Körperverletzungsdelikte ein.

Hasstaten: Queere Menschen werden besonders häufig verprügelt

Auf Platz drei folgen dann Straftaten, die motiviert sind durch das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung der Opfer. Das können frauen-, trans- oder generell queerfeindliche Taten sein. Was hier auffällt: In einem Drittel der 39 Hasstaten gegen diese Menschen und damit überproportional häufig spielte Gewalt eine Rolle. Die Polizei leitete 13 Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung ein. Es folgen: zwölf islam-, vier christen- und zwei behindertenfeindliche Verfahren.

Koordinierungsstelle „Ohne Hass“: Hier können Sie Fälle melden

Nach wie vor ist das Internet das Tatmittel der ersten Wahl. Wer sich seinen Hass auf der Tastatur von der Seele hämmert, scheint sich nicht vor Strafverfolgung zu fürchten, wie die seit Jahren konstant hohen Zahlen im Zusammenhang mit Hasskriminalität als vornehmlichem Internet-Delikt belegen. Dass sich die Trolle da mal nicht täuschen. Hamburg hat in den vergangenen Jahren seine Kapazitäten in Sachen Bekämpfung von Hasskriminalität stark ausgebaut. So kommen natürlich auch viel mehr Fälle aus dem Dunkel ans Licht. Und so soll es bleiben: Der Kampf gegen Hass und Hetze sei „ein Schwerpunkt unserer Arbeit“, sagt Justizsenatorin Gallina. „Solches Verhalten ist völlig inakzeptabel und unser liberaler Rechtsstaat setzt hier klare Grenzen.“

Bei einem von der Koordinierungsstelle „Ohne Hass“ eingerichteten Onlineservice der Staatsanwaltschaft können Sie Delikte wie Beleidigung, Bedrohung oder Volksverhetzung www.hamburg-gegen-hass.de melden – Registrierung nicht nötig.