Hamburg. Wissenschaftssenatorin lässt untersuchen, wie verbreitet Anfeindungen und Hass gegen Jüdinnen und Juden in der Hansestadt sind.

Polizeischutz gehört für jüdische Einrichtungen in Deutschland immer noch zur traurigen Normalität. In Hamburg betrifft das etwa die Synagoge Hohe Weide und das Joseph-Carlebach-Bildungshaus. Im vergangenen Jahr verzeichnete das Bundesinnenministerium hierzulande 2641 antisemitische Straftaten – von einem „inakzeptabel hohen Niveau“ sprach der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein.

Hamburgs Wissenschafts- und Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) hob am Donnerstag hervor, dass sich Antisemitismus nicht nur in Hassverbrechen zeige, sondern auch in „subtileren Formen des Alltagsrassismus, in Vorurteilen und Stereotypen, die unseren öffentlichen Diskurs beeinflussen“.

Welches Ausmaß das in Hamburg habe und wie es sich auf die Betroffenen auswirke, müsse viel genauer als bisher untersucht werden. „Uns liegen zu wenige Daten vor, um einschätzen zu können, wie stark und welche Formen von Antisemitismus in Hamburg verbreitet sind“, sagte Fegebank in ihrer Behörde, wo sie über den Auftakt für eine neue Studie zu Antisemitismus in der Hansestadt informierte.

Antisemitismusbeauftragter: Jüdische Kinder in Hamburg haben Angst vor Ausgrenzung

Eine solche Untersuchung sei wichtig, um zu verstehen, wie Antisemitismus im Alltag wirke, sagte Hamburgs Antisemitismusbeauftragter Stefan Hensel. Antisemitismus werde sichtbar, wenn es um Gewalt gegen Jüdinnen und Juden sowie jüdische Einrichtungen gehe, beginne aber schon viel früher. „Zum Beispiel dann, wenn Jüdinnen und Juden Angst haben zu sagen, dass sie jüdisch sind, weil sie erwarten, dass es zu Ausgrenzung und Anfeindungen kommt. So sagen viele jüdische Kinder in Schulen nicht, dass sie aus jüdischen Familien kommen, weil sie und ihre Eltern Angst haben, Judenhass zu erleben.“ Hier solle die Studie ansetzen, um ein genaueres Bild der Situation von Hamburger Jüdinnen und Juden zu liefern.

Die Untersuchung ist ein Kooperationsprojekt der Hochschule in der Akademie der Polizei Hamburg, der Polizeiakademie Niedersachsen, der Jüdischen Gemeinde in Hamburg und der Wissenschaftsbehörde. Die beiden beteiligten Forschungseinrichtungen seien wegen ihrer besonderen Erfahrung mit dem Thema ausgewählt worden, erklärte die Behörde.

Fegebank will neue Strategien gegen Antisemitismus in Hamburg entwickeln

Die neue Studie fuße auf Erkenntnissen der Forschenden, die diese in ihrer Studie „Hatetown“ über die Belastung verschiedener Gruppen durch Hasskriminalität und Hatespeech in Hamburg gewonnen haben. Für die neue Studie sollen möglichst alle der etwa 2500 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in Hamburg und deren Angehörige befragt werden. Die Auswertung soll Ende April 2024 vorliegen.

„Mit den Ergebnissen werden wir gezielte Strategien entwickeln und dafür eintreten, dass Hamburg eine Stadt ist, in der Antisemitismus keinen Platz hat“, sagte Fegebank. Mauricio Dessauer von der Jüdischen Gemeinde in Hamburg sagte, die Studie werde hoffentlich dazu beitragen, „die Lebenssituation der Jüdischen Gemeinde als Teil der Hamburger Gesellschaft zu verbessern“.

Jüdisches Leben: Neue Kampagne „Fragemauer“ soll Vorurteile abbauen

Bereits am Mittwoch hatte der frühere CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Carsten Ovens mit dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, die neue bundesweite Kampagne „Fragemauer“ vorgestellt. Dahinter steht ein Internetportal, das über jüdisches Leben in Deutschland und Israel aufklären soll.

„Mit Fragen und Antworten treten wir Vorurteilen auf humorvolle Art entgegen, wecken Neugierde und stärken den gesellschaftlichen Konsens, gegen jede Art von Antisemitismus vorzugehen“, sagte Ovens. „Dies ist vor allem eine Einladung zum Mitmachen: Stellen Sie uns jetzt Ihre Fragen auf fragemauer.de.“ Ovens arbeit in der Hauptstadt als Geschäftsführer der Denkfabrik Elnet, die sich mit den europäisch-israelischen Beziehungen beschäftigt.