Hamburg. Im Vergleich zu Schleswig-Holstein kommt die Hansestadt glimpflich davon. Der Finanzsenator ist dennoch sauer auf Christian Lindner.
Die finanziellen Aussichten werden zwar auch nicht besser, aber im Gegensatz zu anderen Ländern kommt Hamburg bei der Mai-Steuerschätzung mit einem blauen Auge davon. Über den gesamten Schätzzeitraum 2023 bis 2027 werden die Einnahmeerwartungen gegenüber der November-Prognose nur um 231 Millionen Euro reduziert – was angesichts eines Haushaltsvolumens von rund 18 Milliarden Euro pro Jahr kaum ins Gewicht fällt.
Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein sollen die Einnahmen der Prognose zufolge im gleichen Zeitraum um rund 2,8 Milliarden Euro einbrechen, Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verhängten daher umgehend eine Haushaltssperre.
Steuern: Andreas Dressel kassiert im nächsten Jahr 275 Millionen Euro weniger
„Zu solch drastischen Mitteln muss ich nicht greifen“, sagte Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Doch auch in der Hansestadt sei die finanzielle Lage ernst. Zwar wird für dieses Jahr sogar noch mit 124 Millionen Euro mehr an Steuereinnahmen gerechnet, die sich dann auf gut 14,9 Milliarden Euro belaufen würden. Doch für 2024 wird mit Mindereinnahmen von 275 Millionen Euro gerechnet und für die folgenden Jahren ebenfalls mit einem Rückgang jeweils im zweistelligen Millionenbereich – was sich unterm Strich zu besagtem Minus von 231 Millionen summiert.
Das Problem sind jedoch weniger diese geringen Mindereinnahmen, sondern eher die Ausgabenseite. Denn die Kosten für Löhne und Gehälter dürften aufgrund der hohen Tarifabschlüsse um rund zehn Prozent steigen.
Auch Bauprojekte werden derzeit fast durch die Bank deutlich teurer, zudem stöhnen die Länder unter hohen Kosten für die Flüchtlingsunterbringung, die der Bund nur zum Teil übernimmt. So würden die 26 Millionen Euro, die Hamburg nach dem „Flüchtlingsgipfel“ von Bund und Ländern zusätzlich erhalte, nicht einmal zehn Prozent der tatsächlichen Mehrausgaben decken, so Dressel.
Finanzsenator Dressel: Rückgang trifft Hamburg in schwieriger Phase
„Der Rückgang gegenüber der November-Steuerschätzung trifft uns in einer Phase, in der wir aufgrund von signifikanten Kostensteigerungen, fortdauernder Krisenbewältigung und zu erwartenden Tarifabschlüssen vor finanzpolitisch extremen Herausforderungen stehen“, sagte Dressel. In 2023 und 2024 geb es daher „null Spielraum“ für neue Ausgabenwünsche, stattdessen seien „äußerste Haushaltsdisziplin“ und „weitere Konsolidierungsmaßnahmen“ gefragt.
- Doppelhaushalt 2023/2024 – so gibt Hamburg 37 Milliarden Euro aus
- CDU attackiert den Senat: „Sie haben die Hamburger belogen“
- Nach „Lohnklau“: Hamburgs Beamte können mit satter Nachzahlung rechnen
Mit klassischen Sparpaketen ist aber weiterhin nicht zu rechnen. Diese Praxis hatten schon Olaf Scholz und Peter Tschentscher 2011 beendet und eine langfristig angelegte Haushaltspolitik eingeführt, die weitgehend erfolgreich war. Auch Dressel hält an dem Ziel fest, ab 2024 alle Haushalte kaufmännisch auszugleichen, also inklusive Rückstellungen und Abschreibungen. So ehrgeizig ist kein anderes Bundesland.
Scharfe Kritik an Christian Lindner: Er begünstige nur Spitzenverdiener
Dressel räumte ein, dass er eigentlich stärker steigende Einnahmen bräuchte, um all die Probleme und Herausforderungen zu bewältigen. In dem Zusammenhang übte er scharfe Kritik an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP): „Lindners Steuergeschenke für Einkommensbezieher im Bereich des Spitzensteuersatzes sind für Länder und Kommunen zu teuer“, so Dressel. „Spitzenverdiener brauchen keinen vollen steuerlichen Inflationsausgleich, wenn dafür an anderer Stelle zulasten der Schwächeren oder wichtiger staatlicher Infrastrukturen und Leistungen gekürzt werden muss.“
Dressel bezog sich dabei vor allem darauf, dass der Spitzensteuersatz von 42 Prozent statt wie bislang ab 58.600 erst ab 62.800 Euro Jahreseinkommen und von 2024 an sogar erst ab 66.800 Euro greift. Allein auf diese Maßnahmen entfalle grob die Hälfte der Hamburger Mindereinnahmen. Er werde sich auf Bund-Länder-Ebene dafür einsetzen, auf die zweite Anpassung, die nur Spitzenverdiener begünstige, zu verzichten.
FDP spricht von „Polemik“, CDU nennt Kritik am Bund „peinlich“
Lindners Parteifreundin, die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein, warf dem Finanzsenator vor, „mit Polemik gegenüber dem Bundesfinanzminister zu vertuschen, dass Hamburgs absehbares Haushaltsproblem in großen Teilen hausgemacht ist: Rot-Grün verschwendet Abermillionen für eine wirkungslose Klimapolitik und eine gescheiterte Verkehrspolitik.“
Thilo Kleibauer, Haushaltsexperte der CDU, nannte es „peinlich“, dass der Finanzsenator Bundesgesetze für die schlechtere Einnahmesituation der Stadt verantwortlich macht, „da Hamburg im Bundesrat selber zugestimmt hat“. Mit Blick auf den enger werden finanziellen Spielraum forderte Kleibauer „eine konsequente Aufgabenkritik, ein besseres Controlling bei Großprojekten sowie die Umsetzung der angekündigten Personalkostenbremse“.
Steuern: Andreas Dressel soll Hamburger entlasten
David Stoop, haushaltspolitischer Sprecher der Linkspartei, teilte Dressels Kritik hingegen: „Das Inflationsausgleichsgesetz entlastet überdurchschnittliche Einkommen besonders stark. Das geht zulasten des hamburgischen Haushalts. Doch große Einkommen brauchen keine reale Entlastung, und stärkere Schulter könnten auch noch mehr schultern.“
Die Hamburgerinnen und Hamburger hätten für eine gut gefüllte Kasse gesorgt, befand Petra Ackmann, Landesvorsitzende des Bundes der Steuerzahler Hamburg. „Doch statt die Bürger deutlich zu entlasten, gelingt es dem rot-grünen Senat nicht, den Rotstift bei sich selbst anzusetzen.“ Sie erwarte „klare Sparanstrengungen“.