Hamburg. Tschentscher legt den Entwurf für den Doppelhaushalt vor – und gibt sich sehr optimistisch. “Starkes Zeichen“ für Bezirksämter.
Diese Botschaft war überraschend positiv: Hamburg ist finanziell so gut durch die Corona-Krise gekommen, dass die Stadt auch in den kommenden Jahren kräftig investieren kann, ohne dafür den Gürtel nennenswert enger schnallen zu müssen. Das betonte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bei der Vorstellung des neuen Doppelhaushalts 2023/2024 im Rathaus: „Wir sind stark, wir haben die Grundlagen gelegt in den letzten Jahren, und deshalb bin ich sicher: Was auch noch kommt – Ukraine-Krise oder Zins- und Preissteigerungen – das alles werden wir gut bewältigen.“
Der Haushaltsentwurf des Senats, der bis Ende des Jahres von der Bürgerschaft verabschiedet werden soll, drückt diese Grundhaltung auch in Zahlen aus: Der Gesamtaufwand der Stadt steigt von 17,7 Milliarden Euro in 2022 auf 18,3 Milliarden in 2023 und 18,8 Milliarden in 2024. Die Investitionen erreichen mit 2,2 und 2,4 Milliarden Euro jeweils ein Rekordniveau. Und trotzdem sinkt das Defizit planmäßig weiter und soll 2024 endgültig Geschichte sein: Dann wäre Hamburg das erste und einzige Bundesland, das auch nach kaufmännischer Betrachtungsweise einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen würde.
Doppelhaushalt 2023/2024 Hamburg: Tschentscher gibt sich optimistisch
„Der Vermögensverzehr ist beendet“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) und betonte: „Kein anderes Bundesland verfolgt eine derart ambitionierte Haushaltspolitik.“ Nur Hessen hat bislang einen ähnlichen Weg in der Finanzpolitik eingeschlagen, bei dem auch künftige Risiken (etwa Pensionen) sowie der Wertverlust der Infrastruktur (Straßen, Brücken, Gebäude) systematisch in Form von Rückstellungen und Abschreibungen im Haushalt berücksichtigt werden.
„Wir haben mit den Jahren 2020 und 2021 zwei der schwersten Jahre in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hinter uns“, sagte Tschentscher. Doch die Steuereinnahmen seien „mittlerweile wieder auf dem Vor-Krisen-Niveau“, so der erkennbar um Optimismus bemühte Bürgermeister. Denn laut der Steuerschätzung des Senats trifft das zunächst nur für 2022 zu – in den Jahren 2023 bis 2026 klafft dagegen ein Lücke von insgesamt zwei Milliarden Euro zum langfristigen Steuertrend. Inwiefern diese über Kredite geschlossen werden muss, ist offen, im neuen Haushalt sind vorerst nur 285 Millionen Euro Kreditaufnahme eingeplant. Möglich ist es jedenfalls trotz Schuldenbremse, da das Geld in den Vorjahren bilanziell „angespart“ wurde.
Dividende von Hapag-Lloyd stützt Hamburger Senat
Klar ist, dass dem Senat zwei Sondereffekte stark geholfen haben: Die Reederei Hapag-Lloyd, an der die Stadt mit 13,9 Prozent beteiligt ist, überweist dieses Jahr eine Dividende von mehr als 800 Millionen Euro. Für kommendes Jahr wird mit einer ähnlichen Größenordnung gerechnet. Das Geld geht zwar zunächst an die städtische Beteiligungsgesellschaft HGV und nicht in den Haushalt. Doch dafür braucht die HGV mehrere Jahre keinen Verlustausgleich.
Zudem kauft sie der Stadtentwicklungsbehörde in mehreren Tranchen kleinere Teile der Wohnungsbaugesellschaft Saga ab, sodass ein Teil der Hapag-Dividende doch im Etat landet. Dass Hamburg und Schleswig-Holstein die Schiffskredite, die sie 2016 ihrer HSH Nordbank abgenommen hatten, jetzt mit Gewinn weiterverkauft haben, hat der Stadt weitere 200 Millionen Euro eingebracht. Sehr geholfen hat ferner, dass im Zuge der Corona-Krise die Verschuldung nicht um acht, sondern bislang nur um 2,7 auf 28,2 Milliarden Euro gestiegen ist. Das spart zig Millionen an Zinsen.
An „Personalkostenbremse“ wird festgehalten
Dennoch leiste man sich jetzt „keinen Luxus“, so Tschentscher. „Wir werden auch die nächsten zwei Jahre sehr auf den Cent achten müssen. Aber uns als Senat ist wichtig, dass wir uns nicht in eine Depression hineinreden.“ Und Dressel erklärte, dass man ein „schwieriges, herausforderndes und risikoreiches Umfeld“ habe und es daher vor allem darum gehe, die „Grundfunktionen“ der Stadt am Laufen zu halten und etwa Kitas, Schulen, Polizei und Justiz solide zu finanzieren.
Für weitere Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine hat er daher 130 Millionen Euro zurückgelegt, und bei den ambitionierten Plänen für Schulsanierungen werde man „ein bisschen auf die Bremse treten“, so Dressel, auch weil die Situation am Bau schwierig sei. Auch an der mehrfach angekündigten „Personalkostenbremse“ halte man daher fest. Tschentscher zufolge gehe es darum, das Verhältnis von städtischen Beschäftigten zu Einwohnern stabil zu halten. Zuletzt kamen auf 1000 Einwohner 35,4 Mitarbeiter – knapp zwei mehr als noch 2016.
Stärkung für Hamburger Bezirksämter
Wie berichtet, sollen ungeachtet dessen künftig bis zu 400 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr für Personal ausgegeben werden, da viele Stellen in der Justiz, bei der Polizei, an Schulen und in den Bezirksämtern bislang zwar besetzt, aber nicht „ausfinanziert“ waren – jetzt ist das Geld im Haushalt eingeplant.
Knapp 100 Millionen davon entfallen allein auf die sieben Bezirksämter. Deren Stärkung lag vor allem den Fraktion von Grünen und SPD am Herzen. „In den letzten Jahren haben Hamburgs Bezirke oftmals große und auch neue Aufgaben meistern müssen, darunter die Bewältigung der Corona-Pandemie, der Wohnungsbau, der Ausbau der Velorouten oder das Betreuen von Geflüchteten“, heißt es in einem gemeinsamen Antrag der Koalition.
Doppelhaushalt: Hamburg stockt Mittel für Klimaplan auf
Die nun geplante Aufstockung der Mittel sei „die größte strukturelle Verbesserung in den Bezirken der letzten zehn Jahre“, freute sich Dennis Paustian-Döscher, Haushaltsexperte der Grünen: „Unsere Bezirke sind der erste Ansprechpartner für die Bürger/-innen vor Ort und nehmen unglaublich wichtige Aufgaben wahr. Ohne starke Bezirke gibt es keine Jugendhilfe, keinen Klimaschutz und auch keine Mobilitätswende in der Hansestadt.“ Anja Quast (SPD) sagte: „Schlagkräftige, handlungsfähige Bezirke sind für die Menschen in Hamburg unverzichtbar.“ 100 Millionen Euro zusätzlich seien daher „ein starkes Zeichen“.
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Den mit mehr als 4,5 Milliarden Euro mit Abstand größten Etat verwaltet weiter die Sozialbehörde. Bei ihr steigen allein die Ausgaben für die weitgehend gebührenfreien Kitas auf rund 1,2 Milliarden Euro im Jahr. Viel zusätzliches Geld fließt auch in die Schulen (bis 2024 sollen 1000 weitere Lehrkräfte eingestellt werden), die Hochschulen, die Kultur, den Wohnungsbau und natürlich in Mobilitätswende und Klimaschutz – zwei Punkte, die vor allem den Grünen wichtig waren. „Es ist uns im neuen Haushalt gelungen, die Mittel für den Klimaplan von 36 Millionen Euro auf 50 Millionen Euro aufzustocken – und zwar dauerhaft“, freute sich Umweltsenator Jens Kerstan. Insgesamt subsumiert der Senat unter der Überschrift „Klimaschutz“ Ausgaben von rund einer Milliarde Euro - pro Jahr.
So fielen die Reaktionen auf den Haushaltsentwurf aus
Thilo Kleibauer (CDU): „Der von der rot-grünen Koalition vorgelegte Haushalt weist viele Schwachstellen auf. Während der Senat die Ausgaben deutlich steigern will, spielen Initiativen zur Aufgabenkritik keine Rolle. Die Maßnahmen zur Begrenzung von Personal- und Raumkosten bleiben wirkungslose Absichtserklärungen. Insgesamt ist das ein Schönwetter-Haushalt, der die Risiken aus massiv gestiegenen Baukosten oder hohen Energiepreisen noch gar nicht berücksichtigt.“
David Stoop (Linke): „Dressels Haushaltsentwurf bleibt bei den erwarteten Steuereinnahmen hinter der Steuerschätzung des Bundes zurück. Doch wer sich politisch arm rechnet, wird notwendige Investitionen zu oft unterlassen und gefährdet notwendige soziale Ausgaben.“
Thomas Reich (AfD): „Viele – auch selbst verschuldete – Krisen belasten unsere Heimat, und Rot-Grün legt in diesen schwierigen Zeiten einen ‚Weiter-so-Haushalt‘ vor. Dem rot-grünen Senat fehlen jeder ernsthafte Sparwille und eine zukunftsgerechte Vorsorge. Er setzt falsche Prioritäten und ignoriert vorhandene Probleme.“
Anna von Treuenfels-Frowein (FDP): „Diesem Haushalt fehlt die Grundbotschaft. Die unsichere Weltlage hat unabsehbare Folgen für das Hamburger Steueraufkommen. Bürgermeister und Finanzsenator betonen deshalb, dass sie vorsichtige Sparsamkeit an den Tag legen würden. Dazu im Gegensatz steht, dass die Präsidialabteilungen gleich mehrerer Behörden nie gekannte Größen erreichen. Allein das kostet zweistellige Millionenbeträge, die besser angelegt wären, um die Haushaltsdefizite der nächsten Jahre zu verringern.“
Milan Pein (SPD): „Mit dem Haushaltsplanentwurf wird sichergestellt, dass Hamburg auch in wirtschaftlich schwierigen und politisch herausfordernden Zeiten als Zukunftsstadt weiterhin gut aufgestellt ist. Es ist gelungen, Einschnitte und Kürzungen zu vermeiden sowie in wichtigen Bereichen – etwa bei den Investitionen – weitere Akzente zu setzen.“
Tanja Chawla (DGB): „Wenn bei den Personalkosten gespart wird, führt das schnell zu Überlastung, schlechten Arbeitsbedingungen und Unzufriedenheit bei den vorhandenen Beschäftigten. Bereits jetzt arbeiten die Kolleg*innen vielfach an der Belastungsgrenze. Wie passt das zu einer Stadt, die erst vor wenigen Wochen ein Bündnis für Gute Arbeit gegründet hat?“