Hamburg/Kiel. Dass es sich um Kostbarkeiten handelte, offenbarte sich erst auf den zweiten Blick. Ab Juni sind sie im Maritimen Museum zu bewundern.

Es ist früh am Morgen, leichter Nebel liegt über der Ostsee. Im Hafen von Kiel macht sich eine Gruppe von Tauchern bereit, sie will aufbrechen, um Geisternetze aus der Ostsee zu fischen. Sie fahren zu einer Stelle, von der ein Angler gemeldet hatte, dass er dort immer mit seinem Anglerhaken hängen bleibt – ein Indiz dafür, dass hier ein verloren gegangenes Fischernetz liegen könnte.

Nach einer Stunde taucht das Team wieder auf. Doch die Taucher haben kein Netz dabei – sondern die Hände voll mit Schrott. Glauben sie zumindest. Doch schnell stellt sich heraus: Was sie hier geborgen haben, ist ein versunkener Silberschatz.

Ostsee: Kieler Taucher bergen versunkenen Schatz

Denn der „Schrott“ ist das Inventar der „Monte Olivia“, einem Passagierschiff der Reederei Hamburg Süd, das am 3. April 1945 in Kiel von britischen Bombern versenkt wurde. Heute wurde der Schatz – silberne Karaffen und Kannen, Teller, Tabletts, Tassen, Schalen und Besteck – im Internationalen Maritimen Museum Hamburg (IMMH) präsentiert. Besucher können den Sensationsfund aus rund 300 Artefakten vom 1. Juni an im IMMH bewundern.

Hubert Pinto de Kraus von der Forschungstauchervereinigung Scientific Diving Association (SDA) mit Rüdiger Stöhr, Florian Liesching und Iven Fuchs (v.l.) mit den geborgenen Tellern, Kannen, Tassen, Schüsseln und Besteck.
Hubert Pinto de Kraus von der Forschungstauchervereinigung Scientific Diving Association (SDA) mit Rüdiger Stöhr, Florian Liesching und Iven Fuchs (v.l.) mit den geborgenen Tellern, Kannen, Tassen, Schüsseln und Besteck. © Thomas Eisenkrätzer/Scientific Diving Association

Mit dabei bei der Präsentation war Hubert Pinto de Kraus, Präsident der Forschungstauchervereinigung Scientific Diving Association (SDA) aus Kiel, die seit Jahren mit Tauchern von One Earth – One Ocean zusammenarbeitet, um Geisternetze aus dem Wasser zu fischen. So auch an diesem frühen Dienstagmorgen Ende August vergangenen Jahres, als sie stattdessen auf die versunkenen Artefakte stießen.

Taucher sind jede Woche im Einsatz – auch bei Schnee und Eisregen

Der erfahrene Forschungs- und Wracktaucher Hubert Pinto de Kraus habe schnell gemerkt, dass hier kein Schrott auf dem Ostseegrund schlummert. Schon beim ersten Blick seien ihm die Stempel auf den Gegenständen aufgefallen. Es handelt sich um die Insignien HSDG – diese kannte er bereits von dem Schiffswrack der „Cap Arcona“, die im Mai 1945 mit rund 5000 KZ-Häftlingen an Bord in der Lübecker Bucht von britischen Jagdbombern versenkt wurde. Der Stempel der HSDG habe sich, so Hubert Pinto de Kraus, nur auf wertvollem Silbergeschirr und Besteck befunden.

Die SDA nimmt Kontakt mit dem Archäologischen Landesamt (ALSH) in Schleswig auf und erhält die Genehmigung, auch die weiteren Gegenstände zu bergen. Von November 2022 an sind die ehrenamtlichen Taucher fast jede Woche an der Stelle im Einsatz, auch bei vier Grad Wassertemperatur, Schnee und Eisregen.

Die „Monte Olivia“ bei einer Passagierreise im Jahr 2026.
Die „Monte Olivia“ bei einer Passagierreise im Jahr 2026. © Hamburg Süd/IMMH

Die Bergung der einzelnen Stücke ist nicht immer einfach, „viele der Funde wurden durch Schraubenbewegungen großer anlegender Schiffe tief in die Sedimente gedrückt oder liegen im Faulschlamm der Ostsee verborgen“, heißt es von der SDA. In den letzten Wochen kommt auch noch eine frühe Braunalgenblüte dazu, die Taucher können kaum noch etwas sehen und müssen die Gegenstände nahezu blind ertasten.

Neben dem Tafelsilber machen die Taucher übrigens noch einen kuriosen Fund: Zwischen den vielen Gegenständen entdecken sie ein Motorrad aus dem Zweiten Weltkrieg. Im Laufe der vielen Tauchgänge kamen noch andere Objekte an die Wasseroberfläche: Schuhe, medizinische und pharmazeutische Geräte und kleinere Teile des Schiffzubehörs.

Ostsee: So kommt der Silberschatz ins Maritime Museum nach Hamburg

Dass der Silberschatz im Maritimen Museum in Hamburg ausgestellt werden soll, ist nach Absprache mit Hamburg Süd schnell klar. Dort befinden sich bereits Artefakte und Archivalien der Reederei. „Uns war klar, dass wir unseren Fund nicht kommerziell vermarkten wollen“, heißt es von der SDA. „Er muss zusammenhängend der Nachwelt erhalten bleiben, um so die Geschichte der ,Monte Olivia’ erzählen zu können.“

Die knapp 160 Meter lange und 20 Meter breite „Monte Olivia“ lief am 28. Oktober 1924 bei Blohm & Voss vom Stapel. Für Hamburg Süd war sie als Kreuzfahrtschiff im Einsatz, zum Beispiel zum Nordkap. Im Krieg wurde das Passagierschiff für verschiedene Zwecke eingesetzt, zuerst als Wohnschiff für die deutsche Kriegsmarine, später als Lazarettschiff. Nach mehreren Bombentreffern kenterte sie am 3. April 1945 im Scheerhafen in Kiel.