Gewerkschaft ruft vor nächster Verhandlung erneut zu Streik auf. Operationen an Hamburger Krankenhäusern müssen verschoben werden.
- Marburger Bund ruft zu Warnstreik am 9. Mai in Hamburg auf
- Operationen am UKE und bei Asklepios müssen verschoben werden
- Was Krankenhausärzte in Hamburg verdienen
Hamburg. Noch vor der nächsten Verhandlungsrunde im Tarifkonflikt mit den Arbeitgebern am 22. Mai gehen Krankenhausärztinnen und -ärzte wieder auf die Straße. Wie der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund in Hamburg, Dr. Pedram Emami, dem Abendblatt bestätigte, gebe es am 9. Mai erneut einen Warnstreik.
Diesmal ziehen die Ärzte zum Dammtor. „Eigentlich wollen wir das gar nicht. Aber da die Arbeitgeber kein Angebot gemacht haben, bleibt uns keine Wahl. Das hat die Arbeitgeberseite zu verantworten“, so Emami.
Das hat zur Folge, dass vermutlich Tausende Ärzte aus den Asklepios Kliniken und dem UKE ihre Arbeit niederlegen werden. Für alle Häuser wird eine Notfallvereinbarung getroffen. Dennoch werden geplante Operationen verschoben werden müssen.
Ärztestreik in Hamburg: Überraschende Einigung am 22. Mai?
Emami sagte, in der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass „erwartungsgemäß nirgendwo eine Patientengefährdung vorlag. In den Krankenhäusern ist ein Streiktag von den Diensten her so wie ein Sonnabend oder Sonntag; das wird vorher so mit den Krankenhäusern vereinbart und organisiert.“
Die Arbeitgeberseite bezeichnete den Warnstreik als „komplett überflüssig“. Für die Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg sagte Geschäftsführer Urban Sieberts: Er glaube, dass es schon am 22. Mai eine Einigung geben werde.
Dass beide Seiten aufeinander zugehen, erscheint möglich, weil es laufende Sondierungen gibt. Außerdem hat es für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen eine Einigung gegeben, die jetzt für andere als Orientierungspunkt dienen könnte. 3000 Euro an steuer- und abgabenfreien Sonderzahlungen soll es dabei geben, verteilt auf einen Zeitraum von mehreren Monaten. Für das kommende Jahr wurde ein Gehaltsplus von 5,5 Prozent vereinbart.
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Ob sich die Ärzte mit einem ähnlichen Abschluss zufriedengeben würden? Sie fordern einen vollen Inflationsausgleich und ein Gehaltsplus von 2,5 Prozent.
Emami sagte: „Die letzte Gehaltserhöhung von etwa zwei Prozent vor zwei Jahren ist angesichts der hohen Inflation verpufft.“ Die Ärzte hätten sich aus Solidarität gegenüber anderen Berufsgruppen damals bei ihren Forderungen zurückgehalten.
Gehalt von Ärzten in Hamburg: Das verdient man im Krankenhaus
7045 Euro brutto verdient eine Fachärztin in einem Krankenhaus von Asklepios im Monat laut Tariftabelle, wenn sie schon drei Jahre in diesem Job gearbeitet hat. Das ist eine ordentliche Entlohnung, selbst in einer hochpreisigen Metropole wie Hamburg. Dabei sollte man jedoch bedenken: Die Inflation galoppiert auch für die Gutverdiener. Mieten, Energie und Lebensmittel haben in den vergangenen zwölf Monaten eine Preisexplosion gesehen. Die letzte Tariferhöhung von gut zwei Prozent plus war überschaubar – obwohl mitten in der Corona-Pandemie vereinbart, als die Belastungen für Mediziner wie Pflegekräfte enorm waren.
Zwar kamen weniger Patienten in die Kliniken. Doch der Hygieneaufwand war viel höher, nicht nur für die Covid-Kranken. Anders als für Pflegekräfte gab es keine Boni für das ärztliche Personal. Und aufgrund ihrer langen Ausbildung (Medizinstudium und Approbation plus sechs Jahre Weiterbildung zum Facharzt) profitieren Ärzte zumeist erst in fortgeschrittenem Alter von den eingangs erwähnten Gehältern. Aus ihrer Sicht muss in der laufenden Tarifauseinandersetzung also der berühmte „tiefe Schluck aus der Pulle“ angeboten werden, damit sie einschlagen. Sie erwarten ein kräftiges Gehaltsplus.
Warnstreik der Ärzte: Folgen für Patienten?
Durch Notfallvereinbarungen wird die Akutversorgung aufrechterhalten. Geplante (elektive) Operationen werden jedoch verschoben werden müssen. So harmlos ist dieser Umstand nicht. Zum einen kann es für Patienten im wahrsten Sinne des Wortes schmerzhaft sein, einen erwarteten Eingriff verschieben zu müssen. Zum anderen hat sich durch das Vermeiden von Krankenhausbesuchen oder sogar Arztkontakten generell in der Corona-Pandemie gezeigt: Vorsorgeuntersuchungen wurden immer wieder verschoben oder ganz abgesagt. Dadurch konnten Erkrankungen chronisch werden, sich verschlimmern.
Auch wenn es keinen hamburgweiten Überblick gibt, sagen doch mehrere Krankenhaus-Manager im Hintergrund: Die Zahl der Behandlungen und Operationen hat sich bei Weitem noch nicht dem Vor-Corona-Niveau angenähert. Das bedeutet Einnahmeausfälle für die meisten Häuser. Von minus zehn bis 15 Prozent an Behandlungsfällen geht man bundesweit aus.
Krankenhaus Hamburg: Mehrere Krisenszenarien parallel
Für die Kliniken als große Arbeitgeber der Stadt kommen gerade mehrere Krisenszenarien zusammen. Die Inflation spüren sie beim Einkauf von Medizinprodukten und bei den Energiepreisen. Das strukturelle Defizit aus der Corona-Pandemie schieben sie vor sich her – und eine Tarifsteigerung wird ihnen nicht zu 100 Prozent von den Krankenkassen ausgeglichen. Das ist im Übrigen schon seit Jahren so. Die „Preise“ für Behandlungen und Operationen können sie schließlich nicht einfach erhöhen. Zudem wird erwartet, dass immer mehr Therapien und Eingriffe ambulant gemacht werden.
Gleichzeitig schauen die Krankenhäuser und ihre Träger – ganz gleich, ob gemeinnützig oder privat – mit Skepsis auf die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Auch in Hamburg dürfte das medizinische Angebot davon nicht ausgenommen werden. Wie? Das weiß noch niemand. Aus der Behörde von Sozial- und Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) heißt es: Hamburg wird bei der Reform auf Bundesebene sicher im Sinne der besonderen Situation der Hansestadt mitreden. Jeder dritte Klinikpatient kommt aus anderen Bundesländern. Allerdings müsste aus Sicht der Krankenhäuser auch bei der Reform ein Mechanismus eingebaut werden, dass zukünftige Gehaltssteigerungen besser ausgeglichen werden, um die „Tarifschere“ nicht weiter auseinanderklaffen zu lassen.