Hamburg. Eine Aktivistin wird zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Richterin zeigt dennoch Sympathie für die klimabewegte Frau.

Nein, sie hat sich nicht auf der Straße festgeklebt, die Hamburger Köhlbrandbrücke blockiert oder einen Rettungswagen im Einsatz behindert. Und obwohl sie Teil der „Letzten Generation“ ist, hat Lina S. (21) offenbar auch darauf verzichtet, mit Sprühkreide, Farben und Feuerlöschern das Audimax der Universität Hamburg neu zu dekorieren, wie es ihre Mitstreiter am 2. Juni des vergangenen Jahres taten.

Und doch wurde die klimabewegte junge Frau am Freitag vom Amtsgericht Hamburg-Mitte wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 15 Euro verurteilt. Das entspricht in etwa dem, was die Mini-Jobberin in einem Monat verdient. Ihr Studium hat sie aufgegeben und ist wieder zu ihrer Familie gezogen.

„Letzte Generation“ in Hamburg: Geldstrafe für Sachbeschädigung

Lina S. sagte vor Gericht unter anderem: Sie habe an der mehrtägigen Besetzung des Audimax und den Protesten teilgenommen, weil sie „feststellen musste, dass das nicht ausreicht“, was politisch gegen den Klimawandel getan werde. „An einem Tag, an dem Tausende ihre Heimat verlieren wegen der Klimakatastrophe, kann ich nicht in der Universität sitzen.“ Das tat sie dann doch, aber nicht zum Studieren.

Die Vorsitzende Richterin hatte sich viel Zeit genommen, um die Motive der damaligen Philosophiestudentin und ihren familiären Hintergrund zu verstehen. Sie sagte in ihrer Urteilsbegründung sogar, Protest und Klimabewusstsein der jungen Generation könne sie persönlich nur unterstützen. Allerdings habe sie kein Verständnis für Sachbeschädigung und folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die hatte eine Einstellung des Verfahrens abgelehnt, auch sollte das Jugendstrafrecht nicht zur Anwendung kommen. Die Angeklagte war zum Tatzeitpunkt noch nicht 21 Jahre alt, also heranwachsend.

Richterin zu Klimaaktivistin: „Es müssen Grenzen gesetzt werden“

„Es müssen Grenzen gesetzt werden“, sagte die Richterin. Sie wertete die langen, bisweilen nahezu weinerlich vorgetragenen Erinnerungen von Lina S. an die Besetzung des Audimax als Eingeständnis, dass sie „mitgehangen, mitgefangen“ gewesen sei. Ein Video, das während der Verhandlung gezeigt wurde und das die „Letzte Generation“ in sozialen Medien teilte, zeigt eine eigentlich harmlose Aktion auf dem Uni-Campus. Klimaaktivisten besteigen unangestrengt das Vordach des Audimax, entrollen ein Transparent, ein Student verliest eine Erklärung, im Hintergrund arbeiten die Sprayer und Bemaler.

Der Sachschaden, so der Staatsanwalt, habe 18.081,21 Euro betragen. Das sei schon die um den Polizeieinsatz und anderes reduzierte Summe. Lina S.s Verteidigerin hätte gerne die von der Uni beglichenen Rechnungen für das Reinigen gesehen, die in den vorgelegten Akten fehlten. „Ohne Rechnung kann man keinen Schaden beziffern“, sagte sie. Doch die Richterin sagte in ihrer Urteilsbegründung, es sei unerheblich, ob der Schaden 5000 oder 10.000 Euro oder mehr betrage. Wichtig sei, dass gemeinschaftlich fremdes Eigentum beschädigt worden sei. Sie charakterisierte Lina S. als intelligente, achtsame junge Frau – und setzte einen Kontrapunkt zum Klischee randalierender Klima-Kleber.

Dabei ging sie detailliert auf die Farben ein, die die Aktivisten mitgebracht hatten, einige anscheinend noch originalverpackt. Sie sollten zum Teil nur Tage auf dem Untergrund beständig sein, andere Wochen, einige sollten bei fachgerechtem Auftragen sechs bis neun Monate haften. Acryl-Harze waren dabei in unterschiedlichen Farbtönen. Pink und Neon sind in der Klebe-Szene augenscheinlich sehr beliebt. Unter den „Instrumenten“ der „Letzten Generation“ waren aber auch Eco-Marker sowie „leicht mit Wasser abwaschbare“ Substanzen. An der Auswahl der Mittel lässt sich mutmaßlich ablesen, wie schlimm für die Reiniger die Lösung sein soll.

Lina S. sagte, sie sei „schockiert“ über den hohen Schaden. „Das wollte ich nicht.“ In ihrer ausführlichen Schilderung der mehrtägigen Uni-Besetzung vergaß sie nicht zu erwähnen: „Wir haben morgens den Hörsaal aufgeräumt. Mir war wichtig, dass immer alles sauber ist.“