Hamburgs Altbürgermeister im Gespräch mit Matthias Iken vom Abendblatt. Heute über die Klimaaktivisten.

Matthias Iken: Die „Letzte Generation“ hat die Hauptstadt massiv blockiert. Haben Sie Verständnis für diesen Protest?

Klaus von Dohnanyi: Die Sorgen der heute 30-Jährigen sind wahrlich begründet: Die Erwärmung der Erdatmosphäre wird offenbar in Europa besonders spürbar. Ein Leben bei 40 Grad und mehr im Sommer; die Folgen für Landwirtschaft und Wasserversorgung, Waldbrände und heftige Wetterwechsel sind erschreckend. Ob wir diese Entwicklung überhaupt aufhalten können, mag man bezweifeln, aber tun, was noch möglich ist, das ist die Aufgabe der Politik. Daran muss man sie stündlich erinnern. „Kleben“ ist rechtswidrig, aber ich habe zwei weitere Einwände: Mir ist dieser Protest zu passiv, zu defensiv, zu unkonkret. Und es war doch der Krieg, der den Klimaschutz zurückgedrängt hat. Es wird keinen weltweiten Klimaschutz mehr geben, solange Krieg die Welt spaltet und die Finanzen verzehrt. Also muss alles auf Verhandlungen drängen. Erst wenn die Leute das Nato-Hauptquartier „verkleben“, haben sie verstanden. In Moskau geht das ja leider nicht.

Iken: Nützen die Blockaden der Sache Klimaschutz?

Dohnanyi: Nein. Einmal, weil diese Art des Protestes die einfache Bevölkerung mehr behindert als diejenigen, die etwas zu sagen haben. Die werden nämlich gefahren, sitzen hinten im Auto mit ihren Akten und können fein klimatisiert ihre Arbeit tun. Aber wer zur Arbeit will, eine Stechuhr bedienen oder einen Laden pünktlich öffnen oder einen Transport zu Ende bringen muss, für den ist es anders. Kleben trifft die Falschen und motiviert sie nicht, Klimaschutz zu unterstützen. Wir werden aber die notwendigen Maßnahmen zum Klimaschutz ohne eine breite Unterstützung aus allen Bevölkerungsschichten nicht durchsetzen können. Siehe die Heizungsdebatte.

Iken: Welche Folgen hat die „Letzte Generation“ für die politische Debatte – werden die Proteste zum Problem der Grünen?

Dohnanyi: Da bin ich ratlos, heißt es denn nur, den Teufel mit Beelzebub austreiben? Im Prinzip finde ich, dass die Grünen mit ihrem ideologiegetriebenen Politikverständnis abgewählt gehören. Einst „klebten“ sie sich an die Schienen, obwohl sie doch wissen mussten, dass der Castor den atomaren Restmüll abholen und verbringen musste. Dann blockierten ihre Unterstützer bundesweit die Verlegung von Stromleitungen, den Bau neuer Eisenbahnlinien oder die Errichtung von Windrädern. Wo war da die grüne Spitze? Nun stehen sie Verhandlungen im Wege, um den Ukrainekrieg zu beenden, die einstigen grünen Friedenspolitiker. Ich habe keinen Respekt vor so viel politischem Opportunismus. Die Grünen gehören gründlich gestutzt.