Hamburg. Untersuchung zeigt, wie rasant sich das Virus an Schulen verbreiten kann. Senat hatte betont, Infektionen in Schulen seien eher selten.

Der Hamburger Senat hat die überraschenden Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung zum ersten großen Corona-Ausbruch an einer deutschen Schule publik gemacht.

Bei dem Ausbruch an der Heinrich Hertz Schule in Winterhude hatten sich im September fast 40 Menschen mit dem Virus infiziert, der allergrößte Teil waren Schüler. Das auf Viren spezialisierte Heinrich-Pette-Institut (HPI) und das UKE haben den Ausbruch zusammen mit dem Gesundheitsamt in Hamburg Nord untersucht und die Virusgenome analysiert.

Wie breitete sich das Virus in der Schule aus?

So sollte festgestellt werden, ob das Virus mehrfach und unabhängig von unterschiedlichen Menschen in die Schule eingetragen wurden – oder sich vor allem in der Schule verbreitete. Bisher hatte die Schulbehörde immer wieder betont, bei Infektionen an Schulen handle es sich zumeist um separate Eintragungen, Infektionen in den Schulen selbst seien eher die Ausnahme als die Regel.

Mitte Dezember hatte die „Zeit“ berichtet, der Senat halte die Ergebnisse der Untersuchung von HPI und UKE unter Verschluss. Die Schulbehörde dementiert dies. Der Sprecher von Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte laut dem „Zeit“-Bericht über die Untersuchung gesagt, diese könne man beim Gesundheitsamt erfragen: „Für uns ergaben sich leider keine relevanten Erkenntnisse, aus denen sinnvolle schulische Schutzmaßnahmen abgeleitet werden könnten.“

Hohe Anzahl von identischen Genomsequenzen identifiziert

Nun hat offenbar die auch für Gesundheit zuständige Sozialbehörde und nicht die Schulbehörde im Namen des Senats auf eine Anfrage nach dem Transparenzgesetz auf der Plattform „Frag den Staat“ geantwortet. „Das Heinrich-Pette-Institut (HPI) und das UKE haben im September in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt Hamburg-Nord den Schulausbruch an der Heinrich Hertz Schule untersucht und dadurch die folgenden Erkenntnisse gewonnen: Infektionen/Übertragungen haben in der Schule stattgefunden“, schreibt der Senat dort. „Von den untersuchten und verwertbaren Proben ist eine hohe Anzahl von identischen Genomsequenzen identifiziert worden.

Daher ist die überwiegende Mehrzahl der Übertragungen höchstwahrscheinlich auf eine einzige Infektionsquelle zurückzuführen. Die Möglichkeit, dass der Ausbruch aus unabhängigen Einträgen resultiert, kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.“

Eine einzige Person steckte wahrscheinlich Dutzende an

Mithin: Es ist sehr wahrscheinlich, dass an dieser Schule eine einzige Person Dutzende andere angesteckt hat. Die These, es komme an Schulen selbst grundsätzlich nur selten zu Infektionen, wird damit durch diese umfassende Untersuchung des ersten Schulausbruchs zumindest teilweise infrage gestellt.

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Geplant ist laut Senatsantwort, „dass das HPI und das UKE zu gegebener Zeit eine wissenschaftliche Publikation zu dieser (und anderen Untersuchungen von Ausbruchsgeschehen in Schulen) veröffentlichen werden“.

AHA-Regeln mussten im Sommer in Schulen nicht eingehalten werden

Seit Ende der Sommerferien im August waren Schüler in Hamburg weitgehend ohne Abstand und Masken unterrichtet worden, die AHA-Regeln mussten in Schulen also nicht eingehalten werden – auch weil dies organisatorisch schwer möglich ist. Schulsenator Rabe hatte die Hygiene-Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für Schulen im Oktober im NDR als „sehr seltsam“ bezeichnet. Eine Maskenpflicht im Unterricht wurde für die Mittelstufe erst Anfang November eingeführt.

Schulbehörde verweist auf eigene Untersuchung

Schulbehördensprecher Peter Albrecht verwies am Sonntag auf Abendblatt-Nachfrage erneut auf eine bisher nicht publizierte Untersuchung der Schulbehörde. Danach sei zwischen Sommer- und Herbstferien bei 372 Schülern eine Coronainfektion festgestellt worden. Lediglich 80 davon hätten sich in der Schule infiziert.

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„Darunter befinden sich nach Berechnungen der Schulbehörde 34 vermutlich in der Schule infizierte Schülerinnen und Schüler der Heinrich-Hertz-Schule“, so Albrecht. „Eine damals noch nicht bekannte, spätere Sequenzierung lässt heute allerdings den Schluss zu, dass nicht 34, sondern nur 25 Schulbeteiligte der Heinrich-Hertz-Schule in der Schule infiziert wurden.“

Weitere Ausbrüche an Hamburger Schulen

Neben dem Ausbruch an der Heinrich-Hertz-Schule im September hatte es mehrere weitere Corona-Ausbrüche an Hamburger Schulen gegeben. An der Schule auf der Veddel etwa wurden Ende November 94 Infektionen festgestellt. Allein 32 der 74 Lehrer hatten sich angesteckt. An der Ida Ehre Schule waren zuvor bei einer Massentestung 55 Infektionen entdeckt worden.