Hamburg. Erstes Urteil im zweiten Prozess bestätigt: Angeklagter tötete Matheus A. und versteckte Leichnam monatelang in der Wohnung.

Vier Monate lang blieb sein Schicksal ungeklärt. Vier Monate lang schien der Brasilianer Matheus A. wie vom Erdboden verschluckt. Doch es gab jemanden, der wusste, wo der vermisste 29-Jährige war – und er wusste zudem, dass der junge Mann längst tot war. Mario M. (Name geändert) hat den Brasilianer ermordet und dessen Leichnam über lange Zeit in seiner Wohnung versteckt. Zu dieser Überzeugung kommt das Schwurgericht im Prozess gegen den 48 Jahre alten Krankenpfleger. Das Urteil gegen Mario M.: Er erhält eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Als die Vorsitzende Richterin das Urteil am Montagmorgen verkündet, wirkt Mario M., als gehe ihn die Entscheidung nicht wirklich etwas an. Ungerührt, reglos, vielleicht auch ein wenig nachdenklich. Aber wie sieht es hinter der Stirn des Mannes mit dem kahl rasierten Schädel aus? Davon gibt der gebürtige Italiener nichts preis. Fast die gesamten zwei Stunden, die die Urteilsverkündung andauert, bleibt sein Gesicht eine undurchschaubare Maske. Hat er mit dieser konkreten Entscheidung gerechnet?

Prozess Hamburg: Mord an Brasilianer – 48-Jähriger muss lebenslang in Haft

Lebenslange Haft ist schließlich das gleiche Ergebnis wie vor knapp zwei Jahren, als bereits eine andere Kammer zu dem Urteil gekommen war, dass Mario M. wegen Mordes zu verurteilen sei. Nachdem der Angeklagte dagegen in Revision gegangen war und der Bundesgerichtshof die Entscheidung kassiert hatte, hätte Mario M. wohl auf ein für ihn günstigeres Urteil hoffen können. Doch auch die Kammer in diesem zweiten Prozess, der jetzt nach drei Monaten zu Ende gegangen ist, ist überzeugt davon, dass der 48-Jährige den Brasilianer am 22. September 2019 umgebracht hat.

Dies habe Mario M. getan, indem er dem Opfer mit einem Bettbezug die Luftzufuhr abgeschnürt hat, meint das Gericht. Danach versteckte er den Leichnam im Gästezimmer seiner Wohnung unter einer Matratze, bedeckte den Toten unter anderem mit Müllsäcken und Sand. Gegen den Verwesungsgeruch versprühte er Duftspray. Immer wieder hatte der Wohnungsinhaber in der Folgezeit Übernachtungsgäste – die nicht ahnten, dass sie Wand an Wand mit einem Toten schliefen.

Mord an Brasilianer: Viele Menschen suchten verzweifelt nach dem 29-Jährigen

Erst vier Monate, nachdem Matheus A. als vermisst gemeldet wurde, wurde der Leichnam in der Wohnung von Mario M. entdeckt. Nach mehreren Hinweisen hatte die Polizei die Räumlichkeiten durchsucht und das Verbrechensopfer gefunden. Bis dahin hatte viele Menschen nach dem 29-Jährigen verzweifelt gesucht – vor allem dessen Mutter und die Schwester. Lange hatten sie zwischen Hoffen und Bangen gependelt.

Der Tat vorangegangen waren nach Überzeugung des Gerichts eine flüchtige Bekanntschaft der beiden Männer und ein wohl gemeinsamer Drogenkonsum in der Wohnung von Mario M. in der Neustadt. Dann, so hat es die Kammer jetzt festgestellt, hat der Krankenpfleger den Brasilianer heimlich sediert, sehr wahrscheinlich, indem er ihm in einem unbeobachteten Moment K.o.-Tropfen in ein Getränk gab. Dies habe Mario M. getan, um den Mann widerstandsunfähig zu machen und dann sexuell missbrauchen zu können.

Mord an Brasilianer: Hände des Opfers waren vermutlich gefesselt

Doch zumindest für einen Moment, so schildert es die Vorsitzende Richterin Jessica Koerner, erwachte Matheus A. aus seiner unfreiwilligen Lethargie – und begann sehr laut zu schreien. Diese panikartigen Rufe mitten in der Nacht, die auch Nachbarn in dem Mehrfamilienhaus hörten, hätten Mario M. „in Aufruhr versetzt“, sagt die Richterin. Er habe seinen Bekannten deshalb unbedingt zum Schweigen bringen wollen. Deshalb habe Mario M. dann den Brasilianer getötet. Weil er damit eine andere Straftat habe verdecken wollen, nämlich den versuchten sexuellen Missbrauch, handelt es sich rechtlich gesehen um Mord.

Wie konnte der eher klein gewachsene Mario M. den ihm körperlich überlegenden Brasilianer töten? Durch die sedierenden Drogen, die der Angeklagte dem Opfer vorher verabreicht hatte, war die Widerstandsfähigkeit des 29-Jährigen deutlich eingeschränkt. Außerdem sind seine Hände vermutlich gefesselt gewesen. Schließlich, so die Überzeugung des Gerichts, versetzte Mario M. dem Mann sehr wahrscheinlich mehrere Schläge ins Gesicht, dann stopfte er ihm entweder den Bettbezug wie einen Knebel in den Mund oder bedeckte Mund und Nase des Brasilianers, bis dieser erstickte.

Mord an Brasilianer: Angeklagter machte keine Angaben

Außer wegen Mordes ist Mario M. wegen einer weiteren Tat schuldig: Im Juli 2019 missbrauchte er einen anderen Mann, nachdem er dem Opfer heimlich ein narkotisierendes Mittel in dessen Bier geschüttet hatte und dieser wenig später bewusstlos wurde. Dann führte er an dem wehrlosen Mann sexuelle Handlungen aus, fotografierte dies und versuchte später noch, das Opfer mit den Bildern zu erpressen.

Mario M. hat in diesem zweiten Prozess keine Angaben gemacht – im Gegensatz zu der ersten Verhandlung vor rund zwei Jahren, in der er geschildert hatte, dass Matheus A. quasi ohne sein Zutun verstorben sei. Der Brasilianer habe freiwillig ein Drogengemisch konsumiert, habe dann ihn, Mario M., massiv sexuell bedrängt. „Er packte mich“, so hatte es der Angeklagte erzählt. „Schlagartig“ sei der Angreifer dann ruhig geworden und eingeschlafen, er selber sei ebenfalls eingenickt. Irgendwann müsse der 29-Jährige dann in jener Nacht verstorben sein. „Als ich wieder wach wurde, lag er regungslos neben mir.“

Etliches an der damaligen Aussage des Angeklagten sei „unplausibel“, betont jetzt Richterin Koerner. Es handele sich um die Schilderung eines teilweise „absurden Geschehens“. Unter anderem hatten etliche Zeugen dargelegt, dass Matheus A. eindeutig heterosexuell gewesen sei. Daher erscheine es unwahrscheinlich, dass das spätere Opfer seine männliche Zufallsbekanntschaft zum Sex habe drängen wollen. Auch dass Matheus A. laut Erzählung des Angeklagten „wie eine Bestie“ getobt habe, sei abwegig angesichts der sedierenden Drogen, die der 29-Jährige heimlich verabreicht bekommen hatte.