Hamburg (dpa/lno). Hamburg wächst seit Jahren und der Wohnraum platzt aus allen Nähten. Damit sich das ändert, hat Rot-Grün jetzt weitreichende Zusagen gemacht. Die Mieterlobby freut sich. Aus Sicht der Wohnungswirtschaft bringt die Entscheidung indes das Gegenteil des gewünschten Effekts
In Hamburg sollen künftig pro Jahr rund 1000 Sozialwohnungen mit einer 100-jährigen Mietpreisbindung entstehen. Damit sollen Mieter in öffentlich geförderten Wohnungen für diesen ungewöhnlich langen Zeitraum vor überbordenden Mieterhöhungen geschützt werden. Zudem soll künftig in der Hansestadt der Verkauf von städtischen Wohnungen und Wohngrundstücken grundsätzlich ausgeschlossen sein. Darauf hat sich die rot-grüne Rathauskoalition in fast zweijährigen Verhandlungen mit zwei Volksinitiativen verständigt, wie die Fraktionen von SPD und Grünen am Mittwoch mitteilten. Die Einigung soll demnach in den nächsten Wochen in die Bürgerschaft eingebracht werden.
„Die Volksinitiativen haben im Gegenzug zugesagt, das Volksabstimmungsverfahren zu beenden“, hieß es. Die Wohnungswirtschaft nannte die Vereinbarung eine „dramatische Fehlentscheidung“ und verlangten zusätzliche Fördermittel.
Die beiden Initiativen waren unter dem Motto „Keine Profite mit Boden & Miete“ vor rund zwei Jahren mit insgesamt rund 28.400 Unterschriften im Rücken gestartet. Sie wollten erreichen, dass in Hamburg der Verkauf städtischer Flächen unterbunden und der Bau preisgünstiger Wohnungen angekurbelt wird. Grundstücke der Stadt sollten grundsätzlich nur noch im Rahmen des Erbbaurechts vergeben werden. Dabei wurden sie von Mietervereinen unterstützt.
„Die wichtigsten Grundpfeiler einer sozialen und nachhaltigen Hamburger Wohnungspolitik werden nun langfristig abgesichert“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. „Ein Ausverkauf städtischer Flächen ist langfristig ausgeschlossen.“ Zudem schafften die Vereinbarungen „langlaufende Mietpreisbindungen von in Deutschland bisher nicht gekannter Dauer“. Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Dominik Lorenzen, sagte: „Wir garantieren für mindestens 1000 neue Wohnungen pro Jahr eine hundertjährige Sozialbindung, in Kombination mit einer an Inflation und Lohnniveau gebundenen Mietpreisentwicklung.“ Rechtsanwalt Marc Meyer von Mieter helfen Mietern sprach von einem großen Erfolg, dass „künftig jährlich 1000 geförderte Wohnungen nicht mehr nach 20 Jahren automatisch aus allen Bindungen fallen.“
Wohnungsverbände im Norden bezweifelten indes, dass der mit den Volksinitiativen geschlossene Kompromiss den gewünschten Effekt haben wird. „Stattdessen gefährdet er den Bau von geförderten und frei finanzierten Wohnungen auf den Grundstücken der Stadt erheblich“, heißt es in einer gemeinsamen Reaktion von vier Verbänden.
„Mit 100-jährigen Mietpreisbindungen auf einem Niveau unterhalb des Mittelwertes des Mietenspiegels lassen sich Finanzierungen über den gesamten Zeitraum ohne öffentliche Förderung nicht kalkulierbar durchführen.“ Förderungen im sozialen Wohnungsbau liefen derzeit über einen Zeitraum von 30 Jahren. „Ein Finanzierungsinstitut zu finden, dass den Zeitraum nach diesen 30 Jahren bei geringen Mieteinnahmen finanziert, ist aus heutiger Sicht schwierig bis unmöglich“, so die Verbände. „Da werden sich seriöse Bauherren für solche Konzepte nur schwerlich finden.“ Die Wohnungswirtschaft verweist in diesem Zusammenhang auch auf die deutlich gestiegenen Baukosten und den Aufwand, der mit dem klimaneutralen Umbau des Wohnungsbestandes auf Vermieter zukommen wird.
Zweiter Baustein der Vereinbarung mit den Volksinitiativen ist die Verankerung einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik in der Verfassung der Hansestadt. „Am Ausverkauf von städtischen Immobilien aus CDU-Regierungszeiten leiden wir noch heute“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). „Insofern ist es eine richtige und wichtige Fortschreibung unserer neuen sozialen Bodenpolitik, dass wir dem Verkauf von städtischem Grund und Boden gemeinsam mit der Volksinitiative in der Verfassung in großen Teilen einen Riegel vorschieben.“ Rechtsanwalt Meyer sagte: „Es wird auch für spätere Senate nicht mehr so einfach möglich sein, das städtische „Tafelsilber“ Grund und Boden leichtfertig durch Verkauf zu Spekulationsobjekten zu machen. Nachfolgenden Generationen bleibt mehr Hamburg erhalten.“