Hamburg. Zum G-20-Jahrestag hatten drei Linksextremisten vier Brandanschläge geplant. Eine aus dem Trio hofft nun auf Bewährung.

Das Trio ist zur Solonummer geschrumpft, zumindest gilt das für dieses gerichtliche Nachspiel. Von den in linksextremistischen Kreisen in ironischer Anspielung auf den Ort ihrer Festnahme genannten „Drei von der Parkbank“ sitzt am Donnerstag nur die eine von der Parkbank vor Gericht: Lykke D. Mit ihren Unterstützern im Saal hingegen ließe sich bequem eine mittelgroße Kneipe füllen.

In zweiter Instanz kämpft die 31 Jahre alte Anarchistin dafür, dass ihre Freiheitsstrafe doch noch zur Bewährung ausgesetzt wird. Das Hamburger Landgericht hatte sie im November 2020 wegen Verabredung zur Brandstiftung zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnis verurteilt.

„Drei von der Parkbank“: BGH hob Gerichtsurteil auf

Hoffnung besteht, weil der Bundesgerichtshof (BGH) im Sommer 2022 das Urteil gegen sie teilweise aufgehoben und nach Hamburg zurückverwiesen hat. So kritisierte der BGH, dass das Gericht der Angeklagten eine Bewährung insbesondere deshalb versagte, weil sie sich mit den beiden Mitangeklagten während der Sitzungspausen verbotenerweise austauschte.

Dazu sei jedoch kein Beweis erhoben worden. Insofern habe die unbestrafte Angeklagte nicht erkennen können, dass ihr Verhalten Folgen für das Urteil und die Frage der Strafaussetzung haben könnte.

Parkbank-Täterin Lykke D. (r.) sitzt neben ihrer Verteidigerin Britta Eder.
Parkbank-Täterin Lykke D. (r.) sitzt neben ihrer Verteidigerin Britta Eder. © Daniel Herder

Wie beim initialen Prozess ist die linksalternative Szene auch beim Auftakt der Neuverhandlung stark vertreten. Rund 50 Unterstützer tröpfeln am Donnerstag nach und nach in den kleinen Sicherheitssaal. Als eine Justizbedienstete daran erinnert, dass im Saal alle ihre Kopfbedeckung absetzen müssen, stöhnt eine Frau genervt auf: „Deutschland!“

Anders als vor zwei Jahren hält sich diesmal aber das emotionale Echo im Solidaritätsblock in Grenzen: kaum höhnische oder empörte Zwischenrufe, kaum Gelächter. Selbst für den von der Szene schon im ersten Verfahren zum Hauptgegner auserkorenen Oberstaatsanwalt Ralf Scharkau verläuft der Prozessauftakt erstaunlich ruhig.

„Drei von der Parkbank“: Hamburger Zivilbeamte vereitelten Brandanschläge

Am 8. Juli 2019, anlässlich des zweiten Jahrestags der G-20-Proteste, hatten Lykke D., Felix R. und Ingmar S. in Hamburg vier Brandanschläge geplant. Um die Brandsätze aufzuteilen, trafen sie sich an einer Parkbank in einer Grünanlage an der Meißnerstraße (Eimsbüttel). Diese Ziele wollte das Trio simultan angreifen: ein Dienstfahrzeug und ein Büro des Wohnungsunternehmens Vonovia, das Büro einer großen Maklerfirma und die Wohnanschrift von Ex-Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD).

Zivile Polizeibeamte vereitelten das Vorhaben jedoch und nahmen sie fest. Während die Hamburger Polizei blumig von einem „Stich ins Herz der anarchistischen Szene“ sprach, erreichte die Stimmung bei den Linksextremisten den Siedepunkt. Allein bis Anfang Januar 2020 zählte ein „Solidaritäts-Blog“ 33 Aktionen und Anschläge im In- und Ausland mit Bezug zur „Parkbank-Crew“, die eine Art Heldenstatus genoss. Nach 50 Verhandlungstagen verurteilte das Landgericht Felix R. zu 23, Ingmar S. zu 19 und Lykke D. zu 20 Monaten Gefängnis.

„Drei von der Parkbank“: Lykke D. droht Freiheitsstrafe

Mit dem Urteil im November 2020 kamen die beiden Männer nach fast anderthalb Jahren in der U-Haft wieder frei. Sie haben also den Großteil ihrer Freiheitsstrafen bereits abgesessen, das Urteil gegen sie ist inzwischen rechtskräftig. Seit wenigen Tagen verbüßt Felix R. seine restlichen sechs Monate Haft. Lykke D. hingegen blieb die U-Haft bis auf ein paar Wochen erspart. Sollte das Gericht ihr aber auch in zweiter Instanz die Bewährung verwehren, müsste sie ihre Strafe von 20 Monaten noch fast komplett abbrummen.

Damals wie heute will Lykke D. nicht auf Fragen des Gerichts antworten, das überlässt sie ihrer Verteidigerin. Den Staat und seine Organe, auch die Justiz, respektiert die Angeklagte ohnehin nicht. Dass sie „jede Autorität“ ablehnt, hat die Strafkammer schon vor zwei Jahren festgestellt. Ihr eigen sei eine „rechts- und insbesondere polizeifeindliche Gesinnung“.

„Drei von der Parkbank“: LKA beobachtete Trio weiter

In Ansätzen spiegelt sich diese Haltung auch in der vom Gericht am Donnerstag verlesenen „Erklärung der drei Anarchist*innen“ wider. Die Schrift war im Internet kurz nach dem Urteil veröffentlicht worden, darin ist etwa von einer „Herrschaftsinszenierung“, von „absurden Ritualen“ und „albernen Kostümen“ die Rede – gemeint ist der gerade zu Ende gegangene Gerichtsprozess. Am Ende heißt es: „Wir sind voller Vorfreude auf die Straßen zurückzukehren und wieder ohne Mauern, Gitter und Scheiben zwischen uns, Seite an Seite zu kämpfen.“

Bewährung gibt es nur, wenn das Gericht davon ausgeht, dass der oder die Angeklagte sich bei einer günstigen Sozialprognose das Urteil zur Warnung nimmt und straffrei bleibt. Dazu erklärt Lykke D. über ihre Anwältin, sie habe ein Studium zur Gebärdendolmetscherin in Hamburg abgeschlossen (Note 1,8) und den Schritt in die Selbstständigkeit nur deshalb nicht gemacht, weil das Verfahren gegen sie noch nicht abgeschlossen sei. Zurzeit arbeite sie in einem Café.

Als Staatsanwalt Scharkau polizeiliche Recherchen zum aktuellen Arbeitsort der Angeklagten ankündigt, regt sich kurz Protest im Saal. Scharkau macht eine wegwerfende Handbewegung. Er ist Schlimmeres gewohnt.

Noch lange nach dem Urteil verlor das LKA die „Drei von der Parkbank“ nicht aus den Augen, überwachte ihre E-Mail-Accounts und Telefone. Am Donnerstag verliest das Gericht eine mehrseitige Auswertung dazu. Notiz der Kriminalbeamten: Die Observierten ahnten von der Bespitzelung. Keine Namen am Telefon zu nennen und Vertrauliches nur bei persönlichen Treffen zu erörtern sei für Lykke D. (und die anderen) selbstverständlich gewesen.

Und Treffen mit den Mitangeklagten Felix R. und Ingmar S. erfassten die Beamten so einige. Außerdem lebte Lykke D. weiterhin mit Gesinnungsgenossen in einer Wilhelmsburger WG und besuchte andere extremistische Kader im In- und Ausland, so in Barcelona. Lykke D., heißt es weiter, sei in der nationalen und internationalen Linksextremistenszene nach wie vor „sehr gut vernetzt“.

Dass sie ihr Kommunikationsverhalten wegen der vermuteten staatlichen Überwachung angepasst habe, könne ihrer Mandantin nicht nachteilig ausgelegt werden, sagt ihre Verteidigerin. Jeder Mensch wolle sein Privatleben schützen. „Und konkrete Hinweise auf die Vorbereitung von Straftaten hat die Überwachung gar nicht gebracht.“ Der Prozess geht weiter.