Hamburg. Linksextremes Trio wird für versuchte Brandanschläge zum G-20-Jahrestag verurteilt. Im Gericht werden die Angeklagten gefeiert.
Ihr Kultstatus in der linken Szene scheint ungebrochen. „Freiheit für die Drei von der Parkbank“ fordern Sympathisanten vor dem Strafjustizgebäude für die beiden Männer und eine Frau, die Brandanschläge geplant haben sollen und deshalb seit Anfang des Jahres vor Gericht stehen. Und als beiden als Linksextremisten polizeibekannten Männer Felix R. und Ingmar S. aus ihren Zellen im Untersuchungsgefängnis in den Verhandlungssaal geführt werden, wo das Urteil gegen sie und die Mitangeklagte Lykke D. gesprochen werden soll, schallt ihnen Jubel von den Zuschauerreihen entgegen. Es gibt Applaus. Sehen so Helden aus?
Alle Haftstrafen nicht zur Bewährung ausgesetzt
Nach Ansicht von vielen aus der Szene offensichtlich schon. Das Gericht kommt indes zu einer ganz anderen Einschätzung. Von einem „strafbaren Verhalten“ spricht die Vorsitzende Richterin, von „erheblicher krimineller Energie“, von Angeklagten, die in der Szene „verwurzelt“ seien. Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass die beiden 32 und 28 Jahre alten Männer und die 29 Jahre alte Frau im Juli vorigen Jahres Brandanschläge an vier Orten in der Stadt begehen wollten.
Dafür verhängt das Gericht jetzt für Felix R. 22 Monate Freiheitsstrafe wegen Verabredung zur Brandstiftung sowie Besitzes eines waffenrechtlich verbotenen Gegenstands. Lykke D. erhält ein Jahr und acht Monate, Ingmar S. 19 Monate Haft. Keine der Strafen wird zur Bewährung ausgesetzt. Wenn die Planung der Brandanschläge umgesetzt worden wäre, betont die Richterin, „dann wären noch ganz andere Strafen rausgekommen“.
Vorwurf der Aktenmanipulation "fernliegend"
Die Festnahme des Trios erfolgte am 8. Juli 2019, am zweiten Jahrestag der G-20-Proteste. Kurz bevor die beiden Männer und die Frau, die sich an einer Parkbank an der Meißnerstraße in Eimsbüttel getroffen hatten, nach Überzeugung des Gerichts am frühen Morgen die Brandsätze untereinander aufteilen und zur Tat schreiten konnten, schlug die Polizei zu und nahm das Trio fest. Wegen des Ortes, an dem ihr Tun gestoppt wurde, werden die Angeklagten „Die Drei von der Parkbank“ genannt.
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Das Urteil ist der Abschluss eines Prozesses, der zehn Monate beziehungsweise 52 Verhandlungstage gedauert hat. Es sei ein Verfahren gewesen, „in dem viel gestritten wurde“, fasst die Vorsitzende Richterin Sandra Paust-Schlote zusammen. Die eigentliche Tatsachenfeststellung wäre in wenigen Tagen möglich gewesen, gerade mal sechs Zeugen sind gehört worden. Allerdings habe es auch den Vorwurf von Aktenmanipulation gegeben, was sich aber nach Überzeugung des Gerichts als „fernliegend“ erwiesen habe. Es gehe auch nicht um die Zugehörigkeit der Angeklagten zu einer politischen Gruppierung. Es sei vielmehr die Frage beantwortet worden, ob und mit welchen Mitteln von Seiten der Angeklagten Gewalt ausgeübt worden sei. „Es ist nunmal so: Ein Brandsatz ist rechtlich einer Waffe gleichgestellt.“
Richterin: Keine Ansatzpunkte für eine Eskalation
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Angeklagten zusammen mit einem noch unbekannten Mittäter vier Brandstiftungen geplant und vorbereitet haben und diese am frühen Morgen des 8. Juli 2019 zeitgleich ausführen wollten, unter anderem in der Nähe des Wohnhauses von Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) sowie bei zwei Immobilienbüros. Felix R. war in jener Nacht zuvor von der Polizei dabei beobachtet worden, wie er an einer Tankstelle Benzin kaufte, das nach Überzeugung der Kammer für Brandsätze verwendet werden sollte.
In seinem Rucksack entdeckten die Ermittler eine Liste mit vier Adressen, die nahelegt, dass das Trio mehrere gleichzeitige Brandanschläge verüben wollte. Zudem hatten die Verdächtigen Feuerzeuge, Grillanzünder und schwarze Wechselkleidung dabei — sowie Handschuhe, und das mitten im Sommer. Das Gericht geht allerdings nicht davon aus, dass die Angeklagten auch an einem Wohnhaus Feuer legen und damit Menschen gefährden wollten. „Wir haben keine Anhaltspunkte, dass hier eine Eskalation erreicht werden sollte“, so die Richterin.
Prozess gegen die "Drei von der Parkbank" beginnt
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer noch gemeint, dass einer der Brandanschläge sich auf ein Wohnhaus gerichtet habe, und war deshalb in diesem Fall von einer Verabredung zu einer schweren Brandstiftung aus gegangen. Sie hatte dreieinhalb Jahre Haft für den 32-Jährigen beantragt, für den 28-jährigen Mitangeklagten und die 29 Jahre alte Frau eine Haftstrafe von jeweils drei Jahren. Die Verteidiger hatten Freispruch gefordert.
Angeklagte Lykke D. verteilt Saft und Energieriegel
Mit dem Urteil bleibt das Gericht also deutlich unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Nach Abschluss der Urteilsverkündung dauert es einen Moment, bis zum Publikum die Bedeutung dessen durchgedrungen ist, was die Vorsitzende außerdem verkündet hat: Die Haftbefehle aller drei Angeklagten sind aufgehoben worden. „Sie sind raus“, ruft jemand nun begeistert, erneut wird gejubelt.
Doch die Freiheit für die beiden Männer und eine Frau ist noch lange nicht endgültig. Werden die verhängten Haftstrafen rechtskräftig, müssten Felix R. und Ingmar S. nach ihrer etwa 15-monatigen Untersuchungshaft möglicherweise noch Reststrafen verbüßen. Und Lykke D. müsste bei Rechtskraft der Entscheidung sicherlich für eine ganze Weile ins Gefängnis. Als einzige war die 29-Jährige von vornherein von der U-Haft verschont worden und konnte von ihrer Wohnadresse aus zum Prozess anreisen. Offenbar hatte sich die junge Frau für eine länger dauernde Urteilsverkündung eingerichtet. Für sich und ihre Mitangeklagten, die sie herzlich umarmt hat, hat sie Vitaminsäfte, Kaffee und Energieriegel mitgebracht.
Rangeleien mit der Polizei vor dem Gericht
So freudig das Publikum im Saal die Aufhebung der Haftbefehle gegen Felix R., Ingmar S. und Lykke D. begrüßt hat: Ohne Eskalation geht der Tag nach dem Prozess nicht zu Ende. Vor dem Gerichtsgebäude kommt es nach der Urteilsverkündung zu Rangeleien mit der Polizei. Die Beamten setzten nach Beobachtung eines dpa-Fotografen Pfefferspray ein und nahmen zwei Menschen in Gewahrsam.
Und auch im Vorfeld des Prozesse gegen “Die Drei von der Parkbank“ ist es Ausschreitungen zu Brandstiftungen gekommen. Im Umfeld einer Demonstration von rund 400 Sympathisanten der Angeklagten brannten an der Schanzenstraße an einer Barrikade Autoreifen. Außerdem wurde das Schaufenster eines Bekleidungsgeschäftes in der Nähe zertrümmert. Bei dem Aufzug wurde unter anderem ein Transparent mit der Aufschrift „Feuer und Flamme der Repression“ mitgeführt.