Staatsanwaltschaft klagt Dirk Albrecht wegen Behinderung des Betriebsrats an. Was dem umstrittenen Geschäftsführer nun droht.
- Staatsanwaltschaft Hamburg erhebt Anklage gegen Hagenbeck-Chef Dirk Albrecht
- Geschäftsführer wird Behinderung der Arbeit des Betriebsrats vorgeworfen.
- Weitere Verfahren gegen Albrecht laufen ebenfalls
Hamburg. Erst vor wenigen Wochen musste der Geschäftsführer des Tierparks Hagenbeck, Dirk Albrecht, eine empfindliche Niederlage vor dem Arbeitsgericht einstecken, doch nun wird es für den umstrittenen Chef noch härter: Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat gegen ihn Anklage wegen der Behinderung der Arbeit des Betriebsrats erhoben.
Dies bestätigte die Sprecherin der Behörde, Liddy Oechtering, dem Abendblatt am Dienstagmorgen. Die Staatsanwaltschaft habe am 10. Januar Anklage gegen den Beschuldigten wegen Behinderung des Betriebsrat gemäß Paragraf 119 Absatz 1 Nr. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes erhoben. Dem Verfahren liege eine Strafanzeige des Hagenbeck-Betriebsrats vom 28. Februar 2021 zugrunde.
Hagenbeck: Anklage gegen Dirk Albrecht
Eine Eröffnungsentscheidung– also, ob überhaupt ein Verfahren eröffnet wird – habe das Gericht noch nicht getroffen. Laut Oechtering wurde ein weiteres Verfahren, in dem es um die Verletzung des Briefgeheimnisses ging, mittlerweile eingestellt.
Darüber hinaus seien zwei Ermittlungsverfahren anhängig: eines wegen des Verdachts auf Betrug, ein anderes ebenfalls wegen der Behinderung des Betriebsrates. Die Ermittlungen dauerten an. Zu den Tatvorwürfen im Einzelnen könnten derzeit keine Auskünfte erteilt werden, so Oechtering.
Hagenbeck: Anklage gegen Albrecht – Betriebsrat äußert sich vorerst nicht
Was in der jüngst erhobenen Anklage steht, konkretisierte Hagenbeck-Geschäftsführer Dirk Albrecht am Dienstagnachmittag selbst: So soll dem Betriebsratsvorsitzenden im Dezember 2020 zu unrecht sein Zugangsschlüssel zum Tierparkgelände abverlangt worden sein. „Der Betriebsratsvorsitzende hatte sich damals trotz Aufforderung geweigert, nicht ohne Genehmigung erneut betriebsfremden Personen Zugang zum Tierparkgelände zu ermöglichen“, so Albrecht. Dabei sei der Tierpark im Dezember 2020 amtlich angeordnetes Quarantänegebiet gewesen. Nachdem der Betriebsratsvorsitzende erklärt hatte, sich an die Quarantänevorgaben zu halten, sei ihm der Schlüssel wieder ausgehändigt worden.
Tatsächlich war der Einigung aber ein Beschluss des Arbeitsgerichts vorangegangen. Darauf verweist der Anwalt des Hagenbeck-Betriebsrats, Arbeitsrechtler Andreas Kilian. Albrecht habe dem Betriebsratsvorsitzenden den Schlüssel aushändigen und ihm uneingeschränkten Zugang zum Tierpark gewähren müssen – bei jeder Zuwiderhandlung wären 10.000 Euro Ordnungsgeld fällig geworden.
Der Betriebsrat von Hagenbeck möchte sich vorerst nicht äußern. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Mitarbeiter eine weitere Konfrontation mit dem Arbeitgeber vermeiden möchte. Dem Vernehmen nach ist das Verhältnis weiterhin zerrüttet, das Arbeitsklima nicht angenehm. Dass sich daran nach einer Klärung der Vorwürfe durch die Staatsanwaltschaft und einem Urteil des Amtsgerichts etwas ändere, sei für viele Mitarbeitende schwer vorstellbar. Sie befürchten, dass man ihnen „nicht verzeiht“, vor Gericht gezogen zu sein.
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Hagenbeck: Gewerkschaft vermutet, dass Albrecht Betriebsrat mürbe machen will
„Ich bin froh, dass jetzt endlich Bewegung in die Sache kommt. Schließlich ist es mehr als ein Jahr her, dass der Betriebsrat von Hagenbeck Strafanzeige gestellt hat“, sagt Pascal Lechner, der bei der Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt für den „grünen Bereich“ und damit auch für Tierparks zuständig ist.
Normalerweise scheuten Betriebsräte sich davor, den Schritt zu gehen und Anzeige zu stellen. „Das macht die Zusammenarbeit nicht leichter.“ Doch er gehe davon aus, dass die Mitarbeitervertreter bei Hagenbeck die Sache „gut abgewogen“ hätte. Dass man überhaupt vor das Arbeitsgericht ziehen müsse, um eine rechtlich eindeutige Angelegenheit klären zu lassen, fände er „irre“, so Lechner.
Er vermutet, dass Geschäftsführer Dirk Albrecht den Betriebsrat durch die ewigen Streitereien vor Gericht mürbe machen wolle. „Der Betriebsrat muss sich ja ständig vor der Belegschaft rechtfertigen, warum er diese Auseinandersetzungen führt.“ Unter anderem deshalb würden alle Gerichtstermine bekannt gemacht. „So können sich die Mitarbeiter vor Ort darüber informieren, wie es dort zugeht und worum es geht.“
Arbeitsrechtlerin: Strafrechtliches Verfahren "absolut ungewöhnlich"
Laut Arbeitsrechtlerin Roswitha Kranefuß ist es „absolut ungewöhnlich“, dass es bei Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen und Betriebsrat zu einem strafrechtlichen Verfahren kommt. „Das ist der absolut letzte Schritt.“ Zuvor würde der Streit regelmäßig vor dem Arbeitsgericht ausgetragen, das in der Regel mit Maßnahmen wie Unterlassungsansprüchen und Ordnungsgeldern für dessen Ende sorge.
„Doch leider gibt es immer wieder Arbeitgeber, die erst dann gemäß den betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten agieren, wenn es einmal richtig gedonnert hat“, so die Fachanwältin in der Kanzlei Gaidies, Heggemann und Partner. Verurteilt das Amtsgericht den Hagenbeck-Geschäftsführer tatsächlich wegen Behinderung des Betriebsrates, sei das eine Straftat und könne eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder, was wahrscheinlicher sei, eine Geldstrafe nach sich ziehen.
Hagenbeck: Albrecht unterlag schon vor dem Arbeitsgericht
Der Streit mit dem Betriebsrat hat auch schon zu einem Prozess mit 13 Verhandlungstagen vor dem Hamburger Arbeitsgericht geführt. Am 17. Januar verurteilte das Gericht Albrecht, dem Betriebsrat endlich Einblick in die Lohn- und Gehaltslisten zu gewähren. Dies war trotz klarer Rechtslage lange umstritten. Streit gibt es zudem um die Übernahme einer Raummiete in der Coronazeit – darüber wird Ende Februar verhandelt.
Daneben hat der Betriebsrat den Hagenbeck-Chef auch noch wegen Betrugs angezeigt. Nach Abendblatt-Informationen geht es dabei um angebliche Unregelmäßigkeiten beim Kurzarbeitergeld für Hagenbeck-Beschäftigte in der Corona-Pandemie. Zu dieser Anzeige wollte sich die Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Dienstagmorgen nicht äußern.
Hagenbeck: Auch Anzeige wegen angeblichen Betrugs
Albrecht hatte alle Betrugsvorwürfe im August vergangenen Jahres zurückgewiesen. Die Anträge zum Kurzarbeitergeld in der Pandemie seien von ihm zwar abgezeichnet, aber „nicht bearbeitet“ worden, ließ er damals mitteilen. Auch sei ein Steuerberater eingebunden gewesen.
In der Vergangenheit fanden Auseinandersetzungen auch vor einer Einigungsstelle statt. Dort entscheidet der oder die Vorsitzende, unter anderem über Betriebsvereinbarungen. Ungewöhnlich sei auch hier, dass die Hagenbeck-Geschäftsführung – statt direkt mit dem Betriebsrat zu verhandeln – lieber die Einigungsstelle anrufe, sagt Pascal Lechner von der IG Bauen-Agrar-Umwelt. Das sei sehr teuer, weil Vorsitzende, Richter und Beisitzende jedes Mal bezahlt werden müssten.