Hamburg. Oktay Çağla wurde wegen eines Fahrrads von S-Bahn-Wachleuten überwältigt und zu Boden gebracht. Er wirft der Bahn Diskriminierung vor.
Ein Mann, der am Sonntagnachmittag nach zwei Großveranstaltungen am S-Bahnhof Stellingen von Mitarbeitern der S-Bahn-Wache daran gehindert wurde, sein Fahrrad in einen Waggon zu schieben, und anschließend von den Sicherheitsleuten zu Boden gezwungen und dort fixiert wurde, hat sich mit einer Petition auf der Kampagnenplattform innn.it an die Öffentlichkeit und die S-Bahn Hamburg gewandt.
Er wirft den Sicherheitsmitarbeitern neben brutaler Gewalt auch Diskriminierung vor. Er sei brutal aus der S-Bahn gerissen und zu Boden gedrückt worden, so Oktay Çağla. "Mehrere S-Bahn-Wachleute fügten mir Prellungen und Verletzungen zu."
S-Bahn Hamburg: Wachleute drücken Türken zu Boden
Der Vorfall wurde aus der S-Bahn heraus von einer Mitreisenden mit einem Handy gefilmt und in den sozialen Medien veröffentlicht. Darin ist zu sehen, wie Oktay Çağla von den Sicherheitsmitarbeitern aus der S-Bahn gezogen wird. "Fasst mich nicht an", schreit er zweimal. Ein DB-Mitarbeiter schiebt das Fahrrad auf den Bahnsteig. Die Waggontüren schließen. Der Film zeigt, wie die S-Bahn-Wachmänner Çağla auf dem Bahnhof zunächst gegen eine Fensterscheibe pressen und schließlich zu Boden bringen und dort fixieren.
Was außerhalb der S-Bahn gesprochen oder gerufen wird, ist nicht bekannt. Zu hören sind nur aufgeregte Gespräche und Rufe von Fahrgästen innerhalb des Waggons und die Stimme einer Frau, die offenbar die Notbremse ziehen will und die Polizei alarmiert.
Die Bundespolizei Hamburg bestätigte den Vorfall gegenüber dem Abendblatt. Wegen eines laufenden Ermittlungsverfahrens könnten jedoch keine weiteren Angaben dazu gemacht werden, so ein Sprecher am Donnerstag.
Mann aus S-Bahn gezwungen – Vorwürfe gegen Wachleute
Oktay Çağla, in der Türkei geboren, lebt seit 35 Jahren in Hamburg. Der Schauspieler und Filmemacher besitzt nach eigenen Angaben die deutsche Staatsbürgerschaft. So beschreibt der 50-Jährige den Vorfall am S-Bahnhof Stellingen: "Ich war mit meiner Exfrau unterwegs von einer Trauerfeier und wir beide wollten unsere Fahrräder mit in die Bahn nehmen, so wie es bei der Hamburger S-Bahn am Wochenende ganztags erlaubt ist. Der Bahnsteig war wegen eines Fußballspiels des HSV (Braunschweig; d. Red.) sehr voll, daher wurden wir zunächst von einem Mitarbeiter der S-Bahn freundlich angewiesen, weiter nach hinten auf den Bahnsteig durchzugehen, wo weniger Passagiere standen. Das gelang uns auch."
Und weiter: "Doch als wir die Fahrräder sicher und ohne Probleme in die eingefahrene S-Bahn geschoben hatten, wies mich ein anderer Mitarbeiter der S-Bahn-Wache an, das Fahrrad wieder aus der Bahn rauszuschieben. Als ich erklären wollte, dass wir von einem Kollegen hierher verwiesen worden waren und in der Bahn genug Platz sei, rief er Verstärkung und zog mich zusammen mit weiteren Mitarbeitern aus der Bahn. Sie drückten mich erst gegen die Wand, schlugen mir dann auf den Kopf und rissen mich danach brutal zu Boden. Insgesamt haben mich am Ende sechs Personen zu Boden gedrückt."
Von der Polizei seien ihm Handschellen angelegt worden. "Ich konnte die Situation aber aufklären, sodass die Beamten die Handschellen wieder gelöst haben."
Bahn reagiert auf Diskriminierungs- und Gewaltvorwürfe
Er habe immer noch Schmerzen. Er habe Prellungen und Abschürfungen davongetragen und sei am Sonntag im Krankenhaus behandelt worden, so Çağla gegenüber dem Abendblatt. Er will Anzeige gegen die DB-Sicheheitsmitarbeiter erstatten. "Das ist nicht das erste Mal: Ich bin kein Einzelfall", sagt er. "Das, was ich erleben musste, erleben viele Menschen, insbesondere Menschen mit niedrigem sozialen Status oder anderer Hautfarbe. Ich fordere daher von der S-Bahn Hamburg GmbH Konsequenzen für die Mitarbeiter.
Eine Sprecherin der Deutschen Bahn nahm am Donnerstag Stellung zu den Vorwürfen: "Das Video zeigt offensichtlich nur einen Ausschnitt der Gesamtsituation. Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben täglich schwierige Situationen zu meistern und die Sicherheit auf den Bahnsteigen zu gewährleisten. So auch in diesem Fall.
Am Sonntag gab es gleich zwei Großveranstaltung im Einzugsbereich des S-Bahnhofs: Der HSV spielte im Volksparkstadion gegen Braunschweig (4:2) und in der Barclays Arena wurde die Pferdeshow Cavalluna gezeigt. Der Bahnsteig Stellingen habe sich stark gefüllt und die S-Bahnzüge seien stark ausgelastet gewesen, so die Sprecherin. "Hier stehen dann die Personenbeförderung und Sicherheit aller Fahrgäste im Vordergrund, eine Fahrradmitnahme konnte daher nicht gewährleistet werden. Dennoch hätten Personen im Zug ihre Fahrräder in die Türbereiche gestellt, sodass der Wagen nicht mehr für weitere Fahrgäste begehbar gewesen sei. "So waren auch Flucht-und Rettungswege im Zug versperrt. Zur Sicherheit aller war hier ein Handeln erforderlich."
Linke fordert Aufklärung des Vorfalls
Die Sprecherin betont: "Jegliche Anschuldigung bezugnehmend auf einen rassistischen Vorwurf weisen wir zurück. Dies hat in unserem Unternehmen keinen Platz. Die Sicherheitskräfte der S-Bahn-Wache Hamburg stellten Anzeige bzgl. Beleidigung und Körperverletzung, somit handelt es sich hier um ein laufendes Ermittlungsverfahren." Grundsätzlich gelte: Wenn es zu Problemen zwischen Fahrgästen und unseren Kollegen und Kolleginnen komme, könnte das Sicherheitspersonal die Polizei hinzurufen und eine Person auch festhalten, bis die Polizei eintrifft. Das hänge natürlich immer individuell vom einzelnen Fall ab. "Wenn von einer Person eine akute Gefahr ausgeht, müssen Sicherheitskräfte zum eigenen Schutz das Festhalten am Boden anwenden. Das mag für Außenstehende irritierend wirken, wird aber in Trainings regelmäßig geübt, damit hier niemand verletzt wird. Alle Mitarbeitende von DB Sicherheit nehmen regelmäßig an Deeskalationstrainings teil."
„Ich bin entsetzt über diese Bilder vom Einsatz der S-Bahn-Wache und der Bundespolizei, bei der das Opfer nach eigenen Angaben mehrere Prellungen erlitten hat", so Dazu Deniz Celik, innenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft. "Dieser Vorgang und der schwerwiegende Vorwurf des Rassismus müssen dringend aufgeklärt werden". Natürlich sei es wichtig, dass Rettungswege in den Bahnen freigehalten würden, "aber das rechtfertigt nun wirklich keine derartig überzogene Gewaltanwendung. Mit Verhältnismäßigkeit habe das gar nichts mehr zu tun. "Wir erwarten, dass der Senat im Innenausschuss alle Fragen im Hinblick auf den Einsatz beantwortet und die Ausschussmitglieder lückenlos informiert“.
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Kurze Zeit nach dem Vorfall um Oktay Çağla auf dem Bahnsteig ereignete sich am Sonntag gegen 16.30 Uhr an der S-Bahn-Haltestelle Stellingen eine brutale Tat: Eine vierköpfige Familie wurde brutal von HSV-Fans attackiert und geprügelt. Die Polizei Hamburg ermittelt.