Hamburg. Krankenschwester hatte kleine Tochter schwer geschädigt. Ein Urteil wurde aufgehoben, Schwurgericht kam nun zu anderem Ergebnis.

Wie schlimm stand es um die kleine Sophia (alle Name geändert)? Was war los, dass die Vierjährige plötzlich zusammenbrach und leblos wirkte? Dabei hatte sie eben noch gespielt und gezeichnet, ein augenscheinlich fröhliches Kind. Was hatte diesen dramatischen Wandel ausgelöst?

Tatsächlich war es Sophias eigene Mutter, die ihre Tochter in den besorgniserregenden Zustand versetzt hatte. Jutta N. hatte dem kleinen Mädchen Medikamente verabreicht, die es nicht hätte bekommen dürfen.

Prozess Hamburg: Mutter zu 21 Monaten Haft verurteilt

Für diese Tat vom 28. Dezember 2020 wurde die 37-Jährige jetzt im Prozess vor dem Schwurgericht zu 21 Monaten Freiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Sogar einen Monat länger hatte die gelernte Intensivkrankenschwester in Untersuchungshaft gesessen, bis sie im Dezember vergangenen Jahres auf freien Fuß kam. Lange Zeit hatte im Raum gestanden, dass die Hamburgerin sogar einen versuchten Mord an ihrer Tochter begangenen haben könnte.

Doch das sei nicht der Fall, betonte die Vorsitzende Richterin am Dienstag in der Urteilsbegründung. Vielmehr hatte Jutta N. zwar zuletzt eingeräumt, Sophia ein starkes Beruhigungsmittel und ein Schlafmittel verabreicht zu haben. Sie habe dies allerdings nur getan, um die Vierjährige zu beruhigen. Sie habe nicht damit gerechnet, dass Sophia sterben könnte – und dies auch nicht in Kauf genommen.

Plötzlich verschlechterte sich Sophias Zustand dramatisch

Das Unheil nahm seinen Lauf, nachdem Sophia am 28. Dezember 2020 vom Sofa gefallen und auf den Kopf gestürzt war und die Eltern im Krankenhaus abklären lassen wollten, ob sich ihre Tochter schwer verletzt haben könnte.

In der Klinik verschlechterte sich der Zustand des Mädchens plötzlich dramatisch; Sophia war schlapp und kaum ansprechbar. Die Vierjährige wurde ins UKE verlegt, wo ein MRT durchgeführt werden sollte. Am nächsten Tag ging es dem Mädchen erneut überraschend sehr schlecht. Nachdem das Kind am Nachmittag noch fröhlich war, brach es plötzlich zusammen.

Später zeigten die Analysen von Blut- und Urinproben: Sophia war unter anderem eine erhebliche Dosis eines Schlafmittels verabreicht worden – wie sich herausstellte, von der eigenen Mutter. Sie habe sich in einer Überforderungssituation befunden, hatte die Angeklagte im Prozess gesagt. Laut einem psychiatrischen Gutachten war sie zur Tatzeit vermindert schuldfähig.

BGH hebt Urteil wegen versuchten Mordes auf

Schon einmal war der Fall vor Gericht verhandelt worden. In einem ersten Prozess war eine andere Schwurgerichtskammer mit Urteil vom 13. September 2021 zu der Überzeugung gekommen, dass die 37-Jährige sich des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht habe.

Dafür hatte das Gericht vier Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe verhängt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Urteil teilweise aufgehoben. Die Begründung dafür, dass die Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe, sei unzureichend, meinten die BGH-Richter. Deshalb kam es zu diesem zweiten Prozess.

Mit der Tat hat sich das Leben für die angeklagte 37-Jährige dramatisch verändert. Sie hat, so hat es bereits das Familiengericht entschieden, das Umgangsrecht für Sophia und für ihre beiden weiteren Kinder verloren, darf sie unter anderem nicht besuchen.

Prozess Hamburg: Mutter hat keinen Kontakt zu den Kindern

Schon während der gesamten Urteilsbegründung hat die Angeklagte blass und erschüttert gewirkt. Als die Richterin die zerbrochene Beziehung zu den Kindern thematisiert, laufen bei Jutta N. die Tränen. Nicht nur der Kontakt zu den Kindern besteht nicht mehr, auch die Beziehung zu ihrem Mann, die vor dem Vorfall vom 28. Dezember 2020 schon nicht zum Besten stand, ist endgültig ruiniert.

Außerdem wird Jutta N. ihren Beruf als Krankenschwester wohl nicht mehr ausüben. Sie will jetzt in einem anderen Metier Fuß fassen. Und die Familie? Zuletzt gibt die Vorsitzende Richterin der Mutter mit auf den Weg: „Ich wünsche Ihnen und den Kindern, dass es Möglichkeiten gibt, einander wieder anzunähern.“