Elmshorn. Kripo-Beamter berichtet, unter welchen Umständen Hussein M. ohne Anwalt auspackte. Der hat das Geständnis im Prozess widerrufen

Die beiden Männer, die sich am Montag auf dem Flur des Landgerichts Itzehoe begegnen, nicken sich freundlich zur Begrüßung zu. Der eine von ihnen, Hussein M. (40), wird in Handschellen zur Anklagebank geführt. Der andere, Bertil T. (60), nimmt auf dem Zeugenstuhl Platz. Beide waren sich am 9. Juli 2022 zum ersten Mal begegnet – der eine gestand einen Doppelmord, der andere führte die Vernehmung.

Wie es zu der Befragung gekommen ist, war Thema am dritten Prozesstag. Denn das Geständnis, das Hussein M. ohne Anwalt abgelegt hat, hat er in dem Verfahren widerrufen. Gestanden hat er im Anschluss zwar trotzdem – aber keinen Mord, sondern lediglich einen Totschlag. „Er war aussagebereit“, erinnerte sich der Beamte der Mordkommission, der den Angeklagten in der Zelle des Polizeireviers Elmshorn aufgesucht hatte.

Angeklagter machte Polizei auf sich aufmerksam

Zuvor hatte Hussein M. eine Streifenwagenbesatzung auf sich aufmerksam gemacht und angegeben, an der Elmshorner Friedenstraße auf zwei Frauen „mit dem Messer eingeschlagen“ zu haben. Zu der Adresse waren bereits andere Polizisten unterwegs, nachdem ein Streit in dem Mehrfamilienhaus gemeldet worden war.

„Ich habe ihm gesagt, dass die beiden Frauen tot sind und er für uns tatverdächtig ist“, so Bertil T., der den Angeklagten auch über die Möglichkeit einer Aussageverweigerung und der Hinzuziehung eines Anwalts belehrt haben will. Beides habe der 40-Jährige abgelehnt. „Er wirkte nett, freundlich, aufmerksam und gesprächsbereit.“ So habe Hussein M. auch zugestimmt, den Beamten die Stelle zu zeigen, wo er das Tatmesser weggeworfen hatte. „Wir sind dann mit dem Auto losgefahren, er hat uns zu der Stelle dirigiert.“ Die Fahrt endete an der Berliner Straße, gegenüber der ehemaligen Post. Dort, in einer Hecke vor dem Hochhaus, fanden Polizisten später das blutverschmierte Klappmesser.

Im Anschluss an diesen Ausflug habe sich der aus Eritrea stammende Mann zu einer Videovernehmung bereiterklärt, die mit Hilfe einer Dolmetscherin geführt wurde. „Dort hat er ausführlich zur Sache Stellung genommen.“ Demnach habe Hussein M. berichtet, das ältere Opfer Zahra H. (23) in einem Flüchtlingslager in Ägypten kennengelernt zu haben. Zu dem Zeitpunkt sei die Frau noch verheiratet gewesen. Er sei dann mit einem Schlauchboot nach Italien geflüchtet und weiter nach Deutschland gereist. Dort sei er dann später per Facebook von Zahra H. angeschrieben worden.

Opfer schrieb den Täter über Facebook an

Man habe Telefonnummern ausgetauscht, und er habe der Frau seine Liebe gestanden, nachdem diese vom Ende ihrer Ehe berichtete. Hussein M. will dann aus Tuttlingen, wo er in einer Bäckerei tätig war, zu Zahra H. nach Elmshorn gereist sein. „Er schenkte ihr eine Goldkette als Symbol ihrer Liebe, außerdem ein Coffee Set und Kosmetik“, so der Beamte. Eine Woche sei der 40-Jährige dort geblieben, habe sehr von dieser Zeit geschwärmt. Zum Abschied habe er Zahra H. noch 500 Euro gegeben.

Zurück in Tuttlingen, habe die 23-Jährige kaum noch auf die Kontaktversuche des Angeklagten reagiert. Der habe daraufhin Kontakt zu ihrer Mitbewohnerin Yusra B. (19) aufgenommen, die habe ihn verhöhnt, er sei „kein richtiger Mann“. Hussein M. sei dann nochmals nach Elmshorn gereist, die beiden Frauen hätten ihm jedoch nicht die Tür geöffnet. Als er ihnen ein Foto ihrer Wohnungstür schickte, habe Zahra H. ihn als „Sohn einer Hure“ bezeichnet und Anzeige wegen Stalkings erstattet, die Polizei habe ihn besucht. Diese Beleidigung sei in seiner Heimat ein Grund, jemand den Kopf abzuschneiden.

„Weil er auch bei der Familie der Frau keine Hilfe bekam, reiste er am 9. Juli nochmals nach Elmshorn“, so der Beamte. Der ursprüngliche Plan von Hussein M. sei gewesen, über die Rückzahlung des Geldes zu reden. Er habe bei Nachbarn geklingelt, sei so in das Haus gelangt und habe sich vor der Wohnungstür der beiden Frauen im dritten Stock auf die Fußmatte gesetzt. „Er hatte gedacht, dass irgendwann die Tür schon aufgehen wird.“

Hussein M. vergisst seine Mütze am Tatort

Als es im Schloss knackte und sich die Tür einen Spalt weit öffnete, habe er sie mit einer Hand aufgestoßen und sei, mit dem ausgeklappten Messer in der anderen Hand, in die Wohnung gestürmt. Weil mit Zahra H. kein Gespräch möglich gewesen sei („Sie hat nur geschrien“), habe er auf sie eingestochen. „Ihm war alles egal, er ging davon aus, dass die Polizei ohnehin kommen und ihn festnehmen würde.“ Als die 23-Jährige regungslos am Boden gelegen habe, habe er auf Mitbewohnerin Yusra B. eingewirkt, dann seinen Rucksack genommen und die Räume verlassen. „Seine Mütze hat er dort vergessen.“

Die Videovernehmung dauert mehr als zwei Stunden und soll noch im Prozess gezeigt werden. Verteidigerin Katja Münzel hat dem jedoch widersprochen. Zu sehen waren bereits Fotos vom Tatort, wo die Leichen der beiden Frauen in Embryonalstellung einander zugewandt in einer großen Blutlache liegen. Montag sagten noch mehrere Polizisten und Kripo-Beamte aus, die in der Wohnung waren. Mittwoch soll ein Rechtsmediziner gehört werden.