Hamburg. Das Klima bei Rot-Grün ist mies. Nun attackieren Grüne SPD-Senatschef Peter Tschentscher scharf. Was sie ihm vorwerfen.
Die Stimmung in der rot-grünen Koalition wird von Tag zu Tag schlechter. Nach dem offenen Streit über den im Koalitionsvertrag vereinbarten Bau der Autobahn A 26-Ost, den die Grünen nun infrage stellen, ist jetzt auch die Debatte über die Verklappung von Elbschlick in der Nordsee eskaliert. Mit sehr deutlichen Worten hat der grüne Umweltsenator Jens Kerstan am Montag Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kritisiert – und ihm indirekt vorgeworfen, er sei „schlecht beraten oder mangelhaft informiert“.
Anlass von Kerstans Empörung: Nachdem sich Hamburg mit den Nachbarländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein vor Weihnachten darauf geeinigt hatte, seinen Hafen- und Elbschlick zunächst nicht mehr vor seiner Insel Scharhörn in der Hamburger Außenelbe zu verklappen, hatte Tschentscher diese Option plötzlich erneut ins Spiel gebracht. Im Abendblatt-Interview am Sonnabend lobte er diese Möglichkeit sogar als „fachlich gut geeignet und gerade im Hinblick auf den Naturschutz sorgfältig geprüft“. Zuvor hatte der Bürgermeister sich bereits ähnlich vor dem Überseeclub geäußert.
Kerstan hält gar nichts von Tschentschers Idee zur Elbschlick-Verklappung
Nicht nur die Nachbarländer hatten sich irritiert über diese Volte Tschentschers kurz nach der gemeinsamen Lösung beim Schlickgipfel mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein gezeigt. Auch die Grünen sehen das Ganze völlig anders als der SPD-Bürgermeister.
„Von allen von Hamburg anvisierten potenziellen Verklappungsorten ist die Hamburger Außenelbe der ökologisch Bedenklichste, das muss ich als Senator der zuständigen Fachbehörde klar so feststellen“, sagte Umweltsenator Kerstan dem Abendblatt mit Blick auf Tschentschers Äußerungen. „Die Nähe zum Unesco-Welterbe und die großflächige Ausbreitung des Schlicks im Wattenmeer sind gravierende Nachteile, die bei den anderen Verklappungsorten Tonne E3, der Außenwirtschaftszone und der Niedersächsischen Tiefenreede nicht auftreten.“
Kerstan wirft Tschentscher vor, er sei „schlecht informiert"
Mithin: Kerstan hält alle anderen möglichen Verklappungsorte für sinnvoller als die vor der Hamburger Vogelschutzinsel Scharhörn, die nördlich der ebenfalls zu Hamburg gehörenden Insel Neuwerk nahe der Elbmündung liegt. Die Verbringung des Elbschlicks an diesen Ort könnte das Unesco-Welterbe Wattenmeer belasten, so die Befürchtung.
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„Scharhörn ist bestenfalls eine Notlösung, die aus umweltpolitischer Sicht nur als allerletzte Option in Betracht kommen darf – wer anderes behauptet, ist schlecht beraten oder mangelhaft informiert“, sagte Kerstan mit eindeutigem Bezug zu Tschentschers Aussagen, Scharhörn sei auch unter ökologischen Aspekten gut geeignet. „Seit dem Schlickgipfel gibt es aber glücklicherweise wieder andere Optionen, da unsere Nachbarländer bereit sind, andere Verbringungsorte gangbar zu machen“, betonte Kerstan. „Überlegungen zu Scharhörn erübrigen sich daher zurzeit und sind nicht hilfreich, um zusammen mit den Nachbarländern erfolgreich eine langfristig belastbare Lösung für das Sedimentmanagement zu erarbeiten.“
Elbvertiefung: Die Grünen sehen sie als „eindeutig und endgültig gescheitert“ an
Hintergrund: Die Grünen, die sowieso gegen die Elbvertiefung waren, sehen diese aufgrund der nun deutlich verstärkten Verschlickung der Elbe als misslungen an. „Die Elbvertiefung ist eindeutig und endgültig gescheitert“, hatte Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen bereits im November gesagt. Gegen diese Deutung verwahren sich Tschentscher und seine SPD. Trotz aller Probleme sei der Zugang für sehr große Schiffe zum Hamburger Hafen durch die Elbvertiefung erleichtert worden. Die Frage, wohin mit dem immer stärker und immer wieder neu in den Fluss gespülten Schlick, ist aber bisher nicht langfristig beantwortet.
Schon im Dezember hatte es im Rathaus eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen Tschentscher und Kerstan zum Thema gegeben. Tschentscher hatte gefordert, dass Kerstans Umweltbehörde endlich die Bescheinigung vorlege, dass auch vor Scharhörn verklappt werden könne. Kerstan hatte gekontert, dass Hamburg unter Tschentschers Ägide mit den Nachbarländern nicht ausreichend energisch nach besseren Lösungen gesucht habe – was Tschentscher wohl in Rage brachte.
Weltnaturerbe Wattenmeer: Für Grüne ist Verklappung vor Scharhörn nur Notlösung
Nach Abendblatt-Informationen hat es bis heute keine schriftliche Erklärung von Kerstans Behörde gegeben, dass die Verklappung vor Scharhörn unbedenklich sei. Es sei lediglich eine naturschutzrechtliche Ausgleichslösung für den Fall der Verklappung geprüft worden, heißt es.
Für die Grünen ist Scharhörn also nur eine absolute Notlösung. Auch die Nachbarländer sind gegen eine Verbringung von Elbschlick in die Nähe des Weltnaturerbes Wattenmeer. Tschentscher aber will offenkundig mit dem Hinweis auf eine weiterhin mögliche Verklappung vor Scharhörn den Druck auf die Nachbarländer erhöhen. Denn die bisher gefundene Lösung, dass Hamburg seinen Schlick weiter draußen auf der Nordsee im Bereich der sogenannten Tonne E3 (etwa 30 Kilometer nordwestlich von Scharhörn) entsorgen kann, gelte ja zunächst nur bis Herbst, heißt es aus dem Rathaus.
Hafen Hamburg: Laut Tschentscher kommt mit dem Schlick kein Gift in die Nordsee
Tschentscher hatte zuletzt auch immer wieder betont, dass mit dem Elbschlick keine zusätzlichen Schadstoffe in die Nordsee gelangten. „Wir verproben das Sediment, das umgelagert wird“, sagte der Bürgermeister im jüngsten Abendblatt-Interview. „Bei erhöhten Schadstoffbelastungen wird es an Land entsorgt.“