Hamburg. Ayla E. hatte dem Mann aufgelauert und ihn lebensgefährlich verletzt. Urteil für „narzisstische Frau“ und Schmerzensgeld für das Opfer.
Frühere Beziehungen endeten häufig schnell und unglücklich, standesamtliche Trauungen (!) nur Wochen später mit Scheidungen. Die krankhafte Eifersucht trieb bei Ayla E. (Name geändert) seltsame Blüten. Sie lief Patrouille auf den Wohnstraßen ihrer damaligen Partner, einen Ex nötigte sie, mitten im Urlaub die Rückreise anzutreten.
Auch bei ihrem Immer-mal-wieder-Freund Müslüm C. folgte sie diesem Stalking-Muster: Terrorisierte ihn mit Anrufen und Nachrichten, überprüfte sein soziales Umfeld, diskreditierte frühere Liaisons – die mit einer Alevitin stempelte sie als „unmuslimisch“ ab. Am 12. Mai 2022 rammte die 32-Jährige ihrem Ex ein Messer in den Bauch und verletzte ihn lebensgefährlich. Wie das Landgericht feststellte, hatte sie ihm über einen längeren Zeitraum nachgestellt, weil sie das Aus der Beziehung nicht verwinden konnte.
Messerattacke auf den Ex: Eine krause Gedankenwelt
Am Freitag verurteilte das Gericht Ayla E. wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe von siebeneinhalb Jahren. Die Angeklagte hätte es viel härter kaum treffen können. Am Ende stützte sich das Gericht bei der Würdigung zwar auf die gleichen Beweismittel wie die Verteidigung, wertete sie jedoch in den zentralen Punkten völlig anders. Auch das führte wohl zu der enormen Spreizung zwischen dem harten Urteil und dem vorherigen Antrag der Verteidigung auf Freispruch.
Dabei war es, betonte der Vorsitzende Richter Stefan Philipp, gar nicht die Aussage des durch den Messerangriff lebensgefährlich verletzten Ex-Partners der Angeklagten, auf die sich die Kammer maßgeblich stützte – bei der Aufklärung des Falls habe noch mehr die Aussage von Begüm U. geholfen.
Die junge Frau war einzig und allein in der krausen Gedankenwelt von Ayla E. eine Nebenbuhlerin, die hinter ihrem Rücken eine Affäre mit Müslüm C. begonnen hatte. In Wirklichkeit aber war Begüm U. nicht mehr als eine Bekannte des Opfers, auf deren Namen Ayla E. bei der Ausspähung seines Umfeldes gestoßen war.
Über einen Fake-E-Mail-Account war sie mit der konfliktscheuen Frau in Kontakt getreten, die sogleich bestritt, „die Neue“ zu sein. Auf Drängen von Ayla E. willigte sie aber ein, mit ihr am 12. Mai zur Wohnung von Müslüm C. im Karoviertel zu fahren und dort ein klärendes Gespräch zu dritt zu führen.
Ayla E. stach Müslüm C. in den Oberbauch
Kurz vor 23 Uhr gelang es Begüm U. auf Geheiß der Angeklagten, Müslüm C. aus seiner Wohnung auf die Markstraße zu locken. Ayla E. wusste, dass der 32-Jährige keinen Kontakt mehr zu ihr wollte; längst hatte er ihre Handy-Nummer geblockt. Sie hielt sich daher in einem Hauseingang verborgen. Als Müslüm C. sie dort entdeckte, ging er auf sie zu, verpasste ihr aus Wut über ihr Erscheinen und die Scharade eine Ohrfeige. Anders als von der Angeklagten geschildert, sei dies aber kein heftiger Schlag gewesen, so Richter Philipp. Sodann holte Ayla E. ein Dose Pfefferspray hervor und ging damit auf ihren Ex los.
Er zog sie zunächst am Arm, ließ aber los, als sie weiter sprühte, und lief rückwärts entlang einer Häuserwand in Richtung eines Bioladens. „Dann klappte sie ein Messer auf, das sie mitgebracht hatte, und versetzte ihm einen Stich in den Oberbauch“, sagt Richter Philipp und betont: Es sei die Angeklagte gewesen, die dem Mann weiter nachstellte, nachdem er seinen Griff bereits gelöst habe. Mit dem Stich habe sie „billigend in Kauf genommen, dass er verbluten könnte“.
Angeklagte mit „narzisstischer Persönlichkeitsakzentuierung“
Nach der Tat habe die Angeklagte Begüm U., die den Stich selbst nicht gesehen hatte, aufgefordert, bei der Polizei zu ihren Gunsten auszusagen. Es sei doch Müslüm C. gewesen, der sie so hart geschlagen habe. Darauf habe Begüm U. geantwortet: „Was? Du hast doch ihn angegriffen!“
Ihre Aussage wertete die Kammer als authentisch und glaubhaft. Hingegen habe die Angeklagte das Geschehen „dramatisiert“ und vielfach „falsch“ dargestellt. „Völlig unglaubhaft“ sei etwa ihre Schilderung, wonach das Tatmesser „plötzlich“ vor ihr auf den Boden gefallen sei und der Stich im Verlaufe eines Gerangels darum passiert sei. Und der Versuch, die Zeugin nach der Tat auf ihre Seite zu ziehen, sei insofern typisch für sie, als dass sie aufgrund einer „narzisstischen Persönlichkeitsakzentuierung“ zu „manipulativem Verhalten“ neige.
Schmerzensgeld für das Opfer und seine Mutter
Eifersüchtig und besitzergreifend habe sie sich in ihren Beziehungen gezeigt, aber auch situativ „unterwürfig“. Das zeige sich etwa darin, dass sich Ayla E. mal kleidete und schminkte wie eine frühere Partnerin von Müslüm C., die er „mehr geliebt“ habe. Die toxische Beziehung der beiden – eine einzige Tour de Force – begann 2020. Sie trennten sich und kamen immer wieder zusammen, wohl auch deshalb, weil die Angeklagte im Zusammenhang mit ihrem wiederholt übergriffigen Verhalten Müslüm C. Besserung gelobt habe, so Richter Philipp.
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Müslüm C., Nebenkläger in dem Verfahren, war dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen. Er hatte viel Blut verloren, musste mit schwersten Verletzungen im Brust-, Bauch- und Leberbereich notoperiert werden. Später kam noch eine Bauchspeichelentzündung hinzu, von den psychischen Folgen ganz zu schweigen. Ihm sprach das Gericht 10.300 Euro Schmerzensgeld zu, seiner Mutter 1000 Euro. Kurz nach dem Angriff auf ihren Sohn hatte Ayla E. die nach unten auf die Marktstraße geeilte, ebenso besorgte wie wütende Frau ebenfalls mit dem Pfefferspray attackiert und verletzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.