Hamburg. Müslüm C. brach den Kontakt ab – doch das wollte seine Ex-Partnerin nicht hinnehmen. Für die Attacke steht sie nun vor Gericht.

Beinahe hätte Müslüm C. die mutmaßlich krankhafte Liebe seiner Ex-Partnerin mit dem Leben bezahlt, durch den Messerstich verlor er extrem viel Blut und musste notoperiert werden. Während einer Verhandlungspause am Dienstagmittag wartet der Nebenkläger mit Freunden auf dem Gerichtsflur.

Er befinde sich jetzt in „einer psychischen Aufbauphase“, sagt der 32-Jährige dem Abendblatt. Sechs Monate nach dem Angriff und mehreren Klinikaufenthalten gehe es ihm aber auch körperlich schon wieder „viel besser“.

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Die ihm das aus verschmähter Liebe angetan haben soll, steht seit Dienstag vor dem Landgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft Ayla E. (Name geändert) – zierlich, lange, braune Haare – versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Müslüm C. hatte die 32-Jährige etwa zwei Jahre vor der Bluttat kennengelernt. Sie hätten eine Art On-off-Beziehung geführt, sagt er: Mal seien sie also ein Paar gewesen, dann wieder nicht.

So lief das, bis ihre Beziehung endgültig gescheitert sei. Er habe den Kontakt abgebrochen. Weil sie ihm trotzdem monatelang nachgestellt habe, habe er sie wegen Stalkings anzeigen wollen. So wie drei Jahre zuvor ein anderer Mann – er soll Ayla 2019 der Polizei gemeldet haben, wie es in einem vom Gericht verlesenen Vermerk heißt.

Ayla rammte ihrem Ex-Partner Messer in die Brust

Am 12. Mai soll die 32-Jährige Müslüm C. mithilfe einer weiteren Frau aus dessen Wohnung an der Marktstraße gelockt haben. Der junge Mann lebte hier mit seiner Mutter. Als er Ayla E. unten erkannte, schlug er ihr ins Gesicht – laut Anklage aus Wut darüber, dass sie den Kontaktabbruch wiederholt nicht akzeptieren wollte. Ayla E. sprühte ihrem Ex-Freund, so die Anklage weiter, darauf Reizgas ins Gesicht.

Verletzt zog er sie ein paar Meter hinter sich her, bis Ayla E. sich aus seinem Griff befreien konnte. Als sie erneut einen Sprühstoß auf ihn abgab, flüchtete Müslüm C. in Richtung Grabenstraße, Ayla E. – weiter Reizgas versprühend – hinter ihm her. Schließlich kam es zu einer Rangelei, so die Anklage, bei der die 32-Jährige ein Klappmesser zückte und es Müslüm C. „unter billigender Inkaufnahme auch tödlicher Verletzungen“ in die Brust rammte.

Die Angeklagte bestreitet die Vorsätzlichkeit der Tat

Von den Schreien ihres Sohnes aufgeschreckt, eilte Elif B. – ebenfalls Nebenklägerin in dem Verfahren – auf die Straße. Auch sie bekam eine schmerzhafte Ladung Reizgas ab. Viel schlimmer hatte es aber Müslüm C. erwischt, der mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus kam. Komplikationen durch die schwere Leberverletzung machten auch nach seiner Entlassung weitere Behandlungen in der Klinik erforderlich.

Zwei Tage später wurde Ayla E. in ihrer Billstedter Wohnung festgenommen. Bei der Durchsuchung stellten die Ermittler unter anderem ihr Handy mit mehr als 82.000 Bildern sicher. Von den Beamten mit dem Tatvorwurf konfrontiert, habe die 32-Jährige entgegnet: „Das stimmt nicht.“ Später habe sie aber wissen wollen: „Wer belastet mich? Seine Mutter?“

Auch beim Haftrichter bestritt sie nach Angaben eines Gerichtssprechers, vorsätzlich auf ihren Ex eingestochen zu haben: Da sei „ein Messer“ gewesen, nicht ihres, um das an jenem Abend eine Rangelei zwischen ihr und Müslüm C. entbrannt sei – dabei habe er sich die Verletzungen zugezogen.

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Besonders bemerkenswert erschien den Polizisten, wie aus verlesenen Protokollen hervorgeht, dass Ayla E. angab, zunächst „nicht verstanden“ zu haben, was ihr überhaupt zur Last gelegt werde – auch dann nicht, als ihr alles in sehr „einfachen Worten“ erklärt worden sei.

Nach der Festnahme habe sie sich zudem über „Flecken an den Wänden“ ihrer Zelle und „fehlende Handseife“ beschwert. Sie habe dann ausgesagt, vier Tage vor dem Vorfall von Müslüm C. geschlagen worden zu sein. Sie selbst habe Anzeige erstatten wollen – und zwar gegen ihren Ex.

Ayla E.s Verteidiger kündigte für den kommenden Prozesstag eine Erklärung seiner Mandantin an. Mit einem Urteil ist nicht vor dem 22. Dezember zu rechnen.