Hamburg. Computer-Systeme der Hochschule massiv betroffen. Studenten bangen um Prüfungen, der Krisenstab tagt. Es gibt einen Verdacht.
In den beiden größeren Fällen von Cyberangriffen in Hamburg haben Experten des Landeskriminalamtes (LKA) die Ermittlungen übernommen. Das sagte Polizeisprecher Florian Abbenseth dem Abendblatt. Sowohl die von einem Hackerangriff betroffenen Friedhöfe als auch die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) hatten sich an das LKA 54 gewandt. Dort sitzen die Spezialisten der Zentralen Ansprechstelle Cybercrime (ZAC). Die Hintergründe der Internet-Attacken auf die Server und Mailsysteme seien noch nicht klar, so der Polizeisprecher.
Zuvor waren unter anderem bereits die Hamburger Handelskammer sowie der Kupferproduzent Aurubis von Hackerangriffen betroffen. Bei Aurubis wurden die IT-System attackiert, kurz nachdem der Konzern eine erste Lieferung von kohlenstoffarmem Ammoniak aus den Vereinigten Arabischen Emiraten erhalten hatte. Dieser Brennstoff soll Aurubis zum Teil der neuen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung machen.
Cyberangriffe auf HAW und Friedhöfe: Krisenstäbe tagen
Wie es an der HAW genau weitergeht, war am Montag zunächst unklar. Der Krisenstab sollte am Dienstag wieder tagen. Die IT-Systeme waren nach dem Angriff abgeschaltet worden, die Spitze der Wissenschaftsbehörde wurde einbezogen.
Auf E-Mails hatten weder Professoren noch Studenten der HAW Zugriff. Gleichzeitig betroffen vom Angriff waren all die, die auf ihre Prüfungsunterlagen zugreifen oder sich für einen Studiengang bewerben wollten. Deshalb kam aus der Studentenschaft der HAW schnell eine Petition, die sich an die künftige Präsidentin Prof. Ute Lohrentz richtete.
Darin forderten Studentinnen und Studenten, die Klausurenphase und Abgabefristen zu verschieben sowie die Bewerbungsfrist zu verlängern. Und es sollten Zweittermine für Prüfungen angeboten werden, „sodass die Studierenden zwischen den ursprünglichen Terminen und den zusätzlich verfügbaren wählen können“. Weiter hieß es: „Durch den Ausfall der zentralen Infrastruktur an der HAW, einschließlich EMIL, HAW-Mailer und myHAW, ergeben sich diverse Schwierigkeiten für jeden Einzelnen in dieser bedeutenden Phase des Semesters.“
Hackerangriff: HAW-Studenten schreiben Petition
Es fehle der Kontakt zu den Lehrenden, Material für Prüfungen und Weiteres. Viele Studenten müssten auch deshalb genau planen, weil sie arbeiteten, um sich ihr Studium zu finanzieren, oder auch Kinder betreuen müssten. „Seitens der HAW fehlt die konkrete Kommunikation mit Studierenden, die uns darauf vorbereitet, inwiefern sich dieser Ausfall weiterhin in die Länge zieht und ob wir einen Ausgleich erwarten können.“
Die HAW konnte viele erst am vergangenen Freitag über die bereits mehrere Tage währende Störung informieren. Nicht nur die Mail-Programme, auch die Steuerung der Homepage war von der Attacke betroffen. Erste Informationen kamen über die sozialen Medien wie Facebook und Instagram. Über die Homepage sollen nun weitere Fragen und Antworten gesammelt werden, die Studenten und Personal nach dem Angriff auf die technische Infrastruktur jetzt betreffen.
Friedhof Ohlsdorf: Auch Tore von Cyberattacke betroffen
Die Folgen des Cyberangriffs auf die Hamburger Friedhöfe sind bis heute nicht vollständig beseitigt – auch, wenn man es kaum merkt. Wie ein Sprecher dem Abendblatt sagte, halte die Störung, die vor Weihnachten begonnen habe, voraussichtlich mindestens eine weitere Woche an. Die Server seien isoliert worden, man greife auf vorher gesicherte Daten zurück (Backups). Jedoch müsse keine Trauerfeier abgesagt werden, die Kremationen würden wie üblich durchgeführt. Wenn zum Beispiel ein Grab ausgehoben werde, könne das derzeit nicht sekundengenau per Tablet in das System übertragen werden, sondern müsse per Hand erfasst werden.
Cyberkriminelle hatten ihren Angriff gegen die Hamburger Friedhöfe AöR gerichtet, die die Parkfriedhöfe Ohlsdorf, Öjendorf, Volksdorf und Wohldorf betreibt. Dabei wurde nicht nur der E-Mailverkehr gestört, sondern auch die Technik an den Toren und Zugängen. Zu einem Datendiebstahl ist es offenbar nicht gekommen. Der Sprecher warb um Verständnis, dass im Einzelfall möglicherweise für den Ort und den Termin einer Beisetzung einmal zusätzlich telefoniert werden müsse.
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Spekulation: Internet-Attacken und Sabotage aus Russland?
Bei der Hamburger Polizei liegen derzeit mehrere Fälle von Cyberangriffen. Attackiert wurden zumeist kleinere Unternehmen und Organisationen. Der russische Angriff auf die Ukraine hat bei den Behörden zu einer erhöhten Wachsamkeit gegenüber solchen E-Mail- und Internet-Attacken geführt.
Die gravierendsten Angriffe auf die auch Deutschland betreffende technische Infrastruktur seit Kriegsbeginn waren jedoch die Manipulationen und Sabotage bei der Deutschen Bahn und an den Gas-Pipelines. Im Oktober hatten Unbekannte zwei Kabelnetzwerke beschädigt. Im überwiegenden Teil Norddeutschlands brach der Zugverkehr zusammen. Zuvor waren bereits Lecks an den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 entdeckt worden. Sie verlaufen von Russland nach Deutschland. Die Universität Duisburg-Essen ist Mitte Dezember bereits zum zweiten Mal Opfer eines Hackerangriffs geworden. Dort waren Daten verschlüsselt und Lösegeld gefordert worden.