Hamburg. Mord in Ottensen, Explosion auf Finkenwerder, Millionenraub in der City – was die Polizei 2022 in Atem hielt.
Das Jahr 2022 war gerade etwas mehr als drei Monate alt, als ein spektakulärer Mord Hamburg erschütterte. Am 5. April tötete in der Scheel-Plessen-Straße in Ottensen ein 22 Jahre alter Mann eine junge Frau durch Schüsse aus einer Pistole.
Der Fall war einer der in diesem Jahr viel diskutierten „Femizide“, ein in der feministischen Szene geprägter Begriff, unter dem die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts verstanden wird. Von den zwölf versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten gegen Frauen allein bis Anfang Oktober dieses Jahres waren in fünf Fällen die weiblichen Opfer vor oder zum Tatzeitpunkt mit dem Täter liiert.
Mord in Ottensen: Schweizer Politiker erschießt junge Frau
Der Schütze von Ottensen, ein Politiker aus der Schweiz, hätte nur zu gern mit der jungen Frau eine Beziehung geführt. Doch mit seiner in der Schweiz legal erworbenen Schusswaffe war er per Zug nach Hamburg gekommen, um die Frau zu töten: Weil sie seine Liebe verschmäht hatte. Er hatte die 22-Jährige zuvor schon über einen langen Zeitraum gestalkt. Er lockte die gleichaltrige Schülerin einer Musicalschule vor die Tür, erschoss sie und richtete sich dann selbst. Der 22-Jährige, so stellte sich heraus, war offenbar psychisch hochgradig gestört. Ein Merkmal, das gefühlt immer häufiger bei Taten eine Rolle spielt, das aber statistisch nicht erfasst wird.
Der heimtückische Mord war nicht der erste Fall für die Mordkommission in 2022 – mit Sicherheit gehört er aber zu den spektakulärsten. So wie ein weiterer Fall, knapp vier Monate später. Am 27. Juli musste erneut die Mordkommission ausrücken, nachdem zwei Männer in einer Shishabar an der Lübecker Straße einen 27-Jährigen erschossen hatten. Das Opfer, so stellte sich dann im Laufe der polizeilichen Ermittlungen schnell heraus, war der Drogenszene zuzuordnen. Die Täter waren maskiert und gerierten sich wie ein Killerkommando, indem sie zielstrebig auf den Mann zugingen und ohne zu zögern das Feuer eröffneten. Einer von ihnen schoss mit einer Uzi, einer Maschinenpistole, auf den Mann. Dann flüchtete das Duo.
Vor Kurzem fasste die Polizei den mutmaßlichen Shishabar-Mörder
Lange hatte es so ausgesehen, als würden die beiden Täter dauerhaft entkommen und das Motiv im Dunkel bleiben. Doch dann, das war erst vor wenigen Tagen, gab die Polizei bekannt, den Fall aufgeklärt zu haben. Ermittler hatten nicht nur die Täter, sondern auch eine Gruppe Dealer identifizieren können, die miteinander Drogengeschäfte gemacht hatten. Dabei war es zu einem Streit gekommen, der mit den Schüssen ein brutales sowie tödliches Ende fand. Einer der Schützen wurde vom Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei in der Paul-Roosen-Straße auf St. Pauli überwältigt. Der zweite Mann ist untergetaucht. Fahnder vermuten ihn nun in der Türkei.
Drogen spielen bei herausragenden Verbrechen in der Hansestadt immer wieder eine Rolle. Ende August stellten Zoll und Polizei im Hafen 700 Kilogramm Rauschgift sicher. Die enorme Menge allein war dabei nicht einmal das Bemerkenswerteste in diesem Fall, zumal 2021 während eines Verfahrens 16 Tonnen Kokain aus dem Verkehr gezogen worden waren.
Zoll und Polizei stellen im Hafen 700 Kilogramm Heroin sicher
Das Besondere hier war: Bei den 700 Kilogramm handelte es sich um Heroin, die Droge, die noch in den 1990er-Jahren die Szene in Hamburg dominierte, dann aber im weiteren Verlauf von Kokain verdrängt wurde. Es war die größte Menge Heroin, die jemals in Deutschland auf einen Schlag beschlagnahmt worden ist. Das Rauschgift war – wie üblich in einem Container versteckt – nach Hamburg gebracht worden. In dem Zusammenhang konnten fünf Männer, drei davon im Ausland, verhaftet werden.
Ein anderer ungewöhnlicher Fall aus diesem Jahr fußt nicht auf einem Verbrechen, sondern auf einem Unfall. Reine Glücksache, dass dabei niemand zu Schaden kam. Am 6. Juli schreckte ein lauter Knall die Anwohner rund um die Stadtteilschule Finkenwerder aus dem Schlaf. Um 3.43 Uhr hatte es im Verwaltungsgebäude der Schule eine Explosion gegeben: Rauch stieg auf, Flammen loderten in den Räumen.
Explosion in Finkenwerder Schule: Alle Zeugnisse verbrannt
Für die Feuerwehr gestaltete sich der Einsatz schwierig, weil zunächst niemand wusste, ob weitere Explosionen drohten. Nicht nur das: Teile des Gebäudes waren einsturzgefährdet, und die kurz vor den Sommerferien bereits fertig geschriebenen Zeugnisse der Schüler waren in Rauch aufgegangen. Die Explosion mit dem damit zusammenhängenden Feuer wurde ein Fall für die Brandermittler des Landeskriminalamtes, des LKA 45. Sie konnten etwa drei Wochen später ein Ergebnis präsentieren.
Demnach war eine defekte Gasleitung, die sich außerhalb des Gebäudes befunden hatte, Ursache für die verheerende Explosion gewesen. Das Gas war durch den Boden in das Gebäude eingesickert und hatte sich dort zu einem zündfähigen Gemisch entwickelt, das durch einen Funken zur Detonation gebracht worden war. Klare Sache: Es handelte sich um einen Unfall.
Was man selbst bei wohlwollendster Betrachtung von dem Geschehen am 20. Dezember an der Neuen ABC-Straße nicht sagen kann, das war nämlich kein Unfall, das war ein lupenreiner Überfall. Drei Täter hatten kurz vor Weihnachten den Juwelier H. Spliedt ausgeraubt. Das Trio erbeutete bei der Tat unter anderem rund 70 Uhren, die einen Verkaufswert von rund zwei Millionen Euro haben. Es ist einer der größten Coups dieser Art der letzten Jahre gewesen.
Und kurz vor Jahresende noch ein herausragender Überfall ...
Der Überfall ereignete sich noch zur Geschäftszeit am 20. Dezember. Gegen 17.30 Uhr hatte ein Mann an der Tür des Juweliers geklingelt. Zugänge sind bei solchen Geschäften üblicherweise verschlossen, und Einlass wird erst nach einer „Gesichtskontrolle“ gewährt. In Einzelfällen gibt es bei Juwelieren sogar eine Schleuse, durch die ein Kunde in die Verkaufsräume gelangt.
In der Neuen ABC-Straße machten die Täter nach dem Öffnen der Eingangstür für einen vermeintlichen Kunden freie Bahn. Zwei weitere Mittäter, die sich verborgen gehalten hatten, sprangen hervor und drangen mit ihrem Komplizen bei dem Juwelier ein. Einer der Räuber hielt einen der adeligen Inhaber des Juweliergeschäfts in Schach, während seine Komplizen mit Vorschlaghämmern Vitrinen zerschlugen und die Uhren zusammenrafften.
Hamburger Mordkommission rätselt über „Killer-Kommandos“
Mangelnde Aufklärung von Femiziden? „Es ist zum Verzweifeln“
Todesschüsse in Shishabar – neue Erkenntnisse zum Täter
Nach nur 90 Sekunden flüchtete das Trio, vermutlich auf E-Rollern. Die Räuber entkamen, obwohl der zweite Inhaber die Tat bemerkt und per Überfallalarm die um die Ecke liegende Polizeiwache an der Caffamacherreihe informiert hatte. Die Tat war ein weiterer Überfall oder Einbruch in der Hamburger City, die in den letzten Jahren verstärkt zum Ziel spektakulärer „Raubzüge“ wurde, bei denen es die Täter auf Luxuswaren abgesehen hatten.