HAmburg. Die Staatsanwaltschaft hatte Gefängnis für bestechlichen Laienrichter gefordert. Gericht verhängt Haftstrafe – auf Bewährung.

Es war keine Pflichtveranstaltung. Keine Aufgabe, für die der Mann gegen seinen Willen herangezogen worden wäre. Nein: Johann D. hatte sich für das Amt des Schöffen beworben — jene in höchstem Maße verantwortungsvolle Stellung, in der er auf der Richterbank mit über Schuld und Unschuld entscheidet, über Gefängnis oder Freispruch. Diesem Amt hat der Hamburger jetzt immensen Schaden zugefügt. Der 38-Jährige war bereit, sich bestechen zu lassen. Konkret: Freispruch gegen Geld.

Für diese schwere Straftat ist Johann D. nun am Dienstag vom Landgericht verurteilt worden. Die Kammer verhängte gegen ihn eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Es handele sich um ein „außergewöhnliches Verfahren mit einem spektakulären Tatvorwurf“, sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. „Ein Schöffe einer Großen Strafkammer hat sich empfänglich für Bestechung gezeigt.“ Bestraft werde „der verheerende Eindruck, der durch den bloßen Anschein entsteht, das Gericht sei korrupt“, betonte der Kammervorsitzende. Alles wäre „noch viel schlimmer“, wenn tatsächlich Geld gezahlt worden wäre. Und eine weitere mögliche Steigerung des Unrechts wäre es gewesen, wenn wirklich seinerzeit ein Schuldiger freigesprochen worden wäre.

Prozess Hamburg: Freispruch gegen Geld – zwei Jahre für Ex-Schöffen

Wie bedeutsam das Amt des Laienrichters ist, zeigt unter anderem der Eid, den jeder Schöffe leisten muss. Demnach schwört er, „nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen“. Im Prozess hat seine Stimme ebenso viel Gewicht wie die eines Berufsrichters. Sprich: Schöffen können ein Urteil maßgeblich beeinflussen. Auch wenn die Berufsjuristen viele Argumente für eine Verurteilung hätten — wenn die Schöffen es wollten, könnten sie einen Freispruch durchsetzen.

Und genau so hatte Johann D. es sich vorgestellt, als er 2014 in einem Korruptionsprozess vor dem Landgericht gegen drei Angeklagte mit auf der Richterbank saß. Als sich nach Abschluss der Beweisaufnahme in einer Vorberatung abzeichnete, dass die Angeklagten vermutlich zu Haftstrafen verurteilt werden sollten, fuhr Johann D. zur Wohnadresse des damaligen Hauptbeschuldigten Jürgen B. und machte dem Mann ein zutiefst unmoralisches Angebot: Er gab B. zu verstehen, dass er käuflich sei — und auch alles daransetzen werde, den zweiten Schöffen dazu zu bewegen, ebenfalls für einen Freispruch zu stimmen.

Jürgen B. bot darauf an, beiden Laienrichtern je 20.000 Euro zahlen zu wollen. Doch tatsächlich wandte er sich an seinen Verteidiger, der wiederum den damaligen Vorsitzenden Richter informierte. Als Johann D. kurze Zeit später für eine Übergabe der 40.000 Euro zum Hauptbahnhof kam, stand da kein Geldbote, sondern ein Polizist in Zivil. Johann D. spürte, dass er aufgeflogen war — und brach das Unternehmen ab. Ohnehin war das Verfahren, in dem er Schöffe war, wegen seiner Machenschaften bereits geplatzt und musste später erneut verhandelt werden.

Bestechlicher Schöffe: Skandal in der Hamburger Justizgeschichte

Ein bestechlicher Schöffe: Es war ein Skandal in der Hamburger Justizgeschichte, der wohl seinesgleichen sucht. Im jetzigen Prozess vor dem Landgericht hat der Angeklagte Johann D. die Vorwürfe vollständig eingeräumt und angedeutet, dass er seinerzeit in Geldschwierigkeiten wegen einer „Abhängigkeit, so ähnlich wie spielsüchtig“ gewesen sei. Dieses Geständnis war es jetzt, das ihn unter anderem davor bewahrt hat, im Gefängnis zu landen.

Ein zweiter wesentlicher Umstand war, dass es erst jetzt, so viele Jahre nach der Tat aus dem Jahr 2014, zu der entscheidenden Hauptverhandlung gegen Johann D. gekommen war — eine erhebliche Verzögerung, für die nicht der Angeklagte, sondern die Überlastung der zuständigen Großen Strafkammer verantwortlich ist. Der Vorsitzende sprach von einem „Zeitablauf“, der „ungewöhnlich“ sei. Allerdings habe der Prozess gegen Johann D. immer wieder zurückgestellt werden müssen, weil andere Verfahren „immer wieder Vorrang hatten“.

Bestechlicher Laienrichter: Fall beschäftige Justiz extrem lange

Explizit ging es dabei um Prozesse, in denen Angeklagte in Untersuchungshaft sitzen und die deshalb besonders vordringlich verhandelt werden müssen. Man könne sagen, dass „der Zeitverzug Sie vor dem Gefängnis bewahrt hat“, sagte der Vorsitzende Richter an die Adresse von Johann D. Zu seinen Gunsten habe sich zudem das Geständnis ausgewirkt und dass kein Geld geflossen sei. Ausdrücklich negativ sei zu bewerten, dass Johann D. seinen damaligen Mitschöffen — völlig zu Unrecht — in den Verdacht gebracht hat, ebenfalls bestechlich zu sein. „Besonders verwerflich“ sei, so betonte der Richter, dass der 38-Jährige versucht habe, „mit der Freiheit eines Menschen ein Geschäft zu machen“.

Der Fall hatte die Justiz schon extrem lange beschäftigt. Ein erstes Urteil gegen Johann D. war bereits 2015 gesprochen, dann aber vom Bundesgerichtshof kassiert worden. Damals hatte das Strafmaß noch drei Jahre Freiheitsstrafe gelautet. Jetzt zeigte der Angeklagte Einsicht, welche schwere Tat er begangen hat. Im letzten Wort sprach er vom „schlimmsten Fehler meines Lebens“.