Hamburg. Die Ukrainerin baut sich mit Mann und Sohn ein neues Leben in Hamburg auf. Doch es geht ihr viel zu langsam. Was sie sich wünscht.

Den Adventskranz mit den vier roten Kerzen hat Nadia Ovechkina lieber beiseitegestellt. Der kleine Akim ist einfach zu neugierig, nimmt alles in die Hand und in den Mund. Gerade kaut er auf einem Buntstift herum, nachdem er am Herd zugange war. Eineinhalbjährige eben.

Weihnachtliche Stimmung bei der 24-Jährigen und ihrer Familie auf St. Pauli. Im März war Nadia eine der ersten Menschen, die aus der Ukraine nach Hamburg geflüchtet waren. Zwischen ihrem Leben jetzt und ihrer Ankunft liegen neun Monate. Monate, in denen viel passiert ist.

Geflüchtete in Hamburg: Für Nadia läuft es ganz gut

„Ich liebe Weihnachten“, sagt Nadia und lächelt. Auf den bodentiefen Scheiben der Wohnzimmerfenster kleben weiße Schneebilder, im Regal steht etwas Weihnachtsschmuck. Nadias Lächeln ist so viel authentischer als noch vor einigen Monaten. Da war sie vor allem tapfer, heute wirkt sie noch ein wenig befreiter. Sie hat auch allen Grund dazu, denn es läuft ganz gut.

Beide haben Arbeit, Vlad als Koch, Nadia hat einen Minijob

Ihr Mann Vlad Shturko war ja kurz vor Ostern nach Deutschland gekommen, nun haben inzwischen beide Arbeit. Vlad hat eine Vollzeitstelle als Koch, Nadia seit einigen Wochen einen Minijob, und Akim geht seit September vormittags in eine Kita. Unabhängig zu sein, ist der gelernten Köchin aus Ivano-Frankivsk im Westen der Ukraine nach wie vor wichtig. Noch erhalten sie staatliche Unterstützung, ihr Ziel aber ist eindeutig: „Ich möchte kein Geld mehr vom Jobcenter“, sagt sie auf Englisch.

Um das zu erreichen, versucht sie seit Monaten, Deutsch zu lernen. Doch die Kurse sind belegt. Gerade als sie davon erzählt, klingelt ihr Handy. Auf Russisch spricht Nadia mit ihrer Lehrerin vom Sprachkurs. Den zweiwöchigen Online-Sprachkurs beginnt sie in der kommenden Woche – fünfmal die Woche 4,5 bis fünf Stunden täglich.

In der Digitalisierung hängt Deutschland hinterher

„Meine Lehrerin hat mir Mut gemacht, in dem Kurs Deutsch zu sprechen.“ Dann erzählt sie, dass auch das Briefeschreiben Kursinhalt sein wird, wie ihr die Dame am Telefon gerade mitgeteilt habe. Und Nadia muss lachen: „Bei uns in der Ukraine gibt es kaum noch Post, Neubauten haben schon gar keine Briefkästen mehr, weil alles digital ist.“ Da kommt einem Deutschland doch sehr rückständig vor. Passenderweise besteht Nadias Minijob daraus, in einem Archiv Daten zu digitalisieren.

An den Minijob kam sie über eine Telegram-Gruppe von Ukrainern. Ansonsten habe sie nicht viel Kontakt zu anderen Ukrainern. Sie wünscht sich mehr Sozialleben. „Es ist nicht genug“, sagt Nadia. Sie hat Kontakt zur ihrer deutschen Nachbarin, die mit ihrem Kleinkind alleinerziehend ist und mit ihr Englisch spricht, und durch den Job hat sie nun auch etwas mehr soziale Kontakte. „Ich freue mich, wenn ich endlich an einem Integrationskurs teilnehmen kann.“ Nadia möchte sich noch viel mehr eingliedern, möchte dazugehören.

Die Sorgen um die Familie in der Ukraine bleiben

Während sie und Vlad sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen, sind ihre Eltern und ihr Bruder in der Ukraine geblieben. „Ich hätte sie gern hier, aber wir wollen nicht“, erzählt Nadia. Im Sommer waren ihre Mutter und ihr 13-Jähriger Bruder für einige Wochen zu Besuch. Natürlich macht sich Nadia Sorgen um ihre Familie. „Vor Kurzem waren dort zehn Raketen in der Nähe eingeschlagen. Meine Mutter hatte die von ihrer Wohnung aus gesehen und meinte, es sah schön aus, wie ein Feuerwerk.“

Nadia findet das überhaupt nicht schön. „Ich verstehe nicht, wie sie so entspannt sein können.“ Ihre Familie ist dann doch in den Schutzbunker gegangen. Drei Tage lang hatten sie keinen Strom, kein Wasser und keine Heizung in ihrer Wohnung.

Geflüchtete in Hamburg: Weihnachtsbaum noch zu teuer

Strom, Wasser, eine warme Wohnung und genug zu essen. Das sind Dinge, um die sich Nadia keine Sorgen machen muss. Und weil sie Weihnachten liebt, wird es zu den Feiertagen Gans geben. Momentan fehlt nur noch ein Weihnachtsbaum, der derzeit noch zu teuer ist.