Hamburg. In einer Grundschule in Altona bilden 20 ukrainische Kinder eine Klasse: Unterrichtet werden sie von einer Lehrerin aus der Heimat.
Ist es ruhiger als in einer gewöhnlichen Grundschulklasse? Jedenfalls sind die 20 Jungen und Mädchen sehr konzentriert. Was aber auf jeden Fall anders ist: Hier in der Grundschule Thadenstraße in Hamburg-Altona sitzen Kinder aus der Ukraine, die noch kein Deutsch können und gerade die Farben rosa, blau, gelb lernen.
Solch eine Klasse mit Flüchtlingskindern ist für Schulleiter Thomas Niklas neu, und es ist auch neu und anders für die Lehrerin: Inna Bondina kommt selbst aus der Ukraine und unterrichtet an der Schule Deutsch und Englisch. Das ist ein großes Glück und eine Bereicherung für Lehrer, Schüler und Eltern.
Schule Hamburg: Ukrainische Kinder lernen die Farben
„Ruslana, welches ist deine Lieblingsfarbe?“, fragt Frau Bondina. Ihre Lieblingsfarbe ist rosa, sagt die Schülerin. Und das sieht man dem Mädchen in der rosafarbenen Jacke auch an. Vorher haben alle Kinder ihrer Lehrerin im Chor laut nachgesprochen: „Rosa, blau, gelb, grün.“ Chorisches Sprechen nennt sich das, und das ist an deutschen Grundschulen nicht mehr so üblich.
- Nach Corona: Kinder sollen sich wieder mehr bewegen
- Nur 40 Prozent der Grundschüler schwimmen sicher
- Schulzentrum-Süd wird 50: Ein Song zum Jubiläum
Zack, zack geht das, das Tempo ist recht hoch. Jeder ist einmal dran. Ziel ist es, dass die Kinder ins Sprechen kommen. Zwischendurch sagt Frau Bondina zu den Mädchen und Jungen: „Schreiben Sie bitte ...“ Ihr Deutsch ist richtig gut, aber wer ist schon perfekt. Dass sie die Grundschüler zwischendurch siezt, kommt charmant herüber.
Schule Hamburg: Schulleiter schwärmt von der ukrainischen Kollegin
Inna Bondina stammt aus der Ost-Ukraine und hat dort Deutsch, Englisch und Russisch unterrichtet. So wie hier auch. Die 35-Jährige ist ein Glücksfall für Schulleiter Niklas Thomas. Der schwärmt: „Sie ist offen und geht auf die Menschen zu. Sie unterstützt die Kinder und auch die Lehrerkollegen.“ Sie unterrichtet nicht nur, sondern arbeitet auch im Elterncafé und ist eine wichtige Verbindung zwischen den ukrainischen Eltern und der Schule.
Die meisten Kinder sind in umliegenden Hotels unterbracht. Nach den Ferien ging alles schnell: Innerhalb von 48 Stunden war die Klasse voll. Und so begann für diese 20 Mädchen genau wie zu Hause in der Ukraine auch am vergangenen Donnerstag die Schule nach den Ferien. „Die ukrainischen Eltern nehmen auch unser Ganztagsangebot sehr gern an“, sagt Schulleiter Niklas. Bis 16 Uhr sind die Kinder somit in der Schule.
Schule Hamburg: 3605 Kinder in internationalen Vorbereitungsklassen
Die Kinder sind zwischen acht und zehn Jahren alt und besuchen die Internationale Vorbereitungsklasse an der Schule (kurz IVK). 35 Schüler und Schülerinnen an der Schule kommen aus der Ukraine, 15 von ihnen gehen in die Regelklassen. Das sind etwa Erst- und Zweitklässler, die dort integrativ Deutsch lernen. „Das funktioniert, die machen das toll“, sagt Schulleiter Niklas.
- Deichtorhallen: Schau zeigt den Alltag im Kriegszustand
- Ukraine: "Ich weiß einfach nicht, wie ich weiterleben soll"
- Sprach-Kitas vor dem Aus – jetzt gibt es Protest
Hamburgweit werden derzeit 3.605 Schüler in 236 IVK beschult. In den Klassen werden neu zugewanderte Kinder und Jugendliche aus allen Nationen gemeinsam beschult, da der Schwerpunkt das Erlernen der deutschen Sprache ist. „Die relativ wenigen Klassen mit ausschließlich ukrainischen Schülerinnen und Schüler sind zufällig entstanden, weil in wenigen Regionen temporär keine Schülerinnen und Schüler anderer Nationen waren“, sagt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde.
Schule Hamburg: Ukrainische Lehrerin – "Ich unterrichte einfach sehr gern"
An der Grundschule Thadenstraße ist das Lernen in der IV-Klasse jahrgangsübergreifend, die Dritt- und Viertklässler sollen vor allem Deutsch lernen. Sobald sie die Sprache können, geht es in die Regelklassen. Inna Bondina unterrichtet die Kinder auch auf Ukrainisch, bringt ihnen ihre Kultur und die Schriftsprache bei.
Für die Ukrainerin war klar, dass sie in Hamburg arbeiten möchte, als sie im März mit ihrer Mutter und Tochter Kristina (8) vor dem Krieg in ihrer Heimat floh. Ihr Mann ist zurückgeblieben und arbeitet bei einer Bank. Die zierliche Frau mit der Bluse und den Jeans hat sich initiativ beworben und hat nun eine zunächst auf ein Jahr befristete 80-Prozent-Stelle an der Schule. „Es ist wichtig zu arbeiten. Ich unterrichte einfach sehr gern“, sagt sie.
Schule Hamburg: In der Ukraine haben Kinder mehr Hausaufgaben
In der Ost-Ukraine hat sie Schüler bis zur achten Klasse unterrichtet. Der wesentliche Unterschied zur Heimat: „In der Ukraine gehen die Schüler nur bis 13 Uhr zur Schule und haben viel mehr Hausaufgaben. In Deutschland wird stärker auf die Fähigkeiten der Kinder eingegangen, die dadurch mehr Möglichkeiten haben, der Unterricht ist individueller. Wir sprechen nicht so viel im Unterricht, sondern lernen, lernen, lernen.“
Sonst aber sind Kinder alle gleich: „Sie sprechen alle sehr viel“, sagt Frau Bondina und lacht. Die deutschen Kinder an der Grundschule Thadenstraße, hat sie beobachtet, stellen ihr viele Fragen und sind sehr offen.
Schule Hamburg: Lehrerin wohnt mit Mutter und Tochter zusammen
Momentan lebt Inna Bondina mit Mutter und Tochter in einer Ein-Zimmer-Wohnung in der Neuen Mitte Altona. Kommt sie nach der Schule nach Hause, geht das Unterrichten weiter. Denn ihre Mutter besucht einen Deutschkurs. Abends muss ich ihr bei den Hausaufgaben helfen“, sagt sie und lacht wieder.
Da der Mietvertrag Ende des Monats ausläuft, suchen die drei dringend eine neue Wohnung, möglichst in der Nähe der Schule. Frau Bondina weiß, dass das sehr schwer sein wird. Aber doch bleibt sie zuversichtlich.