Hamburg. Weil sich in der Pandemie viele Menschen Tiere angeschafft haben, sind Veterinäre überlastet – zum fachlichen kommt emotionaler Stress.
Hamburgs Tierärzte arbeiten am Limit. Um ihren tierischen Patienten noch gerecht werden zu können, verhängen einige Praxen inzwischen einen Aufnahmestopp. Auch die emotionale Belastung für die Veterinäre hat stark zugenommen. Das liegt vor allem an den Tierhaltern.
„Wir haben bis Anfang September einen Aufnahmestopp, weil wir die Kapazitäten für mehr Patienten derzeit nicht haben“, sagt Tierärztin Susanne Elsner von der Tiermedizin am Rotherbaum. Das sei notwendig, damit die bisherigen Patienten nicht zu lange Wartezeiten haben. „Es tut uns leid für jeden, den wir wegschicken, aber nur so können wir unseren Qualitätsanspruch beibehalten. Wir machen hier keine Fließbandarbeit.“
Haustier krank: Ansturm auf die Tierärzte in Hamburg
Susanne Elsner und ihre fünf Praxiskollegen sind kein Einzelfall. Wie bei Humanmedizinern wollen auch Tierärzte ihren altgedienten Patientenstamm in der gewohnten Form weiterbetreuen. Daher haben Neupatienten auch einmal Pech und werden am Telefon abgewiesen. Sie müssen dann nach einem anderen Tierarzt suchen.
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Der Grund für den Ansturm auf die Tierärzte ist die Zunahme an Haustieren, nicht nur in Hamburg, sondern deutschlandweit. Laut dem Industrieverband für Heimtierbedarf lebten im vergangenen Jahr 34,9 Millionen Hunde, Katzen, Kleinsäuger und Ziervögel in deutschen Haushalten, das ist ein Zuwachs von knapp einer Million im Vergleich zum Vorjahr. Allein bei den Hunden hat die Zahl der Tiere in Hamburg von mehr als 59.000 Hunden im Jahr 2012 auf 88.859 im Jahr 2020 zugenommen.
Viele Menschen haben sich in Coronazeit Hunde und Katzen angeschafft
„So viele Menschen haben sich in der Coronazeit Haustiere, vor allem Hunde und Katzen angeschafft, dass die Tierärzte entsprechend viel zu tun haben“, sagt Christina Bertram, Sprecherin der Tierärztekammer Hamburg. Es könnten auch deshalb nicht so viele Patienten behandelt werden wie üblich, weil die Hygienemaßnahmen durch Corona aufwändiger sind. Alles dauert länger. „Wir müssen Türklinken und Kartenlesegeräte desinfizieren und lüften“, so Frau Bertram. Spontan in den Praxen vorbeizukommen, sei nicht möglich. Um volle Wartezimmer zu verhindern, gibt es ausschließlich Terminsprechstunden. Ohnehin müssen die meisten Tierbesitzer mit ihren Lieblingen draußen warten. In den Wartezimmern ist meist nur eine Person erlaubt.
Volle Patientenkarteien in den 138 Praxen und Tierkliniken beschränken sich dabei nicht auf einzelne Stadtteile, so Christina Bertram, das sei überall in der Stadt so. Sorgen müssen sich Hamburgs Tierhalter nicht machen. Notfälle gehen grundsätzlich vor. Die Folgen der vollen Praxen sind längere Wartezeiten, vor allem bei Routinebehandlungen wie Impfungen. Es geht nicht mehr alles sofort. Und damit hätten viele Menschen ihre Probleme.
Das beobachtet auch Tierärztin Dagmar Vogel in ihrer Eimsbütteler Praxis. „Die Menschen haben keine Geduld.“ Es geht manchen nicht mehr darum, die Praxis ihres Vertrauens aufzusuchen, sondern möglichst schnell an einen Termin zu kommen. Gerade hat sie 30-jähriges Praxisjubiläum gefeiert und stellt fest, „dass die Anspruchshaltung der Leute massiv gestiegen ist. Der Ton hat sich dramatisch verändert“. Kritik sei sofort massiv und häufig verletzend. Der Bezug zum Haustier habe sich verändert.
Sprechstunden werden immer zeitintensiver
Hunde seien häufig Kinderersatz. Und so wie viele Eltern verunsichert sind und nicht mehr auf ihr Bauchgefühl hören, geht es auch immer mehr Neuhundehaltern so. „Diese Hundeeltern haben das Bestreben, alles richtig machen zu wollen. Da geht es in der Sprechstunde häufig um Erziehungsfragen, das ist sehr zeitintensiv und wirtschaftlich für uns gar nicht zu leisten“, sagt Valeska Furck vom Kompetenzzentrum Kleintiermedizin.
Da müsse sie darauf achten, wirklich kranken Tieren gerecht zu werden. „Ich muss die Leute abholen und ihnen dann auch mal Grenzen setzen.“ Und die Tierhalter etwa an Hundetrainer und Welpen- und Junghundegruppen verweisen. Aber auch dort gibt es mittlerweile Engpässe und Wartelisten, weil der Andrang so hoch ist.
Diskrepanz zischen Anspruchshaltung und Wertschätzung
„Unser Job ist emotional sehr anstrengend“, sagt auch Kollegin Christina Bertram. „Zwischen der Anspruchshaltung vieler Tierbesitzer und der Wertschätzung uns gegenüber gibt es eine große Diskrepanz.“ Sicher, auch die Euthanasie, also wenn Tiere eingeschläfert werden, sei belastend. Hinzu kämen lange Arbeitszeiten und eine verhältnismäßig niedrige Bezahlung, so Bertram. „Daher haben wir in der Veterinärmedizin auch Nachwuchsmangel.“ Christina Bertram aber sagt, sie würde immer wieder Tiermedizin studieren. Es ist ihr Traumberuf.
Wer einen Tierarzt gefunden hat, muss wohl bald mit höheren Kosten rechnen. Tierärzte rechnen damit und fordern zudem, dass sich die Gebühren für den Tierarztbesuch erhöhen werden. Die letzte Erhöhung war vor zehn Jahren.