Hamburg. Zwei riesige Generatoren können binnen 15 Sekunden die Stromversorgung übernehmen. Wie sicher sind Notstromaggregate?

Die zwei leuchtend blauen, jeweils 20 Tonnen schweren Kolosse beherrschen den Raum. Mächtige silberblanke Rohre führen nach oben. Graue und schwarze Leitungen, Schalthebel in Reih und Glied, zylinderförmige Abgasrohre – alles ist bestens gepflegt.

Nur ein leises Summen ist zu hören. Würden die beiden Notstromaggregate anspringen, könnte man hier in dem hohen, weiß getünchten Technikraum sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Denn jeder von ihnen erreicht im Betrieb 125 Dezibel, ein Hörschutz für die Mitarbeiter ist Pflicht.

Die beiden hochleistungsfähigen Notstromaggregate sorgen dafür, dass die Lichter im Krankenhaus nicht ausgehen – auch wenn es zu einem längeren Stromausfall kommen sollte. Nun ist ein gezielter Angriff auf die Stromversorgung in Hamburg oder anderswo in Deutschland kein wahrscheinliches Szenario.

Doch nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und einem Anschlag auf den Betrieb der Deutschen Bahn vor einigen Wochen beschäftigen sich Fachleute noch einmal unter Hochdruck mit der Möglichkeit eines Blackouts.

Blackout in Hamburg: Asklepios Klinik St. Georg ist vorbereitet

Notfallpläne werden aktualisiert, Szenarien durchgespielt. Zu allererst betrifft dies die sogenannte kritische Infrastruktur und da im besonderen auch die Krankenhäuser. Ihre Funktionsfähigkeit muss unter allen Umständen sichergestellt werden. Die Asklepios Klinik St. Georg hat vorgesorgt. Die beiden Notstromaggregate auf dem Gelände der Klinik, die 2018 in Betrieb genommen wurden, haben eine Gesamtleistung von 5000 Kilowattstunden.

Jedes Aggregat besteht aus einem Motor und einem Generator – als sie eingebaut wurden, mussten sie mit einem 300-Tonnen-Autokran ins Gebäude gehievt werden. Mit je 3500 PS sind sie mehr als doppelt so leistungsfähig wie ihre Vorgänger.

Die Generatoren erzeugen eine Spannung von 10.000 Volt; der produzierte Strom wird in das klinikeigene Stromnetz eingespeist. Die Aggregate sind so leistungsfähig, dass sie eine Kleinstadt mit 13.500 Einwohnern versorgen könnte.

Klinikbetrieb kann aufrechterhalten werden

Doch das ist nicht ihre Aufgabe. Die Anschaffung der Anlage, die die Stadt Hamburg mit 5,4 Millionen Euro gefördert hatte, bedeutet aus einem anderen Grund einen Quantensprung: Mit ihrer Hilfe können im Krankenhaus nicht nur sicherheitsrelevante Geräte, Anlagen und Bereiche per Notstrom betrieben werden, sondern der ganz normale Klinikbetrieb kann vollkommen unabhängig vom öffentlichen Stromnetz aufrechterhalten werden – mindestens für drei Tage, aber auch länger. „Das Krankenhaus kann dann autark arbeiten“, sagt Sven Möllendorf.

Er ist Leiter der Betriebstechnik und verantwortlich für die Energiezentrale. Möllendorf steht im Schaltraum der Anlage; durch ein Fenster hat er die riesigen Aggregate im Blick. Hier kommt niemals ein Patient hinein, auch die meisten Klinikmitarbeitenden waren noch nicht in diesen Räumen; nur eine Handvoll Leute haben Zutritt. An der Wand hängen sehr kompliziert aussehende Schaltpläne. Auf diversen Anzeigen ist abzulesen, wie viel Strom fließt, wie hoch die Spannung ist, wie groß die Maximalleistung.

„Der Zündschlüssel steckt gewissermaßen immer“

Die entscheidende Zahl: 15 Sekunden. So lange benötigen die beiden Notstromaggregate mit ihren jeweils 16 Zylindern, um vollautomatisch über elektrische Anlasser und Starterbatterien hochzufahren, stabile Spannungs- und Frequenzwerte zu erreichen und sich in das Stromnetz der Klinik einzuschalten, sollte es zu einem Ausfall des öffentlichen Stromnetzes kommen. „Es wurde aber auch schon in 12 oder 13 Sekunden geschafft“, sagt Elektromeister Tobias Herzog, Mitarbeiter von Möllendorf.

Der Ernstfall ist noch niemals eingetreten, aber gelegentlich gibt es sogenannte Netzwischer, also einen ultrakurzen Spannungsabfall, der Lampen für Bruchteile von Sekunden flackern lässt, erzählt Herzog. Bereits dann wärmt der Generator vor und geht in Bereitschaft. „Der Zündschlüssel steckt gewissermaßen immer“, so Herzog.

Verfügbarkeit des Diesels entscheidend

Nach dem Beginn des Ukraine-Krieges und der darauffolgenden Energiekrise hat Betriebsleiter Möllendorf die Infrastruktur noch einmal überprüfen und die Treibstofftanks außerplanmäßig auffüllen lassen. Das Tanklager hat ein Volumen von 110.000 Litern. Mit dem Treibstoff werden die Generatoren betrieben.

Die Verfügbarkeit des Diesels ist entscheidend. Gibt es Nachschub, können die Aggregate den Krankenhausbetrieb auch deutlich länger als nur drei Tage aufrechterhalten. „Sollten die elektrischen Pumpen ausfallen, können wir per Hand pumpen“, erklärt Möllendorf. Jetzt hat er Heizöl statt Diesel tanken lassen, das ist länger haltbar.

Alles ist für den Notfall doppelt oder dreifach gesichert

Während Redundanz in Gesprächen oder Debatten nervt, weil immer dasselbe wiederholt wird, ist die Redundanz dieser Anlage ein Riesenvorteil. Denn technische Redundanz funktioniert wie ein doppelter Boden: Die meisten Funktionen sind zweifach vorhanden beziehungsweise abgesichert. „Wenn ein Teil ausfällt, übernimmt ein anderes“, erläutert Möllendorf.

Selbst bei Ausfall eines der beiden Aggregate ist eine Stromversorgung aller Geräte und Einrichtungen gewährleistet, die der unmittelbaren Sicherheit von Patienten, Besuchern und Mitarbeitern dienen. Dazu zählen Beatmungs- und Narkosegeräte, Beleuchtung, Aufzüge, Brandmelde- und Feuerlöschanlagen. Zusätzlich zur Notstromversorgung sind bestimmte medizinische Geräte durch Batterien gesichert.

„Einen Blackout hatten wir noch nie“

Interessant ist ohnehin: Ein Krankenhaus verbraucht im Sommer mehr Strom als im Winter. In der warmen Jahreszeit ist es aufwendiger, Geräte wie Computer­tomografen oder Magnetresonanztomografen und auch die OP-Säle zu kühlen. Im Tagesverlauf fällt der Spitzenverbrauch in die Mittagszeit. Dann herrscht am meisten Betrieb, Aufzüge fahren besonders häufig und das Mittagessen muss zubereitet und verteilt werden.

„Einen Blackout hatten wir noch nie“, sagt Möllendorf. Dennoch gibt es für die Hochleistungsgeneratoren einmal im Monat einen Testbetrieb, die Maschinen laufen eine Stunde lang – damit die Teile nicht mangels Nutzung träge werden oder sich festsetzen. Einmal im Jahr fahren die Techniker sogar einen sogenannten Schwarztest.

Dann lassen sie die Stromversorgung durch Hamburg Energie herunterfahren und simulieren den Blackout. Auch andere Asklepios-Kliniken haben dieselgetriebene Stromgeneratoren. In manchen Krankenhäusern gibt es zusätzlich Blockheizkraftwerke.

Blackout in Hamburg: Auch andere Kliniken haben vorgesorgt

Andere Kliniken haben ebenfalls vorgesorgt: „Wie alle Krankenhäuser verfügen auch die Kliniken der Immanuel Albertinen Diakonie über Sicherungssysteme im Falle eines Stromausfalls“, sagt deren Sprecher Fabian Peterson. „Dieses betrifft einerseits mehrere dieselbetriebene Notstromaggregat.“

Hinzu kämen batteriebetriebene Aggregate, die für alle lebenserhaltenden und sonstigen wichtigen Systeme die kurze Zeit bis zum Anspringen der Notstromaggregate überbrücken und als zusätzliche Absicherung dienen.

„Zur Bewältigung eines länger andauernden Stromausfalls verfügen unsere Häuser zudem über Anschlüsse, die eine Stromversorgung von extern ermöglichen.“