Hamburg. Die 49-Jährige und ihr neuer Ehemann sollen die Tat im Internet in Auftrag gegeben haben. Nun müssen sie sich vor Gericht verantworten.

Die ganze Geschichte mutet selbst in der Sonderklasse seltsamer Gerichts-Geschichten, von denen es so einige gibt, bizarr an. Mitwirkende: Ein Stuttgarter Topmanager, eine frühere Spezialistin für chirurgische Korrekturen im Intimbereich aus Hamburg und ihr Ex-Freund, den die beiden Eheleute mutmaßlich ermorden lassen wollten.

Dazu noch unbekannt gebliebene Gestalten aus dem Dark­net, die keine Mörder in spe, aber Betrüger in echt waren und der US-amerikanische Inlandsgeheimdienst FBI. Die Geschichte hält überraschende, kaum für möglich gehaltene Wendungen parat. Kopfschüttel-Momente, in denen man sich und den Sitznachbarn im Gerichtssaal fragt: Kann das wirklich wahr sein?

Prozess in Hamburg: Auftragsmörder sollte Ex-Freund töten

Dr. Lena V. und Timo V. (alle Namen geändert) sind die Protagonisten dieses Gerichtsstücks aus dem Kuriositätenkabinett, angeklagt für eine Tat, die sie den hohen gesellschaftlichen Status, die Freiheit und Lena V. dazu den unverstellten Kontakt zur sechs Jahre alten Tochter kosten könnte. Beide sollen versucht haben, im Darknet einen Auftragsmörder anzuheuern, der Tom B. töten sollte, den 56 Jahre alten Ex-Partner der Ärztin. Im Fall einer Verurteilung wegen einer versuchten Anstiftung zum Mord droht ihnen eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren.

Neben Verteidigerin Gabriele Heinecke sitzt am Donnerstag Dr. Lena V., eine zerbrechlich wirkende Frau mit schmalen Schultern und langen blonden Haaren. Sie hat sichtlich Mühe, dem Prozess zu folgen, wippt vor und zurück. Als die Staatsanwältin den Anklagesatz verliest, hält sie sich die Ohren zu. Ihr Zustand besorgt Heinecke so sehr, dass sie eine Pause beantragt. Ihre Mandantin sei nicht in der Lage „zuzuhören und wahrzunehmen“.

Ehepaar bezahlte in Form von Bitcoins

Einen stabileren Eindruck vermittelt Timo V., der Ehemann. Mit ihm zusammen soll Lena V. zwischen Januar und April 2022 unter dem Pseudonym Eppentown67 zweimal im zwielichtigen Dark­net den Mord an ihrem Ex-Partner in Auftrag gegeben haben, so die Staatsanwaltschaft. Den ersten Auftrag inklusive Foto und der Hamburger Anschrift des Opfers sollen sie einer vermeintlich darauf spezialisierten Webseite geschickt haben. Sie zahlten laut Anklage bei einem Treuhandservice rund 15.000 Dollar in Form von Bitcoins ein und verschickten ein Foto des 56 Jahre alten Opfers mitsamt seiner Hamburger Anschrift. Tatsächlich aber hatten die unbekannt gebliebenen Anbieter die „Leistung“ nur zum Schein angeboten.

Nachdem nichts passierte, sollen sie Wochen später im Forum der Webseite einen dort aktiven Nutzer um Rat gebeten haben. Mit Verweis auf einen angeblichen Kindesmissbrauch durch den 56-Jährigen sollen sie die „Dringlichkeit“ der Tötung betont und dabei „Wünsche zur Art der Tatausführung“ geäußert haben.

Motiv war wohl ein familienrechtlicher Streit

Kurz darauf habe ein Administrator sie benachrichtigt: Bei der Seite handele es sich um eine Betrugsmasche. Die zuvor gezahlten 15.000 Dollar als Auftragsentgelt erhielten sie nicht zurück. Das Motiv für den meuchlerischen Plan war nach Überzeugung der Anklage ein familienrechtlicher Streit um das Sorgerecht für die sechs Jahre alte Tochter von Lena V. und Tom B. „Die Kindesmutter wollte das Kind für sich allein“, sagt Claudia Krüger. Die Anwältin vertritt den 56-Jährigen in der Nebenklage. „Deshalb wollte sie den Kindesvater beseitigen lassen.“ Ihr Mandant, so Krüger, habe von den Mordplänen „absolut nichts geahnt“.

Ohne den US-Inlandsgeheimdienst FBI wäre das möglicherweise auch so geblieben. Ein Hinweis der US-Behörde erreichte erst das Bundeskriminalamt (BKA) und dann das LKA in Hamburg. Während die Ermittlungen wegen des Mordkomplotts liefen, stand aber zunächst im Frühjahr der 56-Jährige vor einem Hamburger Gericht – da war Lena V. die Nebenklägerin.

Ex-Freund jetzt der Nebenkläger

Er soll, so der Vorwurf damals, seine Ex-Freundin geschlagen und mit einem Handy-Kabel gewürgt haben. Anfang Juni, nachdem die Ermittlungen einen dringenden Tatverdacht erhärtet hatten, führten Beamte Lena V. aus dem Gerichtssaal in die Haftanstalt ab; auch ihr Ehemann wurde verhaftet. Unmittelbar davor hatten Ermittler die Wohnung der Eheleute in Stuttgart durchsucht. Tom B. hingegen wurde Mitte Juni vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Jetzt ist Tom B. Nebenkläger und Lena V. die Angeklagte. Unverhofft kurz, aber gewohnt prägnant fällt am Donnerstag das „Opening Statement“ ihrer Verteidi­gerin aus. Heinecke bemängelt, dass die Staatsanwaltschaft keine Anstrengung unternommen habe, um den Betreiber der betrügerischen Website zu ermitteln. Dessen Identität sei aber für eine mögliche Strafzumessung von Bedeutung – nicht zuletzt weil solche Seiten den Entschluss für einen Auftragsmord begünstigen und als eine Art „Falle“ der Sicherheitsbehörden fungieren könnten.

Prozess in Hamburg: Ist Angeklagte psychisch krank?

Zudem liege noch kein Vorgutachten über den psychiatrischen Zustand der 49-Jährigen vor. Ihre Mandantin, so Heinecke, leide unter einer ernsthaften psychischen Erkrankung, die auch der Hintergrund des Verfahrens sei. Sie sei nicht mehr die Frau, die in Hamburg erfolgreich eine Praxis für ästhethische Chirurgie geführt habe, aber auch nicht mehr die Frau, die sich Ende 2021 in einer psychischen Ausnahmesituation befunden habe. Am nächsten Verhandlungstag werde Lena V. zu den Vorwürfen Stellung nehmen.