Tschentscher stellte am Abend die neuen Senatorinnen vor. Wirtschaft und Handwerk freuen sich auf Leonhard und Pein. Zum Blog.
Es kam wie ein Paukenschlag am Sonntagabend: Senatorin Dorothee Stapelfeldt (Stadtentwicklung und Wohnen, SPD) sowie der Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, Michael Westhagemann (parteilos), scheiden aus dem Senat aus.
Die bisherige Gesundheits- und Sozialsenatorin Melanie Leonhard soll Westhagemann ersetzen. Ihre Staatsrätin Melanie Schlotzhauer soll neue Gesundheits- und Sozialsenatorin werden. Die IBA-Chefin Karen Pein hat Bürgermeister Peter Tschentscher wiederum als neue Senatorin für Stadtentwicklung vorgeschlagen. Tschentscher informierte noch am Montag offiziell zu seiner Senatsumbildung.
Abendblatt.de hält Sie über die Umbildung des Hamburger Senats auf dem Laufenden:
- Tschentscher informiert zu Senatsumbildung
- Tschentscher stellt neue Senatorinnen vor
- Westhagemann kämpft mit den Tränen: "Es war mir eine Ehre"
- Melanie Schlotzhauer: Von der Staatsrätin zur Sozialsenatorin?
- Wohnungsbau-Chef: Stapelfeldt geht selbstbestimmt
- Hamburgs Wirtschaft und Handwerk freuen sich auf Leonhard
- Michael Westhagemann: Ausscheiden hat ernsten Hintergrund
- CDU nimmt auch Grote (SPD) und Gallina (Grüne) unter Beschuss
- Linke fordern vom Senat einen generellen Politikwechsel
- Personalie: Karen Pein kennt sich mit Wohnungsbau aus
- FDP reagiert mit ungewöhnlichem Statement
Tschentscher informiert zu Senatsumbildung
Bürgermeister Peter Tschentscher informierte am Montagabend im Rathaus offiziell zur Senatsumbildung. Er bedankte sich zunächst bei Michael Westhagemann und Dorothee Stapelfeldt für die "langjährige hervorragende Arbeit im Hamburger Senat".
Stapelfeldt habe als Senatorin für Stadtentwicklung "außerordentliche Erfolge" erzielt und Maßstäbe gesetzt, "die in ganz Hamburg als Vorbild gelten", so Tschentscher.
Michael Westhagemann habe in seiner Zeit als Senatsmitglied in wichtigen Zukunftsthemen "ganz wichtige Impulse" gesetzt und zudem einen neuen Hafenentwicklungsplan auf den Weg gebracht. "Man nennt ihn mittlerweile 'Mr. Hydrogen', denn er hat dafür gesorgt, dass die Wasserstoffwirtschaft in Hamburg in Schwung kommt und vorangebracht wird", sagte Tschentscher.
Tschentscher stellt neue Senatorinnen vor
Anschließend stellte der Bürgermeister die neuen Senatorinnen vor. SPD-Landeschefin Melanie Leonhard wechselt von der Sozial- in die Wirtschaftsbehörde. Sie habe die Stadt "gut durch die Pandemie geführt" und sei bundesweit bekannt als "exzellente Politikerin" im sozialpolitischen Bereich. Das liege vor allem an ihrer "großen politischen Erfahrung und Durchsetzungsstärke". Leonhard selbst sagte, dass sie sich für ihr neues Amt bereit fühle. Ihrer neuen Aufgabe sehe sie "mit großer Zuversicht und Schaffenskraft entgegen".
Nachfolgerin von Melanie Leonhard als Sozialsenatorin wird deren bisherige Staatsrätin Melanie Schlotzhauer. Als frühere Staatsrätin kenne sie die Behörde bereits sehr gut und habe gezeigt, dass sie schwierigen Aufgaben in anspruchsvollen Zeiten gewachsen ist.
Karen Pein, die neue Senatorin für Stadtentwicklung werden soll, sei bestens qualifiziert, die Arbeit von Stapelfeldt fortzuführen und gerade für den Wohnungsbau in schweren Zeiten neue Impulse zu setzen. "Ich freue mich auf dieses Amt, es ist eine große Ehre", sagte Pein am Montagabend.
Westhagemann kämpft mit Tränen: "War mir eine Ehre"
Auch die scheidenden Amtsträger äußerten sich am Abend zu der Umbildung. Stapelfeldt bedankte sich für lehrreiche Jahre. "Mein Engagement geht nicht in den Ruhestand", wandte sich Stapelfeldt an die Hamburgerinnen und Hamburger. Ihrer Nachfolgerin wünschte sie "das beste Gelingen" für ihre Amtszeit.
Michael Westhagemann kämpfte bei seiner Rede mit den Tränen. Er bedankte sich zunächst bei seinen Mitarbeitern und zählte wichtige Erfolge in seiner Amtszeit auf. Darüber, dass seine Nachfolgerin Melanie Leonhard sein werde, freue er sich sehr. "Sie wird dieses Amt mit Sicherheit gut weiterführen", so Westhagemann. "Es war mir eine Ehre", sagte der scheidende Wirtschaftssenator zum Abschied.
Melanie Schlotzhauer: Von der Staatsrätin zur Sozialsenatorin?
Neuland ist die Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration für Melanie Schlotzhauer nicht. Seit Juni 2020 ist sie dort als Staatsrätin für den Bereich Gesundheit zuständig. Die 1971 geborene Verwaltungswirtin und Politikwissenschaftlerin war Mitte der 1990-er Jahre für die Agentur für Arbeit in Hamburg tätig, später in Stabs- und Leitungsfunktionen im Berufsbildungswerk Hamburg.
Bis zu ihrem Wechsel in die Sozialbehörde war sie sieben Jahre lang Geschäftsführerin des Perspektiv-Kontors Hamburg, das sich um die Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt bemüht. Auch in der SPD ist Schlotzhauer verwurzelt: Bis 2013 war sie Kreisvorsitzende der SPD in Altona. Der Bezirksversammlung gehörte sie bis 2012 an.
VNW-Chef: Stapelfeldt wirkt „erleichtert“
Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) nimmt die scheidende Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt gegen Kritiker in Schutz und freut sich gleichzeitig auf die designierte Nachfolgerin Karen Pein.
„Frau Stapelfeldt hat mir gesagt, dass der Rückzug selbstbestimmt und dafür in ihrer persönlichen Lebensplanung genau der richtige Zeitpunkt ist“, sagte VNW-Chef Andreas Breitner im Gespräch mit dem Abendblatt. „Sie machte einen erleichterten, fröhlichen Eindruck und freut sich jetzt sichtlich auf einen neuen Lebensabschnitt.“
Es sei „in der Politik nicht immer selbstverständlich, dass man den Zeitpunkt selber bestimmen kann“, so Breitner. Stapelfeldt habe sich „große Verdienste um die städtebauliche Entwicklung Hamburgs erworben, weil sie sehr eng mit uns zusammengearbeitet und immer Wert darauf gelegt hat, dass Wohnungswirtschaft in Hamburg auch funktionieren kann“.
Zudem habe Stapelfeldt „mit hohem Engagement und Kompetenz“ die Rahmenbedingungen für bezahlbaren Wohnraum geschaffen. „Das ist in einer Stadt wie Hamburg, wo die Grundstücke so umkämpft sind, nicht so einfach“, so Breitner weiter: „Da rechne ich ihr hoch an, dass sie rund um die Uhr für uns ansprechbar war und geliefert hat. Deshalb ist ihr Rückzug bedauerlich.“
Den Eindruck von Kritikern, dass die Sozialdemokratin den Wohnungsbau nicht ausreichend vorangetrieben oder Ziele in der Stadtentwicklungspolitik nicht erreicht habe, teilt Breitner nicht. „Es gibt Faktoren, die sie nicht beeinflussen kann. Bestimmte Themen sind ja für uns gerade sehr ernst.“
Die Zusammenarbeit im Bündnis für das Wohnen sei gut gewesen. „Sie hat nach meiner Einschätzung das Beste gemacht und war ein enger Kooperationspartner für uns. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass so wirtschaftsnah gedacht, oftmals auch entschieden wird und das hat Hamburg geholfen.“
Wohnungsbau-Chef: Pein wird „Gas geben“
Mit Karen Pein komme nun eine Frau vom Fach, die wisse, wovon sie spricht (siehe auch diesen Eintrag). „Ich glaube, das wird ein reibungsloser Übergang mit Perspektive, weil Frau Pein sich in der Mitte ihres Berufslebens befindet“, sagte Breitner. „Ich glaube auch, dass sie richtig Gas geben wird, um den Erwartungen, die an sie gestellt werden, gerecht zu werden. Sie kommt ja in einer schwierigen Zeit, weil die Branche unter Druck steht.“
Mit der IBA habe der Verband gut Erfahrungen gemacht. „Ich finde, das ist ein guter Schachzug des Bürgermeisters und vielleicht auch der richtige Zeitpunkt, weil sie dem ganzen Thema nochmal neuen Schwung geben wird“, sagte der Wohnungsbau-Chef. „Sie guckt ja aus ihrer Geschäftsführung und ihrer Erfahrung heraus aus einer anderen Perspektive auf das Thema, dadurch öffnet sich wieder eine Tür.“
Die Zeiten seien für Stapelfeldts Nachfolgerin jedoch mehr als schwierig, befand Breitner: „Fehlende Grundstücke, Energiekrise, steigende Zinsen , Fachkräftemangel – in der Kombi ist das eigentlich eine Mission Impossible für Frau Pein, aber wir helfen ihr.“
Ob sie der Aufgabe gewachsen sei? „Es wurde die richtige Persönlichkeit ausgewählt, die die Voraussetzungen mitbringt. Ihr muss man Stadtentwicklung nicht erklären, sondern die betreibt sie seit Jahren. Es ist gut für Hamburg, wenn da jemand kommt, der sich mit Stadtentwicklung auskennt und auch schon konkrete Projekte realisiert hat. Sie kann den Nachweise führen, erfolgreich tätig zu sein. Alles, was die IBA in Wilhelmsburg gemacht hat, ist mehr als vorzeigbar und ihr Werk.“
Handwerkskammer: Leonhard-Wechsel „hervorragend“
Handwerkskammer-Präsident Hjalmar Stemmann hat den Wechsel von Melanie Leonhard ins Wirtschaftsressort als „hervorragende Nachricht“ aufgefasst. „Das Handwerk kennt sie als verlässliche Partnerin, beispielsweise im gemeinsamen Bemühen um die Integration Geflüchteter in qualifizierte Arbeit, etwa in den Klimaschutzberufen“, sagte Stemmann über Leonhard.
Erfreulich sei, dass die SPD-Politikerin das Amt für Arbeit und Integration aus ihrer alten in ihre neue Behörde mitnehmen soll. So könne das Thema Arbeit künftig „wieder enger mit dem Thema Wirtschaft verzahnt“ werden, so Stemmann.
Dem scheidenden Senator Michael Westhagemann sprach der Handwerkskammerchef seinen Dank als „engagierten Anwalt der Wirtschaft“ aus. „Gemeinsam haben wir den Masterplan Handwerk 2030 erarbeitet, der als Richtschnur politischen Handelns Bestand hat“, sagte Stemmann, der sich auch bei Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt für „die stets weitsichtige Zusammenarbeit“ bedankte.
Die Handwerkskammer sehe der Aufgabe, „eine Stadtentwicklung im Gleichgewicht zwischen Wohnungsbau und den Raumbedürfnissen der gewerblichen Betriebe“ zu schaffen, auch unter der Führung von Karen Pein „sehr gern entgegen“. Auch Melanie Schlotzhauer stehe das Handwerk „als Gestaltungspartner stets zur Verfügung“.
Wirtschaftsverein: Leonhard ist ein „Glücksfall“
Franziska Wedemann, Vorsitzende des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden, bezeichnet Melanie Leonhards Berufung zur Wirtschaftssenatorin als „Glücksfall“. Die bisherige Sozialsenatorin habe ihre Kompetenz unter anderem durch ihre Corona-Politik nachgewiesen.
Ich glaube auch, dass sie die starke Persönlichkeit hat, um mit dem grünen Koalitionspartner zurecht zu kommen“, sagte Wedemann weiter über Leonhard. „Zudem wird und wurde sie ja bereits als Bürgermeisterkandidatin gehandelt. Da wäre die Wirtschaftsbehörde ein wichtiger Baustein in der Karriere.“
Den Wechsel an der Spitze der Wirtschaftsbehörde sehe sie dennoch „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, so Wedemann: „Mit Michael Westhagemann hatte der Wirtschaftsverein einen kompetenten und dem Hamburger Süden wohl gesonnenen Senator. Aber das wird sich mit Leonhardt wohl fortsetzen.“
Westhagemann hört aus gesundheitlichen Gründen auf
Das Ausscheiden von Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) hat einen ernsten Hintergrund. Lesen Sie hier, welche Gründe der 65-Jährige dem Abendblatt am Montag für seine Amtsniederlegung nannte.
CDU: „Die Umbildung gibt keinen ausreichenden Neustart“
Dennis Thering, Fraktionsvorsitzender der CDU im Senat kritisiert den Personalwechsel als unzureichend. „Mit dieser Rochade wird der Neustart nicht gelingen“, so der 38-Jährige. Vor allem Wirtschaftssenator Westhagemann sei nach Ansicht Therings mit seiner „aktiven Wirtschaftspolitik am Widerstand von SPD und Grünen gescheitert.“
Dass auch Stadtentwicklungssenatorin Stapelfeldt mit der Zeit amtsmüde geworden sei, stünde laut Thering schon länger im Raum, schließlich seien die Jahre der Erfolgsmeldungen beim Wohnungsbau mittlerweile vorbei.
„Ein notwendiger Neuanfang wird dem rot-grünen Senat mit dieser Rochade nicht gelingen“, sagte Thering. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum nicht auch weitere Senatoren wie Innensenator Andy Grote (SPD) und Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) ausgewechselt werden. „So heißt es nur 'weiter so' und das ist für Hamburg zu wenig.“
Linke: „Wir brauchen einen Politikwechsel“
Für die Hamburger Linken ist die möglicherweise geplante Umbildung des Senats noch nicht die richtige Lösung und sie fordern stattdessen einen Politikwechsel des rot-grünen Senats. So eine Mitteilung der Fraktionsvorsitzenden Sabine Boeddinghaus und Cansu Özdemir.
„Immer mehr Menschen haben Angst, ihre Wohnung zu verlieren oder seien schon wohnungslos. Und viel zu viele Hamburger und Hamburgerinnen wissen nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. SPD und Grüne müssen endlich gegensteuern.“
Das zeichnet die neue Senatorin Karen Pein aus
Die bisherige Geschäftsführerin der IBA Hamburg GmbH bringt Expertise mit, sie hatte sich mit ihrer Doppelqualifikation als Stadtplanerin und Immobilienexpertin an der Spitze der IBA durchgesetzt. Nun soll die 49-Jährige Senatorin für Stadtentwicklung werden.
Die 1973 geborene Sozialdemokratin hat an der Technischen Universität Hamburg-Harburg Städtebau/Stadtplanung studiert. Seit 2015 ist sie Geschäftsführerin der IBA Hamburg GmbH. Die IBA war für die Organisation der Internationalen Bauausstellung 2013 in Wilhelmsburg und Harburg zuständig.
Im Anschluss wurde die städtische Gesellschaft damit beauftragt, große Stadtentwicklungsprojekte voranzutreiben – unter anderem die Bebauung der früheren Röttiger-Kaserne in Neugraben (800 Wohneinheiten). Pein ist mit dem SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Milan Pein verheiratet.
FDP lobt scheidende Senatoren
Versöhnliche Worte kommen von der FDP. Deren Bürgerschaftsabgeordnete Anna sagt: „Den Senatoren Stapelfeldt und Westhagemann möchte ich für Ihre geleistete Arbeit in schwieriger Zeit danken.“
Stapelfeldt habe versucht, das Bündnis für Wohnen als Erfolgsgarant für gelingenden Wohnungsbau gegen Tendenzen staatlicher Lenkung am Leben zu halten, so die Abgeordnete weiter. Michael Westhagemann habe indes der Wirtschaft im Rathaus eine Stimme gegeben und den Hafen gegen Umwidmungsversuche verteidigt.
Die Politik beider Senatoren habe sich letztendlich gegen die zunehmend wirtschaftsfeindlichere Haltung von Rot-Grün nicht durchsetzen können.