Hamburg. Weniger Raserei als noch vor fünf Jahren – neue Messungen zeigen eine enorme Verbesserung. Aber nicht überall.

Hamburgs Autofahrer rasen weniger als noch vor einigen Jahren – neue Messungen zeigen eine enorme Verbesserung. Aber: Immer noch fährt in Tempo 50-Bereichen alle vier Minuten jemand schneller als 80 Stundenkilometer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unfallforschung der Versicherer. Und einige Straßen stechen besonders hervor mit Negativ-Geschwindigkeitsrekorden.

Verkehr Hamburg: Deutliche Verbesserung auf den Straßen

Fünf Jahre nach dem schlechten Abschneiden Hamburgs beim Geschwindigkeitsvergleich der vier deutschen Millionenstädte Köln, Berlin, München und Hamburg haben aktuelle Messungen nun eine deutliche Verbesserung gezeigt.

Demnach ist die Zahl der Fahrzeuge, die in 50er-Bereichen schneller als 55 Stundenkilometer fuhren, um 46 Prozent zurückgegangen. Neun von zehn Fahrer und Fahrerinnen hielten sich nun an das Tempolimit. Diese Bilanz stellte der Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), Siegfried Brockmann, am Dienstag in Hamburg vor. Auch bei Tempo 30 oder in verkehrsberuhigten Bereichen seien erhebliche Rückgänge feststellbar.

Fast alle Autofahrer fahren nicht schneller als 55 Stundenkilometer

„90 Prozent der Autofahrer fahren nicht schneller als 55 Stundenkilometer. Das finde ich beeindruckend“, so Siegfried Brockmann. „Das ist ein Riesenerfolg.“

Die Zahl sei auch deshalb so imposant, da die 34 Messgeräte, mit denen stadtweit gemessen wurde, für den Autofahrer gar nicht sichtbar waren – im Gegensatz zu fest installierten Blitzgeräten oder Blitzanhängern.

Allgemein lässt sich sagen: „Je geringer die Höchstgeschwindigkeit ist, desto schwerer fällt es den Autofahrern, sich an das vorgegebene Tempo zu halten.“ Wenn also Tempo 30 das Ziel ist, sollte Tempo 20 als Höchstgeschwindigkeit ausgewiesen sein.

Anders als 2017 konnten für die aktuelle Untersuchung lediglich in München und Hamburg die Messungen in den gleichen Straßen wie damals wiederholt werden, weil die anderen Städte sich nicht beteiligten. In der Hansestadt wurde die Geschwindigkeit jeweils im Frühsommer an 33 Straßen untersucht, 24 Stunden lang und in beide Richtungen.

Blitzgeräte der Stadt Hamburg sorgen für Disziplin

Für die zunehmende Disziplin der Autofahrer spielten laut Brockmann mehrere Faktoren eine Rolle. Neben den gestiegenen Preisen für Benzin und Diesel sowie den höheren Bußgeldern nach der Bußgeldnovelle von 2021 sind es vor allem die mobilen Blitzanhänger und die fest installierten Blitzer, die die große Verhaltensveränderung brachten. Da ist Hamburg Vorreiter.

Keine andere Millionenstadt habe so viel in diese Geräte investiert. Bis Mitte 2019 verfügte die Stadt nur über vier Anhänger, laut Brockmann sind insgesamt 19 geplant. „Mit dieser Ausrüstung ist es erstmals möglich gewesen, Flächendruck aufzubauen, also die Wahrscheinlichkeit deutlich zu erhöhen, ertappt zu werden. Hamburg hat seine Hausaufgaben gemacht und so die Straßen vor allem für den Rad- und Fußverkehr sicherer gemacht“, so Brockmann.

Gleichzeitig mahnt der Leiter der UDV die Politik, noch mehr mit den Autofahrern in den Dialog zu treten. Denn zufriedenstellend seien diese Ergebnisse keinesfalls. In Tempo 50-Bereichen fahre immer noch alle vier Minuten jemand schneller als 80 Stundenkilometer.

In diesen Straßen waren die Geschwindikeitsübertretungen besonders hoch

Weiterhin Sorgen bereiteten Raser, die teilweise mit mehr als dem Doppelten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemessen wurden.

Beispiel Rodigallee in Jenfeld: Dort ist Tempo 50 erlaubt, die gemessene Spitzengeschwindigkeit lag bei 118 Stundenkilometern um 20.45 Uhr. Dass es sich um ein Einsatzfahrzeug der Polizei handelte, sei möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, so Brockmann.

Beispiel Kedenburgstraße in Wandsbek: In der 30er Zone wurde morgens um 6.45 Uhr eine Spitzengeschwindigkeit von 76 Stundenkilometern gemessen.

Und in der Spreestraße in Lurup, wo Tempo 30 gilt, wurden nachts um 0.45 Uhr 122 Stundenkilometer gemessen.

Verkehrsdichte lässt ein Rasen in Hamburg oft gar nicht zu

Und nicht sicher ist, ob Hamburgs Autofahrer tatsächlich disziplinierter geworden sind, oder ob sie einfach aufgrund der Verkehrsdichte gar nicht schneller fahren können. Siegfried Brockmann ist sich sicher: „Die Leute würden deutlich schneller fahren, wenn sie es denn könnten. Das habe unsere Messungen ergeben.“

Denn: frei fahrende Fahrzeuge, also Autofahrer, die niemanden unmittelbar vor sich fahren haben, fahren deutlich häufiger zu schnell und überschreiten die zugelassene Höchstgeschwindigkeit drastisch. Brockmann: „Das lässt befürchten, dass viele nicht aus Einsicht handeln, sondern weil sie durch Vorausfahrende „eingebremst“ werden.“

Statt noch mehr Überwachung lieber Aufklärung

Von noch stärkerer Überwachung der Autofahrer hält Siegfried Brockmann allerdings nicht viel. Er appelliert stattdessen an die Einsicht der Autofahrer, die sich ihrer Verantwortung noch viel stärker bewusst werden müssten. Sein Rat an Hamburgs Politik und Polizei: Aufklärung.

„Wenn die Stadt noch etwas tun möchte, müsse sie in einen verstärkten Dialog über die Gefahren hoher Geschwindigkeiten investieren.“ So müssten den Autofahrern klar gemacht werden, dass eine zugelassene Höchstgeschwindigkeit nicht immer bedeutet, auch so schnell fahren zu dürfen.

Verkehr Hamburg: Geschwindigkeit der Situation anpassen

Brockmann: „Man muss seine Geschwindigkeit der Verkehrssituation anpassen. Wenn ein Kind am Fußweg Ball spielt, sind 30 Stundenkilometer, obwohl zugelassen, schon zu viel.“ Weitere Möglichkeiten, die Autofahrer vom Rasen abzubringen: Die Bundesregierung sollte die Bußgelder weiter erhöhen und eher Punkte vergeben: „Denn wer es sich finanziell leisten kann, ist über Bußgelder nicht vom Rasen abzubringen.“