Hamburg. Bauunternehmen üben Kritik an der Einigung von SPD und Grünen mit den Volksinitiativen. Bürgerschaft beschließt rot-grünen Antrag.
Deutlich verschärfte Regeln für die Hamburger Wohnungsbaupolitik – darauf hatten sich die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen jüngst mit Vertretern zweier Volksinitiativen geeinigt, die 2019 unter dem Motto „Keine Profite mit Boden & Miete“ angetreten waren.
Anhaltend scharfe Kritik an der Einigung kommt aus der Wohnungswirtschaft. „Wir werden unter diesen Bedingungen nicht mehr investieren“, sagt Jan Petersen, stellvertretender Landesvorsitzender des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen und Geschäftsführer bei Aug. Prien.
Wohnungswirtschaft: Hamburger Wohnungsbaupolitik kann nicht funktionieren
Die neue Wohnungsbaupolitik sei weder durchdacht, noch könne sie funktionieren. Wenn städtische Grundstücke in Zukunft nur noch im Erbbaurecht vergeben würden, schieden Genossenschaften und freie Investoren aus, weil Banken sich dann aus der Finanzierung zurückzögen.
Mit der einseitigen Fokussierung auf den sozialen Wohnungsbau verabschiede sich der Senat zudem vom erfolgreichen Drittelmix: Bislang würden wegen des Drittelmixes rund ein Drittel Sozialwohnungen, ein weiteres Drittel frei finanzierte Mietwohnungen und ein Drittel Eigentumswohnungen gebaut. Das schafft nicht nur eine soziale Durchmischung, sondern erlaubt Investoren auch eine Quersubvention über den Bau von Eigentumswohnungen.
Dieser Mechanismus funktioniere dann nicht mehr: Zum einen lassen sich Eigentumswohnungen mit Erbbaurecht kaum verkaufen. Zum anderen droht durch den gesetzlich verpflichteten Bau von zusätzlich jährlich rund 1000 Sozialwohnungen mit einer 100-jährigen Mietpreisbindung die Entwicklung der Quartiere zu kippen.
Wohnungswirtschaft: „Wir werden verstärkt ins Umland abwandern“
„Wir wiederholen sehenden Auges die Fehler der 60er-Jahre und schaffen Großquartiere voller Probleme“, warnt Petersen. „Das kann nicht funktionieren – und dann funktioniert das ganze Quartier nicht mehr, und keiner investiert.“ Sein Unternehmen werde sich in Zukunft auf private Grundstücke fokussieren, die durch die Senatsentscheidung in Zukunft noch teurer werden dürften. „Und wir werden verstärkt ins Umland abwandern – in Schleswig-Holstein gibt es attraktive Förderbedingungen.“
Viele Genossenschaften investierten in Zukunft lieber in die energetische Sanierung als den Neubau. „Dieser Kompromiss ist toxisch – am Ende bauen dann nur noch die städtischen Gesellschaften Saga und Fördern + Wohnen.“ Auch für das Bündnis für das Wohnen befürchtet Petersen das Schlimmste. „Bislang hat die Republik mit Bewunderung auf das Hamburger Modell geblickt. Nun hat Rot-Grün dieses Modell aus Angst vor einer Volksinitiative abgeräumt.“ Besonders kritisiert Petersen die Verankerung in der Verfassung: „Sie führt dazu, dass diese Regelungen nicht rückgängig gemacht werden können, wenn sie sich als Rohrkrepierer erweisen.“
Wohnen in Hamburg: Opposition kritisiert Einigung mit Volksinitiativen
Über den entsprechenden rot-grünen Antrag wurde am Mittwoch auch in der Bürgerschaft heftig diskutiert. Anke Frieling (CDU) sprach von einer „dramatischen Aushöhlung der Demokratie“ und bezeichnete die Einigung als „Paradigmenwechsel in der Bodenpolitik“. Der Wohnungsmarkt werde mit „regulativen Eingriffen“ weiter geschädigt, warnte Alexander Wolf (AfD). Die fraktionslose FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein bezeichnete die Einigung schon vor der Sitzung als eine „politische Fehlentscheidung“ und die Ausgestaltung als „ideologische Instrumente aus der sozialistischen Mottenkiste“.
Wie berichtet, sieht der Kompromiss mit den Initiativen vor, dass die Stadt Grundstücke nur noch in wenigen Ausnahmefällen verkaufen darf. Stattdessen sollen sie in Erbpacht vergeben werden - was in der Verfassung verankert werden soll. Zudem sollen in Hamburg künftig pro Jahr 1000 Sozialwohnungen mit einer 100-jährigen Mietpreisbindung entstehen.
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SPD und Grüne verteidigen erzielte Ergebnisse
SPD und Grüne verteidigten die erzielten Ergebnisse. Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen betonte, dass die reine Markttheorie im Wohnungsmarkt versage und dem Ausverkauf von Grund und Boden, der häufig zu Anfang des Jahrtausends stattgefunden habe, nun „deutliche Schranken“ gesetzt werden. Hamburg setze auch auf Bundesebene neue Impulse, hob SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf hervor. Linken-Politikerin Heike Sudmann lobte den rot-grünen Vorstoß ebenfalls. Der Aufschrei von CDU und Wohnungswirtschaft sei zu erwarten gewesen, sagte sie.
Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Linken wurde der Antrag mehrheitlich beschlossen. Die Vereinbarung zur Bodenpolitik, die eine Verfassungsänderung notwendig macht, wurde an den Verfassungsausschuss überwiesen und soll Anfang 2023 in die Bürgerschaft eingebracht werden.