Hamburg. Nach dem Verlust der rot-grünen Mehrheit könnte die FDP für die entscheidenden Stimmen sorgen. Doch die Liberalen stellen Forderungen.

Die Berliner Ampel lässt grüßen: Wie im Bundestag dürfte es auch in der Bezirksversammlung Wandsbek auf ein Dreier-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP hinauslaufen, nachdem die rot-grüne Koalition nach drei Austritten aus der Grünen-Fraktion ihre Mehrheit verloren hatte. Allerdings: Bis die Ampel in Wandsbek blinkt, werden noch mehrere Wochen vergehen. Beteiligte gehen davon aus, dass die Koalitionsgespräche bis Weihnachten dauern können.

Grundsätzlich haben SPD und Grüne bekräftigt, ihr Bündnis fortsetzen zu wollen, benötigen dafür aber einen dritten Partner. Die SPD als größte Fraktion hat in einem ersten Zug Sondierungsgespräche mit FDP, Linken und der CDU geführt, mit der rechnerisch auch ein Zweierbündnis möglich wäre. „Wir haben mit allen Dreien gute und konstruktive Gespräche geführt“, sagte der SPD-Kreisvorsitzende und Finanzsenator Andreas Dressel. Jetzt gehe es darum, die Grünen einzubinden.

SPD: Sondierung mit CDU, FDP und Linken

Am Sonntag hatten die Sozialdemokraten den Grünen über die Ergebnisse der Sondierungen berichtet. Offiziell mag sich niemand dazu äußern, mit wem die Chancen auf ein Dreier-Bündnis am größten sind und wer das Angebot zur Aufnahme formeller Koalitionsgespräche erhalten soll, aber hinter vorgehaltener Hand zeichnet sich deutlich ab, dass es auf die Liberalen hinauslaufen dürfte.

„Das erste Gespräch mit der SPD war nicht unkonstruktiv. Es gibt spannende Schnittmengen“, sagte FDP-Fraktionschefin Birgit Wolff dem Abendblatt, die nun mit einer Einladung zum Gespräch seitens der Grünen rechnet. Dabei könne der Bereich der Verkehrspolitik aufgrund unterschiedlicher Auffassungen besonders schwierig werden. „Wir gehen konstruktiv an die Herausforderungen heran“, sagte Wolff. Ein „Weiter so“ werde es mit der FDP allerdings nicht geben. Sollte es zu Koalitionsgesprächen kommen, bestehen die Liberalen darauf, dass ein neuer Vertrag verhandelt und nicht der bestehende rot-grüne Pakt nur um ein paar „gelbe“ Punkte ergänzt wird.

CDU lehnt Koalition mit SPD und Grünen ab

Deutlich zurückhaltender reagierte Linken-Fraktionschefin Anke Ehlers. „Das Gespräch mit der SPD war freundlich. SPD und Grüne wollen eine feste Koalition, wir wären für wechselnde Mehrheiten. Das wäre gut für Wandsbek, auch weil es zu mehr inhaltlichen Diskussionen in der Bezirksversammlung führen würde“, sagte Ehlers. Sollte Rot-Grün den Linken – wider Erwarten – ein Angebot zu Koalitionsgesprächen machen, müsste eine Kreismitgliederversammlung der Partei darüber entscheiden.

Dagegen haben die Christdemokraten bereits nach der Sondierung mit dem Thema einer möglichen Koalitionsbeteiligung abgeschlossen. „Die SPD sucht nur ein Anhängsel für ihre gescheiterte rot-grüne Koalition. Das ist mit uns nicht zu machen“, sagte der CDU-Kreisvorsitzende und Bürgerschafts-Fraktionschef Dennis Thering. „Wir sind nicht der Steigbügelhalter für eine Koalition ohne Mehrheit, die seit Jahren Politik gegen den breiten Bürgerprotest in den Stadtteilen macht.“

Grünen lassen Kreismitglieder entscheiden

Die CDU-Fraktionschefin Natalie Hochheim erklärte, der SPD fehle „offensichtlich der Mut für einen echten Neuanfang“. Gern hätte die CDU ihre Arbeit in eine stabile Koalition eingebracht. „Das hätte die Chance eröffnet, die schlimmsten rot-grünen Verkehrsprojekte wie am Berner Heerweg oder der Rodigallee zu beerdigen und neue Impulse für Wandsbek zu setzen“, sagte Hochheim.

Nach den Worten der Grünen-Kreisvorsitzenden Katja Rosenbohm wird es bis Anfang kommender Woche dauern, ehe die Grünen sich festlegen, wie es weitergehen soll. Über die Frage, mit welcher Partei formelle Koalitionsgespräche aufgenommen werden, solle eine Kreismitgliederversammlung entscheiden.

Wahl des Bezirksamtsleiters spielt zentrale Rolle

Die SPD will die Grünen nicht unter zeitlichen Druck setzen. „Wandsbek braucht Stabilität und Verlässlichkeit“, sagte Dressel. Nach den Worten des Wandsbeker SPD-Fraktionschefs Marc Buttler könne es „bis Ende des Jahres dauern, bevor ein Koalitionsvertrag in trockenen Tüchern ist“.

Bei den möglichen Koalitionsgesprächen dürfte auch das Thema Bezirksamtsleiterwahl eine zentrale Rolle spielen. Die Amtszeit von Thomas Ritzenhoff (SPD) endet am 1. Juli 2023. Ritzenhoff würde wohl gern weitermachen, hat aber eventuell parteiinterne Konkurrenten. Die FDP (wie auch die CDU) möchte den Posten öffentlich ausschreiben, was die SPD ablehnt.

Bei den Grünen hat intern die Aufarbeitung der Ereignisse der vergangenen Wochen mit den Austritten von drei der 15 Fraktionsmitglieder begonnen. Zwei der Abtrünnigen – Frauke Häger und Ex-Fraktionschef Oliver Schweim – behalten als Fraktionslose ihre Mandate. Für Jan Otto Witt, der sein Mandat wegen seines Umzugs nach Ahrensburg niedergelegt hat, ist Maria von Trotha nachgerückt. Die Parteilose wollte aber nicht Mitglied der Grünen-Fraktion werden, wodurch die rot-grüne Mehrheit kippte.

Wandsbeker Grünen seit 2018 stark gewachsen

„Wir haben auf der Mitgliederversammlung eine große Aussprache zu dem Thema gehabt. Die Basis unterstützt den Kurs des Partei- und Fraktionsvorstands. Dass Nicht-Mitglieder aufgestellt werden, wird uns nicht wieder passieren“, sagte Rosenbohm. Denn: Nach dem Erfolg bei den Bezirkswahlen 2019 habe die Partei einen deutlichen Mitgliederzuwachs erfahren. „Wir sind von 200 auf 630 Mitglieder in den vergangenen vier Jahren in Wandsbek gewachsen“, sagte Rosenbohm. Außerdem gebe es jetzt grüne Stadtteilgruppen, was die Verankerung verstärke.