Hamburg. Die SPD will möglichst mit den Grünen weiter regieren – und führt Sondierungsgespräche mit drei weiteren Parteien.

Nach dem Aus der rot-grünen Koalition in der Bezirksversammlung Wandsbek hat die Suche nach einer neuen Mehrheit begonnen. Für die SPD als größte Fraktion sollen der Kreisvorsitzende und Finanzsenator Andreas Dressel und Bezirksfraktionschef Marc Buttler Sondierungsgespräche mit FDP, Linken und CDU führen. „Wir wollen so schnell wie möglich eine stabile Mehrheit für Wandsbek erreichen – möglichst gemeinsam mit den Grünen“, sagte Dressel im Gespräch mit dem Abendblatt. Denkbar wären Dreier-Bündnisse aus SPD (16), Grünen (zwölf) und FDP (vier) oder der Linken (vier), die jeweils auf 32 der 57 Abgeordneten kämen.

Rechnerisch hätten auch Sozialdemokraten und Christdemokraten (13 Sitze) eine hauchdünne Ein-Stimmen-Mehrheit. Übrigens: Auch Jamaika – ein Bündnis aus CDU, Grünen und FDP – wäre möglich, gilt aber als sehr unwahrscheinlich. „Ich habe den drei Fraktionsvorsitzenden von CDU, FDP und Linken Gespräche angeboten. Termine gibt es noch nicht“, sagte SPD-Fraktionschef Marc Buttler. Die Sozialdemokraten wollen sich möglichst bis Mitte November festlegen, wie es im Bezirk politisch weitergehen soll.

Wandsbek: Drei Abgeordnete verließen die Grünen-Fraktion

Wie berichtet haben drei der ursprünglich 15 Abgeordneten die Grünen-Fraktion innerhalb weniger Wochen verlassen. Frauke Häger und Ex-Fraktionschef Oliver Schweim gehören der Bezirksversammlung nun als fraktionslose Abgeordnete an. Der Verkehrspolitiker Jan Otto Witt hatte sein Mandat wegen eines Umzugs nach Ahrensburg aufgegeben. Am Sonntag erklärte nun die Nachrückerin Maria von Trotha, sie wolle das Mandat zwar annehmen, aber nicht Teil der Grünen-Fraktion werden.

Es ist eine etwas kuriose Situation: Von Trotha ist zwar kein Parteimitglied, sagte aber noch vor einer Woche dem Abendblatt: „Ich bin sehr grün-affin und habe seit 1982, als ich das erste Mal wählen durfte, immer grün gewählt.“ Nun also die Kehrtwende. „Frau von Trotha redet nicht mit uns. Ihre Gründe kennen wir nicht“, sagte Grünen-Fraktionschefin Julia Chiandone, die von Trotha aufforderte, ihr Mandat an die Partei zurückzugeben.

„Die Koalition hat über viele Jahre gut funktioniert"

Die Grünen-Fraktionschefin betonte die bislang gute Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten. „Wir sind mit der SPD in engem Austausch. Wir wollen Rot-Grün zusammenhalten“, sagte Chiandone, aus deren Sicht die FDP der geeignete dritte Partner wäre. „Mit der CDU tut sich die SPD keinen Gefallen“, sagte die Grünen-Politikerin. Auf der SPD-Seite ist man von den Turbulenzen in der Grünen-Fraktion genervt. „Es ist schon unglücklich, jemanden auf der Bezirksliste aufzustellen, der nicht Mitglied der Partei ist und dann auch nicht Mitglied der Fraktion werden will“, sagte Fraktionschef Buttler.

Bei den Grünen will man von grundsätzlichen Problemen innerhalb der Fraktion oder der Koalition mit der SPD nichts wissen. „Die Koalition hat über viele Jahre gut funktioniert und nur durch eine unglückliche Verkettung von Einzelfällen auf unserer Seite ihre Mehrheit verloren“, sagte die Landesvorsitzende Maryam Blumenthal, die vor ihrer Wahl in die Bürgerschaft selbst Fraktionsvorsitzende in Wandsbek war, dem Abendblatt. Sie betonte: „Rot und Grün wollen in Wandsbek weiterhin zusammenarbeiten -- da sind wir uns mit der SPD einig. Wir müssen nun schauen, wie wir mit einer ergänzten Konstellation wieder Stabilität schaffen.“

"Ball liegt zunächst bei der SPD"

Der bestehende Koalitionsvertrag sei dafür die Basis, „muss aber natürlich angepasst werden“, so Blumenthal. „Auch über die Bezirksamtsleitung werden wir gemeinsam entscheiden, hier liegt der Ball aber zunächst bei der SPD.“ Für eine Ampel, also ein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP, liegt hier jedoch ein Knackpunkt: Denn die FDP plädiert dafür, den wichtigen Posten des Verwaltungschefs auszuschreiben. Kompetenz müsse vor Parteibuch gehen, sagte die FDP-Fraktionschefin Birgit Wolff. Ohnehin reißen sich die Liberalen nicht um den Eintritt in die Koalition, sondern würden am liebsten auf wechselnde Mehrheiten setzen, wie sie in anderen Bezirken wie Bergedorf oder Eimsbüttel praktiziert wurden oder werden.

„Das wäre für Wandsbek die beste Lösung“, findet Wolff. Dennoch sei man grundsätzlich gesprächsbereit, sofern es denn möglich sei, die eigenen Werte und Ziele mit einzubringen. Als Beispiele nannte Wolff den von der FDP abgelehnten Umbau der Rodigallee von vier auf zwei Fahrspuren, die Verbesserung der ÖPNV-Angebote in den Randgebieten und die verstärkte Bildung von Wohneigentum.

CDU: „Wir sind natürlich gesprächsbereit"

„Wir sind natürlich gesprächsbereit. Das gehört sich so. Ich sehe auch nicht, warum man eine gescheiterte Koalition noch künstlich am Leben halten soll“, sagte der CDU-Kreisvorsitzende und Bürgerschaftsfraktionschef Dennis Thering . Allerdings nennt Thering eine zentrale Bedingung für ein rot-schwarzes Bündnis: „Mit uns wird es nicht möglich sein, Thomas Ritzenhoff noch einmal zum Bezirksamtsleiter zu wählen.“ Die CDU besteht darauf, dass es eine Ausschreibung für den Posten des Bezirksamtsleiters gibt.

Die Amtszeit des nicht unumstrittenen Sozialdemokraten endet am 1. Juli 2023. Der 60 Jahre alte Ritzenhoff, der seit elf Jahren an der Spitze des Bezirksamtes steht, würde dem Vernehmen nach gern bis zu seiner Pensionierung weitermachen. Allerdings sollen auch der Fraktionsvorsitzende Buttler und die Wandsbeker SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Anja Quast Interesse an dem Job haben.

Wandsbek: SPD und Grüne verhinderten Abstimmung

Das Thema Bezirksamtsleiter hat jüngst zu einem Eklat in der Bezirksversammlung geführt: Als die CDU die nach dem Abgang von Jan Otto Witt nicht mehr vorhandene rot-grüne Mehrheit ausnutzen und per Antrag ein Bekenntnis zur Ausschreibung des Postens durchsetzen wollte, verließen SPD und Grüne empört den Saal und verhinderten so eine Abstimmung. Bei der SPD wird der CDU-Antrag nicht gerade als Bewerbungsschreiben für einen Koalitionswechsel gesehen.