Hamburg. Nach drittem Austritt erhebt Nachrückerin schwere Vorwürfe gegen Grüne und Parteichefin. SPD sucht neuen Partner für Koalition.

Das durch die Grünenfraktion verursachte Chaos in der Bezirksversammlung Wandsbek entwickelt sich allmählich zum Debakel für die Partei. Nachdem drei Abgeordnete die Fraktion verlassen hatten und sich eine für die Grünen angetretene parteilose Nachrückerin weigerte, der Fraktion beizutreten, hat die rot-grüne Koalition keine Mehrheit mehr. Nun hat die 2019 auf Grünenticket angetretene und jetzt nachrückende Maria von Trotha auch noch schwere Vorwürfe gegen die Fraktion und Hamburgs Grünenchefin Maryam Blumenthal erhoben.

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In einer Stellungnahme, die sie dem Abendblatt schickte, schreibt von Trotha, es liege „auf der der Hand“, dass sie nicht in die Grünenfraktion eintrete, „denn langjährige, erfahrene, profilierte und bei Wählern sehr beliebte Mitglieder der Fraktion wurden aus Funktionen und Ämtern, sogar aus der Partei gedrängt“.

Wandsbek: Nachrückerin begründet Nein zu Grünen: „Mitglieder rausgeekelt“

Und weiter: „Hat sich nach meinem Engagement auf der Grünen Liste … zum Beispiel Frau Blumenthal bei mir bedankt? Hat man mir eine Mitgliedschaft angeboten? Nein, man hat sich nur darum gekümmert, kompetente Mitglieder wie zum Beispiel Oliver Schweim rauszuekeln, in stasiähnlicher Manier. Und sich vorwiegend um die eigenen Karrieren gekümmert.“ Sie wolle ihr „Ehrenamt … in der Bezirksversammlung mit Wertschätzung allen engagierten Mitgliedern gegenüber, mit grünen Werten fest im Blick ausüben“, so von Trotha.

Der frühere Fraktionschef Schweim hatte die Grünenfraktion kürzlich verlassen und gehört der Bezirksversammlung nun als fraktionsloser Abgeordneter an – ebenso wie Frauke Häger, die vor Längerem ausgetreten war. Zuletzt hatte auch der Verkehrspolitiker Jan Otto Witt die Fraktion verlassen, wegen eines Umzugs zwar – aber gleichwohl verbunden mit Kritik. Er monierte „ein fehlendes Miteinander, kaum politische Aktionen oder Debatten“ und seine „fehlende Einbindung bei Projekten zur Mobilitätswende“.

Wandsbeks Grüne kontern: „Vorwürfe völlig haltlos“, Stasivergleich „unangemessen“

Nach der Bezirksversammlungswahl hatten die stark gewachsenen Grünen auch in anderen Bezirken mit internen Problemen zu kämpfen. In Mitte spaltete sich die Fraktion, in Eimsbüttel scheiterte eine Grünenkandidatin zweimal bei der Wahl zur Bezirksamtsleiterin.

Die Wandsbeker Grünen-Fraktionschefin Julia Chiandone wies die Kritik der Nachrückerin jetzt deutlich zurück. „Die Vorwürfe von Frau von Trotha sind völlig haltlos. Das Wort ‘stasiähnliche Manier’ finde ich völlig unangemessen – das ist eine Ohrfeige für alle Opfer der Diktatur. Sie hat in den letzten Jahren seit ich Fraktionsvorsitzende bin, weder mit mir noch mit dem Kreisvorstand Kontakt gehabt.“

Wandsbek-Eklat an der Haustür: Grünenpolitiker vom Grundstück geworfen?

Die frühere Wandsbeker Kreisvorsitzende und heutige Grünen-Landesvorsitzende Maryam Blumenthal sagte: „Die erhobenen Vorwürfe weise ich entschieden zurück, sie sind völlig absurd.“ Von Trotha habe „auf Initiative ihres Mannes, der zu dem Zeitpunkt Mitglied im Kreisvorstand Wandsbek war, auf einem vermeintlich aussichtslosen Listenplatz kandidiert um die Partei, der sie nahestand, aber nicht beitreten wollte, im Wahlkampf zu unterstützen“, so Blumenthal. „Ich habe sie seit der Listenaufstellung nie wieder gesehen, auch nicht im Wahlkampf.“

Laut Schilderung von Grünen war es kürzlich bereits zu einem Eklat gekommen. Zwei Grünenvertreter hätten von Trotha zu Hause aufgesucht, um sie mit einem Blumenstrauß als Nachrückerin zu begrüßen. Sie seien von ihr aufgefordert worden, das Grundstück zu verlassen, sonst werde sie die Polizei rufen, hieß es. Von Trotha war für eine Stellungnahme zu dem Vorwurf nicht zu erreichen.

Wandsbek: Rot-grüne Mehrheit futsch – SPD sucht neuen Partner

Unklar ist derweil, welche Koalition Wandsbek künftig die Mehrheit haben könnte. Die SPD führe nun Gespräche mit CDU, FDP und Linken, sagte SPD-Fraktionschef Marc Buttler dem Abendblatt. Dabei soll ausgelotet werden, ob eine weitere Partei in die rot-grüne Koalition aufgenommen wird, die keine eigene Mehrheit mehr hat. Mit wechselnden Mehrheiten wolle man nicht arbeiten, so Buttler. „Wir wünschen uns stabile Verhältnisse für Wandsbek.“