Dr. Matthias Riedl sagt, die Strategie der vielen kleinen Mahlzeiten sei überholt. Was der Verzicht beim Intervallfasten bringt.
- Ernährungs-Doc Matthias Riedl: Beim Intervallfasten geht es um Pausen zwischen Mahlzeiten
- Menschen, die häufig Snacks essen, sind unkonzentrierter
- Die Studienlage zum Intervallfasten sei aber nicht eindeutig, sagt Ernährungs-Doc Riedl
Der nächste Schokoriegel liegt meist in Reichweite, die Keksdose oder Chipstüte häufig auch. Doch dieses ständige Zwischendurchessen ist dem Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl ein Dorn im Auge: „Wir brauchen vier, fünf Stunden Pausen zwischen den Mahlzeiten. In dieser Pause kann der Insulinspiegel sinken. Insulin ist ein fettaufbauendes Hormon. Und wenn ich ständig esse, habe ich ständig Insulin im Blut und ich bin ständig im Fettaufbaumodus.“
In der neuen Folge des Podcasts „Dr. Matthias Riedl – so geht gesunde Ernährung“ erklärt der Ärztliche Leiter des Medicum Hamburg, was Intervallfasten bedeutet, worin der Unterschied zum Fasten besteht, was man dabei richtig und was falsch machen kann. „Da gibt es viele Missverständnisse“, sagt der Experte.
Einfach gesagt, gehe es beim Intervallfasten um Pausen zwischen den Mahlzeiten. „Sie sind für uns enorm wichtig, weil da eine Menge passiert, wir brauchen diese Pausen zum Gesundbleiben“, so der Ernährungsmediziner, Internist und Diabetologe.
Abnehmen: Ernährungsdoc Matthias Riedl sieht Snacks Feind
Derzeit praktizierten viele das Gegenteil – über die Hälfte der Bevölkerung esse Snacks. „Bei den Amerikanern sind es sogar 90 Prozent, die ständig snacken – und das ist das Gegenteil von Pausen zwischen den Mahlzeiten.“ Diese Snacker seien sogar unkonzentriert bei der täglichen Arbeit, weil sie ständig ans Essen denken.
Parallel dienten Essenspausen der Selbstreinigung des Körpers, das Immunsystem habe dann Ruhe. „Es muss sich nicht um das kümmern, was da in den Darm reinkommt.“ Ein Großteil unseres Immunsystems sitze im Darmbereich und sei beschäftigt mit dem, was da kommt: „Früher kamen da neben dem Essen auch jede Menge Bakterien mit und da musste sofort reagiert werden. Und wenn wir was essen, ist das Immunsystem sozusagen überall mit lauter Polizisten da und ist beschäftigt.“
Abnehmen: Nachts fasten bis zum nächsten Mittag
In den Essenspausen sei das Immunsystem mit der Selbstheilung, der Autophagie, beschäftigt, „also Keime beseitigen, auch mal hier und da eine kleine entartete Zelle wegschmeißen, aus der vielleicht Krebs entstehen könnte. All das macht das Immunsystem in der Pause“, sagt Riedl, der aus den Ernährungs-Docs bekannt ist.
„Wir brauchen diese Pausen, die sind physiologisch, also natürlich für uns und erhalten unsere Gesundheit. Und die nächste Stufe ist, diese Pausen in die Länge zu ziehen.“ Dann komme man vom Drei-Mahlzeiten-Prinzip zum Zwei-Mahlzeiten-Prinzip. Man könne nachts fasten bis zum nächsten Vormittag oder Mittag.
Das könne eine 16-Stunden-Pause sein, „aber ob das jetzt 16 sind oder 14 oder 15 oder 17, ist egal.“ Man wisse, dass die Selbstheilung ab zwölf Stunden zunehmend aktiver werde, deshalb seien 17 Stunden besser als 15, „aber Hauptsache, man macht es überhaupt mal.“ Man müsse es auch nicht an jedem Tag machen.
Ernährungsdoc wird beim Blick in Einkaufswagen "depressiv"
Neben dieser 16:8-Variante gibt es auch noch andere Varianten, etwa 5:2. An zwei Tagen pro Woche wird dann die Energie reduziert auf etwa 500 Kilokalorien. Laut Riedls Erfahrung ist diese Methode aber für viele schwieriger durchzuhalten als das morgendliche Fasten.
Und einen Kardinalfehler müsse man vermeiden, sagt der Mediziner: In den Essensphasen unkontrolliert ungesundes Zeug in sich reinzustopfen: „Wenn ich im Supermarkt an der Kasse stehe, kriege ich jedes Mal Depressionen, wenn ich sehe, was die Leute einkaufen. Manchmal haben die bis zu 80 Prozent Schrott im Einkaufswagen, übelste Fertigprodukte, da sträuben sich mir die Haare.“
Dr. Matthias Riedl empfiehlt das Intervallfasten
Die Studienlage zum Intervallfasten sei indes nicht eindeutig, sagt Riedl. „Neulich hat bei einer Diabetestagung ein sehr guter Wissenschaftler vom Deutschen Forschungsinstitut für Ernährung in Potsdam das noch mal zusammengefasst und gesagt, die Studien sind so ungleichmäßig in der Aussage, dass man eigentlich nicht sagen kann, dass Intervallfasten wirklich wirkt.“
Er wolle dem gern ein wenig widersprechen, sagt der Autor von mehr als 30 Bestsellern zum Thema gesunde Ernährung. „Wenn ich Intervallfasten kombiniere mit gesundem Essen, mit artgerechter Ernährung, dann hat es eine Wirkung – eine enorme Wirkung auf die Verhinderung und Verbesserung von Diabetes Typ 2. „Ich kann das nur empfehlen.“
Sein Rat: „Leute, esst euch satt, pappsatt zu den Mahlzeiten, damit ihr die Pausenintervalle einhaltet – das führt zu einem richtig gesunden Ernährungsrhythmus. Deshalb bin ich auch ein großer Fan von Intervallfasten.“
Riedl: Auch der Milchkaffee am Morgen ist eine Mahlzeit
Allerdings müsse man beachten, dass beispielsweise auch der Milchkaffee morgens oder nachmittags zwischendurch eine Mahlzeit sei. „Er unterbricht das Intervallfasten.“ Kaffee und Kuchen am Nachmittag sollten in jedem Fall die Ausnahme bleiben.
Wer nicht auf das Frühstück verzichten möchte, könne es möglicherweise zeitlich ein wenig nach hinten ziehen und das Abendessen ein bisschen früher machen, rät Riedl. „Man sollte sowieso vier Stunden vorm Schlafen zuletzt gegessen haben, weil dann ist der Darm wieder in Ruhe und wir können besser schlafen.“
Wer richtig fasten will, sollte vorher einen Kursus machen
Das Intervallfasten sei aus dem Fasten entstanden, sagt Riedl. „Das ist sozusagen die jüngere Form des Fastens, weil man gemerkt hat, dass die Effekte vom Fasten in kleiner Version auch beim Intervallfasten passieren. Man weiß, dass das Fasten die Entzündung im Körper reduziert, das passiert beim Intervallfasten auch.“
- Ernährungs-Doc: Früchte sind Zuckerbomben – mit Risiken
- Ernährungs-Doc: Günstig und gesund essen – auch in der Krise
- Ernährungs-Doc: 20:80-Formel bringt den Erfolg beim Abnehmen
- Ernährungs-Doc begeistert von Kita-Essen in Hamburg
So richtig in Fahrt komme das, wenn man sieben, 14, maximal 21 Tage nichts esse. Viele Rheumapatienten beispielsweise können mit dem regelmäßigen Fasten ihr Rheuma eindämmen. „Dabei wird dann über mehrere Tage nichts gegessen, es wird getrunken. Es gibt unterschiedliche Formen, es gibt auch Saftfasten, wo man Gemüsebrühen oder auch Obstsäfte trinkt. Wir führen dem Körper ja immer eine kleine Menge Energie zu. Das verhindert, dass wir während des Fastens Muskulatur abbauen.“
Wer fasten wolle, sollte am besten einen Kursus machen beim Fastenleiter, rät Riedl. Fasten sei eine richtige medizinische Maßnahme, er warnt daher vor dem Fasten auf eigene Faust. Vor allem ältere Menschen seien vom Muskelabbau betroffen. „Man sieht es: die Menschen kriegen immer dünnere Beine und einen dickeren Bauch.
Das Gewicht ist zwar gleich geblieben, aber wenn wir falsch fasten, dann kommt es zur gefährlichen Sarkopenie, dem Abbau der Muskelmasse. Darunter leiden viele im Alter. Und das erhöht die Sterblichkeit – und zwar gewaltig. „Wenn wir dann noch eine Grippe kriegen oder Corona und eine Woche ans Bett gefesselt werden, dann verlieren wir noch mal Muskulatur und hinterher sind wir schlecht mobilisierbar.“
Viele kleine Mahlzeiten am Tag – das ist überholt
Die Strategie der vielen kleinen Mahlzeiten sei überholt. „Wir wissen ja, dass medizinisches Wissen eine Halbwertszeit von fünf Jahren hat, in der Ernährungsmedizin sind es zweieinhalb Jahre“, sagt Ernährungs-Doc Matthias Riedl. Es gebe nur wenige Ausnahmen, für die fünf Mahlzeiten geeignet sind, beispielsweise bei Menschen, die unter Sodbrennen leider, oder jenen mit Migräne, weil eine nicht gleichmäßige Nährstoffzufuhr Anfälle auslösen könne.