Hamburg. Dr. Matthias Riedl spricht über die gefährlichsten “Lebensverkürzer“ und bringt Jodmangel mit schlechten Mathe-Noten in Verbindung.
Wer über den Markt schlendert, sieht derzeit Trauben und Feigen in Hülle und Fülle – leider Obstsorten mit sehr viel Zucker. Dafür äußerst schmackhaft und mit Suchtfaktor. „Ja, da bricht ein genetisches Erbe aus uns heraus. Süß, das bedeutet Energie. Da kann man schöne Reserven für die harte Winterzeit anlegen“, sagt der Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl. „Das größte Problem der Menschheit war ja immer zu verhungern – also wenn man nicht gefressen wurde, neben den ganzen Viren und Bakterien, die es auf einen abgesehen haben.“
Doch der viele Fruchtzucker bringt Probleme. Laut Riedl sind Darm-Beschwerden, also Durchfall, Blähungen und Bauchschmerzen mögliche Folgen. „Der zweite Punkt, der Fructose kritisch macht – Fructose unterstützt die Entstehung einer Fettleber und die Leber ist unser zentrales Stoffwechselorgan. Wenn das verfettet, sozusagen vermüllt wird, dann haben wir ein höheres Risiko für eine ganze Menge von Zivilisationskrankheiten.“
Ernährungs-Doc Matthias Riedl spricht bei Obst von "Zuckerbomben"
Süße Früchte seien eine Zuckerbombe. „Fruchtzucker erhöht erst mal nicht so unseren Blutzucker, aber über die Leberverfettung fördert das den Typ-2-Diabetes ganz enorm.“ Wer beispielsweise Weintrauben isst, solle deshalb nur eine Handvoll zu sich nehmen, rät der Internist und Diabetologe im Podcast "Dr. Matthias Riedl – So geht gesunde Ernährung".
Einseitige Ernährung sei einer der großen Fehler, sagt Riedl, bekannt von den Ernährungs-Docs. „Ich spreche gern vom Ess-Praktiker. Man könne ganz schnell rausfinden, ob man zu dieser Kategorie zählt, sagt er: „Das sind Menschen, die gehen im Supermarkt immer an dieselben Regale, kaufen immer das Gleiche und essen immer das Gleiche.“ Aber der Körper brauche eine Vielzahl von sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen, Spurenelementen und auch Nährstoffen.
Bestes Negativbeispiel sei bei vielen die etwas dröge Auswahl beim Gemüse. Die drei Lieblingsgemüse der Deutschen seien Tomaten, Karotten und Zwiebeln – „und die machen dann schon den Großteil des mickrigen Gemüsekonsums aus. Und damit ist man natürlich nicht optimal versorgt“, sagt der Ärztliche Leiter des Medicum Hamburg. Die Diversität auf dem Teller sei enorm wichtig.
Ernährungs-Doc Riedl: Eins in Mathe mit Jodmangel kaum möglich
Ein weiterer Dorn im Auge sind Riedl die vielen Fertigprodukte. „Während der Coronapandemie haben diese Fertigprodukte ja noch mal gigantische Verbreitung gefunden, weil die Leute nicht mehr essen gingen. Convenience-Produkte sind eine Plage.“ Man könne sie mal essen, aber nicht in der Menge, wie das in Deutschland der Fall sei, weil sie nicht lieferten, was wir brauchen.
Diese Gerichte hätten meist einen hohen Salzgehalt, allerdings werde dafür aus Kostengründen meist jodfreies oder jodarmes Salz verwendet. Das führe zu einem Jodmangel. „Wir gehen davon aus, dass in in Deutschland 30 Prozent der Erwachsenen und fast 50 Prozent der Kinder wieder in den Jodmangel rutschen. Das macht Befindlichkeitsstörungen.
Wenn Jugendliche einen Jodmangel haben, dann führt das zu einer Verminderung der Gehirnentwicklung und da reden wir schon mal über 15 Prozentpunkte im Intelligenztest. Eine Eins in Mathe kann man mit Jodmangel fast nicht mehr schaffen und das ist natürlich gravierend.“ Einem Jodmangel könne man nur durch Selberkochen gegensteuern, sagt der Experte, dabei sollte man jodiertes Salz benutzen. Auch Fisch, Milchprodukte und Eier enthielten Jod.
Gemüsearme Ernährung fördert Entstehung vieler Krankheiten
Ein Grundproblem ist laut Ernährungs-Doc Riedl auch die Gemüsearmut in unserer Ernährung. „Das ist deshalb so dramatisch, weil Gemüse die Grundlage unserer Ernährung ist – es sollte die Hälfte des Tellers ausmachen, sonst kriegt der Körper nicht das, was er braucht.“ Für Fertiggerichte sei typisch, dass sie kein oder kaum Gemüse enthalten und damit auch keine Ballaststoffe, sie seien so hoch verarbeitet, dass kaum noch Vitamine enthalten seien.
Gemüsearme Ernährung sei ein weiterer wichtiger Faktor, weshalb viele Menschen krank und übergewichtig würden. Der Autor zahlreicher Bestseller rund um gesunde Ernährung zitiert Studien, denen zufolge eine gemüsereiche Ernährung dazu führt, dass der Körper mehr Sättigungshormone produziert. „Gemüse macht auch durch das große Volumen, das es hat, richtig satt.“ Und es liefere Vitamine, Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe.
„Und diese Sättigung führt dazu, dass wir nichts Falsches essen und dass wir dann zum Beispiel beim Nachtisch mal nein sagen.“ Hülsenfrüchte zählten dabei zum Premiumgemüse, weil sie pflanzliches Eiweiß liefern, Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine und wirksam seien gegen diverse Zivilisationskrankheiten, wie zum Beispiel auch gegen Diabetes. Riedl empfiehlt, zweimal die Woche Hülsenfrüchte zu essen, „beispielsweise mal eine Linsensuppe kochen“.
Welches Öl sich eignet – und warum es nie zu viel sein kann
Ein wichtiges Thema bei der gesunden Ernährung ist auch die Wahl des Fettes. „Olivenöl ist uneingeschränkt gesund, es enthält auch sekundäre Pflanzenstoffe, die uns helfen, satt zu werden.“ Auch Rapsöl und Nussöle zählt der Mediziner zu den gesunden Fetten. Davon könne man nie zu viel benutzen. „Die Höchstmenge ist einfach, dass einem übel wird oder man megasatt ist.“
Bei Kohlenhydraten sieht es anders aus: „In der westlichen Ernährung nimmt tatsächlich ein Zuviel an Kohlenhydraten und ein Zuviel an leicht verdaulichen Kohlenhydraten hochgradig zu“, sagt der Ernährungsmediziner. „Der Blutzucker flutet sofort nach oben, wie wir das zum Beispiel bei Kuchen und und Weißbrot haben. Diese Blutzuckerspitzen führen am Ende dazu, dass die Stoffwechselsysteme überfordert sind. Es muss dann jedes Mal Insulin ausgeschüttet werden. Insulin ist ein dick machendes Hormon.“ Dann sei der Körper immer im Fettaufbaumodus – „und damit verfettet langsam auch die Leber, die Bauchspeicheldrüse, letztlich alle Organe, auch das Herz. Und das nimmt natürlich dadurch Schaden.“
Welche Kohlenhydrate Ernährungs-Doc Riedl empfiehlt
Hoch raffinierte Kohlenhydrate hungerten zudem die gesunde Darmflora aus „und wir erhöhen das Risiko für Darmerkrankungen, für Darmkrebs, für Autoimmunerkrankungen.“ Dagegen finde man gute Kohlenhydrate beispielsweise im Gemüse, in Vollkornprodukten, in Nüssen und Samen und in Hülsenfrüchten.
Auch das Thema Getränke ist im Zusammenhang mit gesunder Ernährung enorm wichtig. Bei der Menge gebe es eine Faustregel, sagt Ernährungs-Doc Riedl: 0,03 Liter pro Kilogramm Körpergewicht. Ideal sei Wasser, das könne man gut selbst aromatisieren mit Zitrone, Rosmarin, Pfefferminz oder auch mit Melone.
Aber auch Tee empfiehlt der Ernährungsmediziner. „Grüner Tee liefert uns zusätzlich noch sekundäre Pflanzenstoffe, die antientzündlich gegen Krebs wirken, auch gegen das Altern.“ Schwarztee sei einen Tick weniger gesund als grüner Tee, aber völlig in Ordnung. Auch Kaffee sei rehabilitiert, so der Experte „vier bis fünf Tassen am Tag sind günstig – sogar auch für die Leber.“ Noch besser sei Espresso. „Er enthält beispielsweise auch Ballaststoffe, die für uns günstig wirken.“
Warum mehr junge Männer Darmkrebs bekommen
Süße Limonaden dagegen gehörten zu den größten Sünden überhaupt, sagt Riedl. „In England hat man immerhin durch die Zuckersteuer den Zuckergehalt schon deutlich reduziert. Es geht also“. Da hinke Deutschland hinterher. Dabei verkürzten zuckerreiche Getränke das Leben, weil sie etwa Arterienverkalkung begünstigen.
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„Und wir haben in Deutschland und in Dänemark einen Anstieg von Darmkrebserkrankungen im jungen Männeralter. Ein Grund ist wohl der hohe Zuckerkonsum in der Jugend durch solche Limonaden – und das in einem Alter, in dem sehr viele Wachstumshormone aktiv sind.“ Limonade sei kein Durstlöscher, als der sie beworben werde und das müsse man den Kindern auch so beibringen. „Das darf vielleicht ein Genuss sein, das muss man zelebrieren.“
Warum Restaurants Leitungswasser ausschenken sollten
Ebenso ungünstig sei der häufige Genuss von Wurstwaren sowie von verarbeiteten Backwaren. „Das sind die nachgewiesenen Lebensverkürzer. Das heißt jetzt nicht, dass man sie wie Gift behandeln muss und nicht essen darf“, aber es komme definitiv auf die Menge an. Beim Thema Limonaden beispielsweise sei die Politik gefordert, sagt Riedl, das Gesundheitsministerium sei diesbezüglich noch im Tiefschlaf.
Der ernährungs-Doc spricht ein Thema an, das besonders Reiserückkehrern hierzulande immer negativ auffällt – die hohen Wasserpreise in der Gastronomie. „Warum haben wir in Restaurants nicht auch Leitungswasser auf dem Tisch? Dann macht doch bitte die anderen Getränke teurer oder verlangt auch was für das Leitungswasser, wenn es denn sein muss.“ Das wäre ein Weg, um Ressourcen zu schonen, sei gesund und guter Service. „Wir sollen Wasser trinken und wir müssen Deutschland dran gewöhnen, Wasser zu trinken.“