Appen. Dr. Matthias Riedl lebt, was er anderen predigt. Doch ein Produkt in seinem Kühlschrank überrascht. Ein Besuch beim Ernährungs-Doc.
- Ernährungs-Doc Matthias Riedl hat immer einen Gemüsebeutel dabei
- Ein Produkt in Dr. Riedls Kühlschrank passt nicht in das gesunde Bild
- Ernährungs-Doc Riedl: "Ich esse gerne im Auto"
Man würde den Ernährungsexperten zu gern dabei ertappen, dass er heimlich tütenweise Knabberzeug bunkert oder bergeweise Schokolade – und dann nicht die dunkle mit mindestens 70 Prozent Kakaoanteil. Doch Fehlanzeige. Auch der Blick in seinen Kühlschrank offenbart keine ungesunden heimlichen Vorlieben.
Nur die Flasche mit dänischer Remoulade passt nicht so recht ins Bild. „Die Liebe zu dänischen Hotdogs, das ist kindliche Prägung. Wir waren früher häufig in Dänemark, eigentlich jeden Sommer“, sagt Dr. Matthias Riedl, dem NDR-Fernsehpublikum als Ernährung-Doc bestens bekannt. „Immerhin kaufe ich Bio-Wiener und lasse die weichen, ungenießbaren Hotdog-Brötchen weg.“
Ernährungs-Doc: Private Einblicke in Matthias Riedls Kühlschrank
Abgesehen davon gibt es reichlich unterschiedliches Gemüse in den Kühlschrankschubladen, dazu ein paar Orangen und Zitronen, die er von seinem eigenen Zitrusstrauch gepflückt hat, der pittoresk auf dem aufgeräumten Küchentresen steht. Außerdem sind Milch, Eier, Pesto, Senf, ein paar asiatische Würzsoßen und eine angebrochene Tafel Schokolade – mit 80 Prozent Kakaoanteil – vorrätig.
Der 59-Jährige lebt, was er anderen predigt. Der ärztliche Direktor des Medicums Hamburg ist schlank und dazu noch überaus sportlich. Über Ostern war er zum Snowboarden auf einem österreichischen Gletscher, jetzt hat er sich endlich ein eigenes Board gekauft, das an diesem sonnigen Frühlingstag gerade geliefert wird.
Zehn Jahre wolle er mindestens noch auf dem Brett stehen, sagt der Internist, Diabetologe und Ernährungsmediziner. Mit dem Wintersport hat er erst mit 50 Jahren begonnen – aus Liebe zu seiner Lebensgefährtin, einer passionierten Skifahrerin. „Snowboarden ist wie Wellenreiten auf einer langen Welle“, sagt Riedl, der im Oktober 60 wird, nur einfacher sei es: „Der Berg steht und wartet auf Dich.“
„Joggen und danach in den See springen, großartig“
Mit dem Wellenreiten habe er schon als Student begonnen, Tennis spiele er erst seit 15 Jahren. Darüber hinaus macht er nach eigenen Angaben zwei bis dreimal pro Woche Kraftsport im Fitnessstudio („weil dort meine Disziplin größer ist als zu Hause“) und er schwimmt zweimal pro Woche. In den Sommermonaten steigert der Ernährungs-Doc sein Pensum noch.
„Ich liebe Freiwasserschwimmen“, sagt er, versuche es ab Juni täglich einzurichten. „Joggen und danach in den See springen, einfach großartig.“ Bis 18,19 Grad trage er noch einen dünnen Neoprenanzug, wenn er ins Naturbad in der Nachbarschaft springt und eine halbe Stunde durch den See pflügt, bei höheren Wassertemperaturen lasse er ihn weg.
Matthias Riedl: „Das hier ist mein Traum"
Seit zwei Jahren wohnt er mit seiner Lebensgefährtin, die bei dem Gespräch dabei ist, aber lieber nicht öffentlich in Erscheinung treten will, in einem lichtdurchfluteten Einfamilienhaus. Es bietet durch die großen Fensterfronten einen herrlichen Blick auf einen Teich im schleswig-holsteinischen Appen. „Das hier ist mein Traum, das Wohnen an einer Waldlichtung“, sagt Riedl.
Im Moment tragen die Bäume noch wenig Laub, aber bald werden sie wieder den Eindruck eines kleinen Waldes vermitteln. Die Fahrerei nach Hamburg ist der Preis für diesen Traum: „Früher bin ich oft mit dem Fahrrad oder der Bahn gefahren“, sagt Riedl, nun nehme er doch oft das Auto, weil es komfortabler sei, wenn er viele Termine hat.
Neben seiner Tätigkeit im Medicum, wo Matthias Riedl und seine Kollegen seinen Angaben zufolge etwa 100.000 Patienten pro Jahr behandeln, ist Riedl regelmäßig auf Sendung mit den Ernährungs-Docs. Außerdem gibt er Vorlesungen zur Ernährungsmedizin an der Medical School in Hamburg. „Sie zählen zu den ersten, die überhaupt vor deutschen Medizinstudenten gehalten werden“, sagt er. „Wir waren da ganz vorn an – übrigens auf Wunsch der Studenten, und das ist auch irgendwie was Neues, dass Studenten so was fordern.“ Die diversen Interviews jede Woche erledige er meist auf den Fahrten zur Arbeit und zu Terminen.
Ernährungs-Doc Riedl trinkt nach dem Aufstehen grünen Tee
Das Leben auf dem Land sei für ihn als Ausgleich unschätzbar wertvoll, sagt Matthias Riedl. „Wenn ich in einer grünen Umgebung bin, bin ich sofort erholt. Der Aufenthalt in der Natur ist revitalisierend.“ Er höre dort Vogelgezwitscher, sehe oft ein seltenes Teichhuhn auf dem kleinen See hinter dem Haus und gucke gern auf die Bäume am Teichrand.
Der Autor von etwa 30 Bestsellern hat jüngst den Abendblatt-Lesern in einer großen Serie eine Menge über gesündere Ernährung vermittelt. Auch er selbst nimmt diese Empfehlungen sehr ernst. Er trinkt nach dem Aufstehen üblicherweise nur grünen Tee. Sein Frühstück, das er aber meist erst am späten Vormittag zu sich nimmt, besteht meist aus Vollkornbrot mit Käse, dazu immer einen Elstar-Apfel von einem Hof in der Nähe. Auf seinen eigenen Baum kann er sich noch nicht wirklich verlassen.
Der Ernährungs-Doc hat immer einen Gemüsebeutel dabei
Sein neu gepflanzter Jungbaum habe im vergangenen Jahr immerhin vier Äpfel getragen, in diesem Jahr seien vielleicht schon mehr dran. Im Garten verteilt wachsen auch Beerensträucher, Kräuter und Haselstauden. Bei den Haselnüssen seien die Eichhörnchen aber meist schneller als er. Hätte er mehr und regelmäßiger Zeit für Gartenarbeit, würde er auch gern Gemüse anbauen, sagt der Ernährungs-Doc.
Im Homeoffice reichten ihm meist zwei Mahlzeiten pro Tag, sagt Riedl, aber wenn er tagsüber viele Termine hat, dann geht er zum Mittagstisch und isst häufig ein vegetarisches Gericht. Nach dem Sport abends kommt dann sein Gemüsebeutel zum Einsatz. „Er nimmt immer etwa ein halbes Kilo Gemüse mit“, sagt seine Lebensgefährtin. Und das sei dann die perfekte Überbrückung.
Ernährungsexperte Riedl: "Ich esse gerne im Auto"
„Eigentlich soll man ja nicht unterwegs und nebenbei essen, aber ich esse gern im Auto“, bekennt der Ernährungsexperte, der sonst für bewusstes Essen, gern auch in Gesellschaft plädiert. Aus dem Beutel holt er Spitzpaprika, Karotten, Nüsse und Ähnliches hervor.
„Ich schaffe meine täglichen 500 Gramm Gemüse“, sagt Riedl. Wenn er zu lange nichts gegessen habe, werde er nervös und „dann bricht so ein Damm. Dann würde ich ungehemmt alles essen“. Um das zu vermeiden, habe er den Gemüsebeutel für unterwegs. Abends kommen im Hause Riedl oft Biovollkornbrot mit Käse, Tomaten oder auch Fischsalate auf den Tisch.
Seine Lebensgefährtin, mit der der Vater von zwei erwachsenen Söhnen seit neun Jahren zusammen ist, spricht in den höchsten Tönen über ihn. „Matthias ist wahnsinnig fleißig, sorgfältig, zuverlässig und pflichtbewusst. Und er ist ein Müllpedant.“ Der Müll werde fein säuberlich getrennt, auch im Urlaub. Im Garten dagegen sei er großzügig, da gibt es tatsächlich ein sehr überschaubares Stück Rasen, der Rest darf nach Belieben wachsen.
Etliche Setzlinge hat er gerettet und angepflanzt
Unkraut und Disteln können sich frei entfalten. Riedl hat auf dem Grundstück auch schon etliche Bäume gepflanzt – den Elstar-Apfelbaum beispielsweise, aber auch etliche größere und kleinere Setzlinge, die er aus dem Ausschuss umliegender Baumschulen gerettet hat. In seinem Wohnzimmer stehen zwei sehr große Kakteen und zwei Ficus Benjamini, die er schon seit mehr als 30 Jahren hat.
Wenn der Ernährungsexperte einkaufen geht, lässt er im Supermarkt viele Regalmeter links liegen. „Ich meide Aromastoffe und alles mit Süßstoff“, sagt Riedl. Ersteres, weil er möchte, dass Produkte nach dem schmecken, was sie sind, und letzteres, „weil ich es überall raus schmecke“. Gelegentlich trifft man ihn auf dem Wochenmarkt in Uetersen oder im Biomarkt in Pinneberg.
Ernährungs-Doc: Auch der Experte erlaubt sich Chips
Der Ernährungsmediziner entgegnet auf das Argument, mit wenig Geld sei es schwer, sich gesund zu ernähren, Folgendes: „Wenn man saisonal einkauft und kocht, dann kann man das auch preiswert.“ Natürlich gebe es auch teure Lebensmittel wie Fisch, „aber dann muss es ja nicht die große Menge sein. Und wenn man Mahlzeiten plant, dann geht vieles doch zu günstigen Preisen.“
Hülsenfrüchte beispielsweise seien nicht teuer, aber sehr gesund. „Alle denken da immer nur an Erbsen- oder Linsensuppe, aber da gibt es viel mehr.“ Es müsse auch nicht alles aus Bio-Erzeugung sein, „regional geht vor bio, deshalb kaufe ich meine Äpfel regional, denn da zählt die Frische“.
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Wenn Matthias Riedl einkaufen geht, gucken andere Kunden, die ihn aus dem Fernsehen kennen, gern mal in seinen Einkaufswagen, hat er festgestellt. „Da muss ich mich manchmal erklären“, sagt der Mediziner. Denn hin und wieder liegen auch bei ihm Erdnuss-Flips und eine Packung Chips darin. Aber gelegentlich darf sich auch ein Ernährungsexperte eine Ausnahme erlauben. Denn Matthias Riedls Devise lautet: „Verbote gibt es nicht.“