Dr. Matthias Riedl räumt mit Mythen rund um das Essen auf – darunter Kalorienzählen und Diäten. Dazu gibt er ganz konkrete Tipps.
- Ernährungs-Doc Riedl: Lebenserwartung der Deutschen sinkt wegen falschem Essen
- Falsche Ernährung führt zu mehr Krankheiten als Rauchen und Alkohol
- Riedl: 90 Prozent aller Erkrankungen sind hausgemacht – Ernährung die Ursache
Die Deutschen befinden sich in schlechter Gesellschaft mit Engländern und Finnen: „Wir gehören in Europa zur Spitze, was Übergewicht angeht“, sagt Ernährungs-Doc Dr. Matthias Riedl.
Deutschland sei ernährungstechnisch unter den Schlusslichtern und das möchte der Internist, Ernährungsmediziner und Diabetologe ändern: „Wir müssen die Menschen aufklären, denn wir wissen derzeit so viel über die richtige Ernährung wie noch nie. Aber dieses Wissen muss unter die Menschen.“
Und genau dafür gibt es den neuen Podcast „Ernährungs-Doc. Gesünder leben mit Dr. Matthias Riedl – vom 19. September an alle zwei Wochen montags.
Ernährungs-Doc Matthias Riedl: Fleisch fördert häufigste Todesursachen
In dem neuen Gesprächsformat geht es um gesundes Essen und davon versteht Riedl, einer der ersten Lehrbeauftragten für Ernährungsmedizin in Deutschland, viel. Der Ärztliche Direktor des Medicum Hamburg, Europas größtem Fachzentrum für Diabetologie, Ernährungsmedizin und angrenzende Fachgebiete, hat außerdem schon mehr als 30 Bestseller über gesundes Essen geschrieben.
„Es werden zu viele Kohlenhydrate gegessen, viel zu wenig Gemüse und damit auch zu wenig Ballaststoffe, zu wenig Vollkorn, zu viel Fleisch. Und in Studien ist das ganz klar – zu viel Fleisch fördert Zivilisationskrankheiten, Diabetes, Übergewicht und vieles andere mehr und ist damit ein Motor für Arterienverkalkung, also Herzinfarkt, Schlaganfall, also die häufigsten Todesursachen.“
Lebenserwartung der Deutschen in Europa gesunken – es liegt am Essen
Allerdings hole der Krebs auf: „Für Diabetiker ist Krebs schon die Haupttodesursache und das muss uns eigentlich aufhorchen lassen“, sagt Riedl. Bei der Lebenserwartung liege Deutschland im Europavergleich im letzten Drittel und das sei durch die Ernährung bedingt.
Immerhin sei das Thema „gesunde Ernährung“ verstärkt ins Blickfeld gerückt, bestätigt der Spezialist, der in der erfolgreichen Sendung „Die Ernährungs-Docs“ schwierige medizinische Fälle behandelt. „Ja, der Wissensstand ist in der Bevölkerung in den letzten zehn Jahren enorm angestiegen. Die Fehler werden weniger.“
Allerdings sei es so, „dass wir aus einem ernährungsmedizinischen Mittelalter kommen“, sagt Dr. Matthias Riedl. „Wir haben ja ein Jahrhundert der Diäten hinter uns. Und dieses Diätwissen, das wabert in den Köpfen rudimentär noch herum. Ebenso wie das Kalorienzählen. Das ist auch so ein Relikt, das ausgemerzt gehört.“ Genau das sei sein Motor, die Bücher zu schreiben und als Experte sein Wissen zu teilen.
Falsche Ernährung führt zu mehr Krankheiten als Rauchen und Alkohol
Ernährungsbedingte Krankheiten seien inzwischen ein riesiges Problem. „Mehr als 90 Prozent der Menschen, die eine deutsche Praxis aufsuchen, haben eine verhaltensbedingte Erkrankung“, sagt Riedl, „das muss man sich mal vorstellen. Das heißt, fast alle in den deutschen Praxen, die Hilfe suchen, die haben sich krank gemacht, und zwar durch ihr Verhalten. Dabei spielt die Ernährung tatsächlich die wichtigste Rolle, und das ist wichtiger geworden als Rauchen und Alkohol.“
Als er noch ein junger Arzt war, sei das nicht so gewesen, sagt Ernährungs-Doc Riedl. „Wenn man eine kaputte Leber hatte, dann war das entweder eine Hepatitis durch Viren oder es war durch Alkohol.“ In Amerika sei die falsche Ernährung inzwischen bereits die Hauptursache für Leberversagen.
Ernährungs-Doc: Viele Krankheiten können durch Ernährungsumstellung geheilt werden
Und anders als gegen Rauchen oder Alkoholmissbrauch habe es gegen falsche Ernährung bislang keine großen Aufklärungskampagnen gegeben. „Wir laufen der Prävention hinterher. Das heißt, wir essen uns krank und da gibt es derzeit so an die 100 Erkrankungen, die durch falsche Ernährung entstehen, allen voran der Diabetes Typ zwei.“
In diesem Zusammenhang gibt es laut Ernährungs-Doc Riedl völlig neue Erkenntnisse aus den vergangenen Jahren, die gezeigt hätten, dass Diabetes Typ 2 zu mehr als 80 Prozent heilbar ist, wenn man es richtig mache. „Aber, und das ist ganz wichtig, man muss es richtig machen. Und es wird derzeit landauf, landab leider noch nicht richtig gemacht“, klagt Riedl. Betroffene sollten daher eine Schwerpunktpraxis Ernährungsmedizin aufsuchen. „Man muss erst einmal die Ernährung verbessern, bevor man über Tabletten nachdenkt oder gar Insulin.“
Ernährungsmedizin hat laut Dr. Matthias Riedl einen schweren Stand
Die Ernährungsmedizin hat laut Matthias Riedl immer noch einen schweren Stand, denn viele, vor allem ältere Ärzte hätten im Studium nichts darüber gelernt. „Und wenn jemand seine Ernährung ändern sollte, dann haben die gesagt: ,Also hier, iss mal weniger und beweg dich mehr!’ Dann kommt der Patient wieder und ist immer noch so dick. Und dann wird der Arzt sauer. Ich habe Patienten erlebt, die saßen vor mir, weinend, und haben gesagt, ihr Hausarzt habe sie rausgeschmissen, weil sie nicht abgenommen haben.“
Man müsse auf diese Patienten individuell eingehen, sagt Ernährungs-Doc Riedl im neuen Podcast. „Man muss das individuell aushandeln mit dem Menschen und ihn abholen, wo er ist.“ Er sagt auch: „Die Ernährungsmedizin ist in der Lage, tatsächlich die gesamte Medizin von A wie Augenheilkunde bis Z wie Zahnmedizin zu revolutionieren.“
Zahnmediziner seien im übrigen offener gegenüber der neuen Disziplin, sagt Riedl, „die sagen ,ohne die Ernährungsmedizin kriegen wir die Parodontitis nicht weg’“. Aber viele Humanmediziner täten sich schwerer, „weil wir plötzlich in ihre Domänen einbrechen. Aber wenn 90 Prozent aller Erkrankungen hausgemacht sind und die Ernährung die Ursache ist, dann muss ich die Ursache therapieren. So funktioniert Medizin.“ Stattdessen reagiere Medizin mit Medikamenten und Messer.
Ernährungs-Doc Riedl lässt keine Ausreden gelten
Viele Menschen seien der Meinung, es sei ihnen nicht möglich, etwas an Ernährungsgewohnheiten und ihrem Gewicht zu verbessern, sagt Riedl, doch Ausreden lässt er nicht gelten: „Man kann immer beginnen, seinen Lebensstil und seine Ernährung zu ändern. Viele Menschen haben diesbezüglich keine Kompetenzen, aber die können wir im Podcast vermitteln.“
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Das Credo des Ernährungs-Docs lautet dabei: „Es gibt keine Verbote. Bislang werden Verhaltensänderungen zu autoritär verordnet, aber es geht einfach darum, das negative Verhalten runter- und das gute hochzufahren.“ Um das eigene Verhalten zu ändern, sollte man laut Riedl deshalb zu Beginn nur ein Problem angehen, beispielsweise den Zuckerkonsum reduzieren. „Man kann sich eines nach dem anderen vornehmen, sonst hält man es nicht durch.“ Und noch eines gibt er allen Hörern mit auf den Weg: „Man ist nie zu alt, um anzufangen.“
Podcast-Hörer können Fragen stellen: „Sprechstunde beim Ernährungs-Doc“
Ernährungs-Doc Matthias Riedl beantwortet in der „Sprechstunde beim Ernährungs-Doc“ im Podcast auch Fragen von Hörern. Fragen bitte per Mail an Elisabeth.Jessen@funkemedien.de, Stichwort: Podcast