Hamburg. Generalstaatsanwalt hatte die Maßnahme laut Vermerk aus politischen Gründen unterbunden. Razzia bei St.-Pauli-Geschäftsführer.

In der Affäre um Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich, der Hausdurch­suchungen wegen der Annahme von VIP-Tickets des FC St. Pauli bei Innensenator Andy Grote, dem früheren Wirtschafts­senator Frank Horch sowie Polizeipräsident Ralf-Martin Meyer aus politischer Rücksichtnahme abgelehnt haben soll (wir berichteten), hüllen sich die zuständigen Behörden weitgehend in Schweigen.

Die Justizbehörde erklärte lediglich, dass „bis jetzt zwei Berichte der Staatsanwaltschaften eingegangen sind“. Weitere Berichte seien zu erwarten, die Abteilung Strafrecht werde sich damit befassen. Erst im Anschluss lasse sich sagen, ob und welche weiteren Schritte erforderlich seien. Auf Nachfragen, wer die Berichte verfasst habe, gab es keine Antwort. Bei der Staatsanwaltschaft blieben alle Anfragen unbeantwortet.

Kartenaffäre: Wohnungen von St. Paulis Andreas Rettig durchsucht

Unterdessen gibt es neue Details. Denn Fröhlich hatte laut einem Vermerk, der dem Abendblatt vorliegt, bei einer Dienstbesprechung im Juli 2019 zwar die Razzien beim Polizeichef und den Politikern abgelehnt – in zwei weiteren Fällen hatte er aber offenbar keine Einwände. Denn es gab durchaus Hausdurchsuchungen: nicht nur in den Geschäftsräumen des FC St. Pauli, sondern auch bei deren damaligem Geschäftsführer Andreas Rettig und seinem Vorgänger Michael Meeske, dem Rettig am 1. September 2015 nachgefolgt war.

Dies bestätigte Rettig dem Abendblatt auf Nachfrage. Dabei wurde nicht nur dessen Hamburger Wohnung durchsucht, sondern auch sein Wohnsitz in Köln. Belastendes gefunden wurde nicht, es gab auch keine Verfahren gegen sie. Für den FC St. Pauli soll es lediglich eine Steuernachzahlung von rund 10.000 Euro für drei Jahre gegeben haben – bei einem Umsatz im dreistelligen Millionenbereich.

Ermittlungen gegen Fröhlich wären heikel

Unklar ist, ob es nun zu Ermittlungen gegen Generalstaatsanwalt Fröhlich kommen könnte. Das wäre insofern heikel, als die Staatsanwaltschaft gegen ihren eigenen Chef ermitteln müsste. Üblicherweise wird in solchen Fällen eine andere Staatsanwaltschaft aus demselben Bundesland damit beauftragt, was in Hamburg aber nicht geht, da es nur eine Ermittlungs­behörde gibt.

„In diesem Fall müsste die Justizsenatorin entscheiden, wer die Ermittlungen führt“, erläutert der bekannte Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate. Ihr falle das sogenannte Substitutionsrecht zu. „Das heißt, sie kann sich einen Staatsanwalt aussuchen und den oder die zur Generalstaatsanwaltschaft delegieren, um die Ermittlungen zu führen“, so Strate weiter.

Ausbremsung wäre ein „justizpolitischer Skandal“

Der politische Druck wird indes immer größer. Sowohl CDU als auch Linke fordern nicht nur Aufklärung und Konsequenzen, sondern kündigten auch Parlamentsanfragen zu dem Fall an. „Sollte der Generalstaatsanwalt tatsächlich derartige Anweisungen gegeben haben, ist das ein unhaltbarer Zustand, der das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz nachhaltig erschüttert“, sagte Richard Seelmaecker, der zusammen mit Denis Thering für die CDU eine 14 Punkte umfassende Anfrage an den Senat gestellt hat. Darin fragen sie vor allem nach Details der Dienstbesprechung und der womöglich politisch motivierten Entscheidung von Jörg Fröhlich.

„Es verfestigt sich immer weiter der Eindruck, dass die Justiz ihre schützende Hand über den Innensenator gehalten hat. Wenn dieser Eindruck nicht stimmt, hätte der Senat das längst dementieren müssen. Hat er aber nicht“, sagte Deniz Celik, Innenexperte der Linken. Sollte der Generalstaatsanwalt aus Sorge vor einem „politischen Tsunami“ Hausdurchsuchungen beim Innensenator ausgebremst haben, wäre dies ein „justizpolitischer Skandal“, der politische und personelle Konsequenzen nach sich ziehen müsse.

Kartenaffäre: SPD und Grüne äußern sich nur zurückhaltend

Sehr zurückhaltend äußerten sich naturgemäß SPD und Grüne. „Es sprachen gute juristische Gründe gegen die Recht- und Verhältnismäßigkeit einer Hausdurchsuchung“, sagte Urs Tabbert, Justizexperte der SPD. Es spreche viel gegen eine politische Motivationslage für die Einstellung des Verfahrens.“ Die Grünen-Fraktionschefin Jenny Jasberg erklärte: „Die Justizbehörde hat bei den Staatsanwaltschaften einen Bericht angefordert. Die Ergebnisse dieses Berichts gilt es abzuwarten.“