Hamburg. Das Rathaus feiert großes Jubiläum: Hamburgs Bürgerschaftspräsidentin spricht über ihren ganz besonderen Arbeitsplatz.

Vor 125 Jahren zogen Bürgerschaft und Senat in das neue Rathaus ein. Seit elf Jahren ist Carola Veit (SPD) bereits Bürgerschaftspräsidentin. Auch nach so langer Zeit ist es für sie immer noch etwas Besonderes, das prächtige Gebäude zu betreten.

Hamburger Abendblatt: Welche Bedeutung hatte das Rathaus für Sie, bevor Sie dort ein und aus gingen?

Carola Veit: Ein imposantes Gebäude, das die Bedeutung meiner Heimatstadt unterstrich. Der Rathausmarkt allerdings war schon immer ein guter Treffpunkt, wenn man sich in der Innenstadt verabredete.

Welchen Eindruck hatten Sie beim ersten Besuch?

Veit: Bis heute ist es immer etwas Besonderes, das Rathaus zu betreten. Als junge Abgeordnetenassistentin durfte ich den Parlamentsbetrieb kennenlernen und war sehr beeindruckt. Ein bisschen wie ein alter Palast, aber so voller Leben! Hier wird über die Zukunft unserer Stadt diskutiert, gerungen und entschieden. Anfang 30 bekam ich die Chance, als junge Abgeordnete in der Opposition in der Bürgerschaft aktiv mitmischen zu dürfen.

Mit welchen Gefühlen betreten Sie heute das Gebäude?

Veit: Immer noch mit sehr viel Respekt. Bis heute, nachdem ich mehr als 250 Sitzungen der Bürgerschaft geleitet habe, beschleicht mich ein Gefühl von Ehrfurcht und Demut, wenn ich den roten Teppich zum Plenarsaal hinaufgehe. Und ich freue mich sehr über die Veränderungen, an denen ich mitarbeiten konnte. Es wird Schritt für Schritt und immer mehr ein Haus für alle, und das gefällt mir.

Ist es ein „normaler“ Arbeitsplatz?

Veit: Nein und ja. Hier sind Parlament und Regierung unter einem Dach untergebracht. Das gibt es sonst in keinem Bundesland. Da hat Rathausarchitekt Martin Haller sehr vorausschauend geplant. Unser Parlament tagt alle zwei Wochen, hier treffen sich die Abgeordneten, um in den Ausschüssen zu diskutieren. Aber natürlich, wenn man hier nun schon elf Jahre als Bürgerschaftspräsidentin Tag für Tag arbeitet, ist auch dieser Ort ein normaler, besonders schöner Arbeitsort.

Ihr(e) Lieblingsort(e) im Rathaus?

Veit: Tatsächlich der Plenarsaal. Hier schlägt das Herz unserer Demokratie so deutlich und greifbar, das gibt es an keinem anderen Ort in der Stadt.

Gibt es Orte im Rathaus, an denen Sie noch nie waren?

Veit: Vermutlich den einen oder anderen Raum auf Senatsseite. Aber ansonsten kenne ich, glaube ich, viele Winkel und Gänge.

Was beeindruckt Besucherinnen und Besucher Ihrer Beobachtung nach am meisten?

Veit: Das historische Gebäude an sich. Es kommen ja viele Touristen aus aller Welt zu uns, und auch Hamburgerinnen und Hamburger zeigen gerne ihren Gästen das Rathaus. Da sehe ich viele Menschen mit offenen Mündern und gezückten Handys, um die prächtigen Räume zu fotografieren. Aber ich sehe auch die Rathausführungen, in denen sich die Gäste für unsere politische Arbeit interessieren und nachfragen, wie das hier in Hamburg als Stadtstaat funktioniere. Und am schönsten ist es, die staunenden und fragenden Augen bei unseren Kinderführungen zu sehen!

Welche Bedeutung hat das Rathaus als Gebäude für die Stadt?

Veit: Ein schönes Symbol für Demokratie, Stärke und Bürgersinn, vielleicht der wichtigste Ort in Hamburg – und ein historischer dazu!

Erfüllt das Rathaus noch die Anforderungen an einen modernen Regierungs- und Parlamentssitz?

Veit: Nicht wirklich. Wir haben zwar vieles modernisiert in unserem alten „Gemäuer“. Der Plenarsaal ist mit einem modernen Kamerasystem ausgestattet für den Livestream der Sitzungen. Wir haben die Pandemie genutzt, um auch das „virtuelle Rathaus“ besser zu bespielen, viele Prozesse und Abläufe digitalisiert. Aber wir stoßen immer wieder an Grenzen, es bleibt ein altes Haus, und das Raum­angebot reicht schon lange nicht mehr.

Was fehlt?

Veit: Ich finde, wir sind schon ganz gut. Seit einigen Wochen haben wir einen Fahrstuhl, der einen barrierefreien Zugang vom Keller bis zum Boden ermöglicht. Und auch technisch sind wir auf einem guten Stand. Aber es fehlt Platz. Die Fraktionen und die Bürgerschaftsverwaltung haben ja nur wenige Räume im Rathaus; wir sind auf insgesamt sechs weitere Standorte verteilt. Das ist nicht ideal, aufwendig und auch teuer, und es geht viel Zeit verloren.

Was muss geändert oder eventuell sogar umgebaut werden?

Veit: Siehe oben. Wenn ich träumen darf, dann wäre das neben dem Rathaus ein modernes Haus der Bürgerschaft, bei dem alle Mitarbeitenden und die Fraktionen unter einem Dach zusammenkommen, kurze Wege, moderne und helle Arbeitsplätze.

Wer ist nun Hausherr oder Hausherrin?

Veit: Bürgermeister Tschentscher ist Hausherr auf Senatshälfte, ich bin Hausherrin des Bürgerschaftsteils – das ergänzt sich gut. Wir sind so eine Art freundliche Rathaus-WG, ganz so, wie die Baumeister es vor 125 Jahren angelegt haben: alle gleichberechtigt unter einem Dach und gemeinsam für die ganze Stadt!