Hamburg. In keinem anderen Bundesland werden laut Barmer so viele Diagnosen gestellt. Besonders in einer Gruppe ist ihre Zahl gestiegen.
Es ist ein denkbar ernüchternder Spitzenplatz, den Hamburg im aktuellen Arztreport der Barmer belegt: Die Hansestadt ist Hochburg depressiver Erkrankungen in Deutschland. In keinem anderen Bundesland sei die Rate ärztlich diagnostizierter Depressionen höher als an der Elbe, teilte die Krankenkasse am Freitag mit.
Demnach seien knapp 13 Prozent der Versicherten wegen einer depressiven Episode in ärztlicher Behandlung – hochgerechnet entspreche das etwa 236.600 Betroffenen. Die Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum von 2010 bis 2020, also nur auf die Zeit bis zum Beginn der Corona-Pandemie. Im zehnjährigen Analysezeitraum sei der Anteil der Diagnosen um 11,4 Prozent angestiegen, teilte die Barmer weiter mit.
Depressionen: Mehr Erkrankte oder mehr Diagnosen?
Doch gibt es tatsächlich mehr depressive Erkrankungen – oder lediglich mehr Diagnosen? "Möglicherweise sind steigende Diagnosezahlen darin begründet, dass Stigmata gegenüber psychischen Erkrankungen aufbrechen und Betroffene eher geneigt sind, sich Hilfe zu holen", mutmaßt auch Dr. Susanne Klein, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Hamburg. "Denn es gibt keinen Grund, sich für ein seelisches Leiden zu schämen."
Anlässlich des Europäischen Tags der Depression am Sonntag, 2. Oktober, rät sie dringend dazu, sich bei länger anhaltender und grundloser Verstimmung, Erschöpfung, Traurigkeit, Angstgefühlen oder ähnlichen Symptomen ärztlich oder psychologisch beraten zu lassen.
Immer mehr Männer mit Depressionen
Daran, dass Frauen deutlich häufiger eine Depression diagnostiziert bekommen, habe auch die aktuelle Datenlage nichts geändert. So liegt die Diagnoserate bei den Frauen in Hamburg mit knapp 16 Prozent fast doppelt so hoch wie bei den Männern mit 9,4 Prozent. "Auch wenn mehr Frauen aufgrund von Depressionen behandelt werden, hat der Anteil an depressiven Männern in den vergangenen Jahren stark zugenommen", betont Landeschefin Klein.
Demnach sei die Rate betroffener Männer von 2010 bis 2020 um 23 Prozent gestiegen. Bei Frauen lag der Anstieg dagegen bei vergleichsweise geringen sechs Prozent. "Früher verbargen sich die Symptome von Depressionen oftmals hinter Diagnosen wie chronischen Rückenschmerzen oder Erschöpfung", sagt Klein. Heute gelinge es sowohl den Betroffenen als auch Ärztinnen und Ärzten dagegen besser, die Beschwerden richtig zuzuordnen.
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Dies sei zwar eine positive Entwicklung, doch Klein warnt weiter vor einer hohen Dunkelziffer. Dabei sei es wichtig, Depressionen möglichst frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. "Ohne professionelle Hilfe besteht die Gefahr, dass sich die Erkrankung chronifiziert", sagt Klein.
Nur schlechte Laune – oder schon eine Depression?
Depressionen zu erkennen, sei nicht immer einfach, mahnt die Barmer. Jeder Mensch sei ab und an niedergeschlagen, lustlos oder auch mal verzweifelt. Hält ein emotionales Tief aber über mehrere Wochen oder Monate an, könne das ein Anzeichen für eine Depression sein. "Außer Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit und Desinteresse, selbst an Hobbys und Unternehmungen, die zuvor Freude bereitet haben, könnten auch körperliche Symptome auftreten", so die Barmer. Dazu zählten etwa
- Müdigkeit,
- Schlafstörungen,
- Appetitlosigkeit,
- Gewichtsverlust oder -zunahme,
- sexuelle Lustlosigkeit,
- Magen-Darm-Probleme
- und/oder erhöhte Schmerzempfindlichkeit.
"Im Gespräch mit Hausärztin oder Hausarzt kann die genaue Diagnose abgeklärt und ein weiterer möglicher Behandlungsweg besprochen werden", sagt Klein und möchte den Betroffenen Hoffnung machen: "Generell gilt, dass sich Depressionen heute gut behandeln lassen und kein Tabu-Thema mehr sind."