Hamburg. In allen Hamburger Kliniken könnten Stationen und Notaufnahmen zeitweise schließen. Auch Krankenhäuser im Norden schlagen Alarm.
Die Krankenhäuser in Hamburg und bundesweit leiden derart unter gestiegenen Kosten für Energie und Material, dass sie nicht nur ernsthafte Liquiditätsengpässe fürchten, sondern sogar Insolvenzen bei einzelnen Kliniken und kurzfristig das zeitweise Schließen von Stationen oder Notaufnahmen. „Wir sind keine Tankstellen und können ein-fach den Benzinpreis erhöhen“, sagte Joachim Gemmel, Vorsitzender der Ham-burgischen Krankenhausgesellschaft und Chief Operating Officer bei Asklepios.
Die Kosteinsteigerungen könne man nicht einfach an die Krankenkassen weitergeben. Um das Zwei- bis Dreifache stiegen die Energiepreise, gleichfalls die sogenannten Sachkosten, zum Beispiel beim medizinischen Bedarf. Gemmel forderte einen Inflationsausgleich für die Krankenhäuser. Der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, sagte, ein Haus durchschnittlicher Größe verbrauche etwa fünf Millionen Kubikmeter Gas im Jahr. „Das entspricht dem Verbrauch von etwa 3000 Einfamilienhäusern. Ein solches Krankenhaus wird nach aktuellen Berechnungen 2023 über sechs Millionen Euro mehr für Gas und Strom bezahlen als im Jahr 2021.“
Krankenhäuser in Hamburg: Drohen Insolvenzen?
In diesem Jahr machten nach Berechnungen des RWI Institutes für Wirtschaftsforschung sechs von zehn Kliniken Verluste, im kommenden Jahr acht von zehn. Vier Milliarden Euro fehlten in diesem Jahr, 2023 dann zehn Milliarden. Gaß sagte: „Der Bund hat in den vergangenen Krisen sehr eindrücklich unter Beweis gestellt, dass kurzfristige Finanzhilfen für Unternehmen auch in sol-cher Größenordnung möglich sind. Nun ist es an der Zeit, dies auch für die Krankenhäuser als Einrichtungen der Daseinsvorsorge zu leisten.“
Auf jede Rechnung an die Krankenkassen solle es einen Aufschlag geben. Die Kassen selbst sollen mit Steuergeldern gestützt werden, nicht durch Erhöhung der Beiträge. Sie stehen unter nie dagewesenem Spardruck durch das von Gesundheitsminister Karl Lau-terbach (SPD) geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz.
Karl Lauterbach: "Planlos, tatenlos"
Die Krankenhäuser ließen kein gutes Haar am Minister: Lauterbach, von dem schon lange eine Krankenhausreform erwartet wird, betreibe eine „kalte Strukturbereinigung“, sagte Gemmel. Häuser würden planlos in die Pleite getrieben. „Die Politik schaut tatenlos zu.“ Gemmel ergänzte: „Wenn Karl Lauterbach als verantwortlicher Bundesminister nicht handelt, übernimmt er durch seine Untätigkeit die Verantwortung für Krankenhausschließungen, Wartelisten und überfüllte Notaufnahmen – auch in unserem Bundesland.“
Gaß sagte, schon die Zahlung von Weihnachtsgeld im November werde viele Häuser in die finanzielle Klemme bringen. Ein kurzfristiger Kredit würde nicht bewilligt, weil keine Bank eine positive Entwicklung im Gesundheitswesen sehe.
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Weniger Patienten, weniger Operationen – aber derselbe Aufwand
Aus Hamburger Krankenhauskreisen war zu hören, dass die personelle Situation auch ohne mögliche Corona-Ausfälle extrem angespannt ist. Keine Klinikleitung könne die Situation besonders bedrohlich darstellen, weil sich sonst die Mitarbeiter nach neuen Jobs umsehen könnten. Und das könnte eine gefährliche Spirale beschleunigen: Stationen müssen zeitweise schließen, weniger Patienten, weniger Operationen bei gleichem oder höherem Aufwand – ein Abwärtstrend.
Immerhin, sagte Gemmel, wisse in Hamburg Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) um die Lage aller Häuser. Die Krankenhausgesellschaft erwarte, dass Leonhard sich „im Interesse der Patientinnen und Patienten in Hamburg gegenüber dem Bundesminister für ein beherztes Handeln der Politik einsetzt".
Auch Krankenhäuser im Norden schlagen Alarm
Auch die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein fordern einen Ausgleich für ihre steigenden Kosten. Anderenfalls würden die Kliniken vor unlösbare Probleme gestellt, sagte der Vorsitzende der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein, Heiko Naß, am Dienstag in Kiel. „Die Krankenhäuser dürfen mit den gestiegenen Kosten nicht weiter allein gelassen werden.“
Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) betonte, die Gesundheitsministerkonferenz habe Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits eindringlich zum Handeln aufgefordert.