Hamburg. Eingeschränkte Gedächtnisleistung kann ein Symptom für die “stille Volkskrankheit“ sein. Ein Hamburger Chefarzt klärt auf.
Ein unsicherer, schlurfender Gang? Er könnte ein erster Hinweis auf eine Parkinson-Erkrankung sein. Kommen dazu erste Anzeichen von Demenz, wird insbesondere bei Betroffenen, die älter als 65 Jahre alt sind, auch oft über die Diagnose Alzheimer nachgedacht. Na ja, und eine Blasenschwäche, die könne in diesem Alter durchaus mal vorkommen.
Dabei, so erklärt Professor Dr. Uwe Kehler, gebe es eine „stille Volkskrankheit“, die eben oft genau diese drei Symptome verbinde: der sogenannte Altershirndruck, von Medizinern Normaldruckhydrozephalus genannt.
Medizin: Allein in Hamburg 20.000 Menschen betroffen
„Wir gehen davon aus, dass bis zu fünf Prozent der über 65-Jährigen an dieser Erkrankung leiden. Allein in Hamburg dürften es demnach rund 20.000 Menschen sein“, sagt der Chefarzt der Neurochirurgie von der Asklepios Klinik Altona. Doch die Dunkelziffer sei „extrem hoch“, die Erkrankung werde leider oft spät oder gar nicht erkannt. „Es gibt Patienten, die komme nach jahrelanger Leidensgeschichte verzweifelt zu uns und sagen: Es stimmt etwas nicht mit mir, aber niemand findet es heraus.“ Allein in den Seniorenheimen leiden vorsichtigen Schätzungen zufolge bis zu zehn Prozent der Bewohner an einem unbehandelten Normaldruckhydrozephalus.
Doch was genau verbirgt sich eigentlich dahinter? „Es handelt sich um eine Gefäßerkrankung des Gehirns“, erklärt der habilitierte Chefarzt, der auch Vorsitzender der Internationalen Hydrozephalus Gesellschaft ist, die im kommenden Jahr ihren Weltkongress mit 500 Ärzten in Hamburg abhält. „Die Gefäße werden mit dem Alter steif. Dies verhindert, dass sie den Puls des Herzens abfangen und in einen normalen Fluss überführen können. Das Resultat: Der Puls hämmert aufs Gehirn, das auf den wassergefüllten, harten Hirnkammern liegt. Es ist, als schlage man eine Glasflasche auf einen Stein.“
Auch Bluthochdruck ist ein Risikofaktor
Zu den Risikofaktoren für diese Erkrankung zählten neben dem Alter noch „die üblichen Verdächtigen“: Rauchen, Diabetes und Bluthochdruck. Ein erstes wichtiges Warnsignal sei das veränderte Gangbild. „Wenn man unsicherer geht, also schlurfender, breitbeiniger und langsamer, dann ist das eindeutig das Kardinalsymptom.“
In jedem zweiten Fall kämen dazu noch nachlassende Gedächtnisleistung und Inkontinenz. „Gerade Letzteres schränkt die Lebensqualität und den Alltag der Betroffenen massiv ein, denn die Patienten leiden anfangs meist unter einem imperativen Harndrang. Das bedeutet: Wenn sie müssen, dann auch wirklich sofort“, so der Experte.
Der Eingriff dauert 30 Minuten
Bestehe der Verdacht auf die Erkrankung, sei eine Bildgebung des Gehirns wichtig, also eine Computertomografie oder, besser noch, eine Kernspintomografie. Zwar könne dann in der Therapie die Ursache der Erkrankung, das Erstarren der Gefäße, nicht behoben werden, aber man könne sehr gut „symptomatisch behandeln“ – und zwar mit einem etwa 30-minütigen Eingriff, wie er von den Spezialisten in Altona mehrmals täglich durchgeführt werde.
- UKE-Ärzte kicken gegen Promis – 184.500 Euro Erlös
- Zellbiologe aus Dresden erhält den "Hamburger Nobelpreis"
- Lockdown-Folgen bei Kindern: Worauf Eltern achten sollten
„Wir machen dabei die harten Hirnkammern weich, sodass die Flasche im übertragenen Sinne nicht mehr auf einen Stein donnert. Und das gelingt uns durch kontinuierliches Ableiten des Hirnwassers.“ Der Eingriff gelte mittlerweile als sehr sicher, und auch die Prognose sei sehr gut: „Von den Patienten, die behandelt werden, bessern sich die Symptome bei 90 Prozent. Und selbst die Demenz bessert sich sehr häufig.“
Medizin: 500 Spezialisten auf Weltkongress in Hamburg erwartet
Zum Weltkongress in Hamburg erwartet der Spezialist im kommenden Jahr rund 500 Kollegen. „Wir sind immer auf der Suche nach Verbesserungen, so wird – bisher leider noch ohne Erfolg – auch nach einer medikamentösen Therapie geforscht.“