Hamburg. Das Image leide unter der Situation in der Hamburger Innenstadt und am Hauptbahnhof. Aggressives Betteln müsse unterbunden werden.
Zuerst hat ein Mensch unter der Eisenbahnüberführung am Dammtor Bahnhof „gewohnt“, inzwischen sind es drei. So ist es an vielen Orten in der Hamburger Innenstadt. Ralf Neubauer, Bezirksamtsleiter in Mitte, räumte im Abendblatt ein, dass die Obdachlosigkeit deutlich sichtbarer geworden sei. Er sprach von „Verelendung“ und einem „absoluten Handlungsbedarf“. Den sieht auch Wolfgang Raike, Vorsitzender des Tourismusverbandes Hamburg. Er habe einen „explosionsartigen Anstieg von Obdachlosen in den vergangenen Monaten“ beobachtet und sei in großer Sorge.
„Die Situation in der Innenstadt ist so nicht mehr hinzunehmen. Darunter leidet das Image der City“, sagte Raike. „Es besteht dringender Handlungsbedarf. Die Politik muss sich dem Problem der Randständigen annehmen und diesen Menschen niedrigschwellige Hilfsangebote machen.“
Obdachlose in Hamburg: Schlafsäcke an der Mönckebergstraße
Die Obdachlosen schlafen nachts in Hauseingängen und vor den Geschäften. Wer früh am Morgen über die Mönckebergstraße läuft, sieht, wie Menschen in ihren Schlafsäcken oder unter Zeitungen kauern. Vor manchen liegen Lebensmittel, die Passanten dort abgelegt haben. Tagsüber trifft man die Obdachlosen auf Plätzen, sie lassen sich auf Bänken nieder oder liegen auf dem Boden, manche von zu viel Alkohol oder anderen Rauschmitteln niedergestreckt. „Wir erhalten derzeit Hinweise sowohl von Unternehmen als auch von Besuchern, dass manche Randständige einen sehr hilfebedürftigen Eindruck machen“, sagt Citymanagerin Brigitte Engler.
Hinzu kommt ein weiteres Problem – das Betteln. In den vergangenen Wochen hat sich auch hier die Lage zugespitzt. Manche Obdachlose bedrängen Passanten regelrecht und schleppen kranke Tiere mit sich, um Mitleid zu erregen. „Bettler treten zunehmend aggressiv auf und stellen sich Passanten in den Weg, um Geld zu fordern“, sagt Tourismusverbandschef Raike. Er fordert: „Auch hier ist die Politik gefragt und muss entsprechende Verordnungen erlassen, damit diese Art der Bettelei unterbunden werden kann. Das Ganze darf nicht Überhand nehmen.“
CDU: "Aggressive Bettelei in den Griff bekommen"
Kritik übt auch die Opposition. „Die teilweise aggressive und penetrante Bettelei ist seit Jahren ein Problem und ein Ärgernis vor allem in der Innenstadt. Der Senat und die Ordnungskräfte sind gefragt, dieses Thema in den Griff zu bekommen“, sagt der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete David Erkalp.
Der Fachsprecher für Handel, Tourismus und Attraktivitätssteigerung in der Innenstadt macht auf ein weiteres Problem aufmerksam: „Der Hauptbahnhof bietet teilweise ein Bild der Verwahrlosung. Wer hier als Reisender eintrifft, wird angebettelt, muss vorbei an Trinkergruppen und wird dann vielleicht auf dem Weg zum Hotel noch gefragt, ob er Drogen kaufen möchte. Auch hier besteht dringender Handlungsbedarf.“ Erkalp verweist darauf, dass viele Hamburger den Hauptbahnhof bewusst meiden und wenn möglich vom Dammtor oder aus Altona ihre Reise starten würden.
Der Hauptbahnhof entwickelt sich wieder zum Brennpunkt. Mitunter wirkt es, als hätten die Polizei und das Sicherheitspersonal der Deutschen Bahn fast resigniert. „Der Hauptbahnhof ist eine wichtige Visitenkarte für die Stadt. Wir sprechen dazu in Kürze auch behördenübergreifend auf Leitungsebene über die aktuelle Situation, die kann uns nicht zufriedenstellen“, kündigte Bezirksamtsleiter Neubauer an.
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Wo die City mit der HafenCity konkurriert
Diese Sicherheits- und Armutsproblematik trifft die Innenstadt in einer ohnehin schwierigen Situation. Einzelhandelsflächen stehen leer, die Kaufhäuser von Karstadt Sport und Kaufhof werden derzeit zwischengenutzt. Da noch viele Angestellte im Home-Office sind, müssen die Gastronomen kämpfen. Auch hier droht ein Teufelskreis aus mangelnder Nachfrage und mangelndem Angebot.
Auch weniger Autos und attraktivere Plätze könnte die City vertragen – dieses Thema hat die Politik aufgegriffen. Seit Juni hat Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) mit Professorin Elke Pahl-Weber eine Innenstadtkoordinatorin eingesetzt. Sie hat einiges zu tun: Denn die Konkurrenz durch die HafenCity könnte spätestens 2024 zum ernsthaften Problem werden. Dann eröffnet das XXL-Einkaufsviertel Westfield Hamburg-Überseequartier mit 200 Geschäften, Gastronomie und jeder Menge Entertainment.