Norderstedt. Etwa 2000 Obdachlose in der Stadt – 800 sollen noch folgen. Welche Notmaßnahmen die Stadt Norderstedt jetzt ergreift.
Die Unterbringung von geflüchteten Menschen wird für die Stadt Norderstedt zu einer immer größeren Herausforderung. Die Kapazitäten in den Unterkünften sind ausgeschöpft. Über 1500 Menschen sind in der Obhut der Stadt – und wöchentlich kommen derzeit 20 weitere hinzu. Es wird damit gerechnet, dass sich die Situation im Herbst und Winter weiter zuspitzt. Theoretisch müssen noch 800 weitere Menschen untergebracht werden – das würde die Stadt laut Sozialamt überfordern.
Schon jetzt ist das Jahr 2022 für Norderstedt ein Rekordjahr in der Bewältigung des Flüchtlingszustroms. Anfang Oktober wird Norderstedt den bisherigen Höchstwert des Jahrespensums bei der Unterbringung von Flüchtlingen überschreiten. 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung durch den Syrien-Krieg, nahm die Stadt 633 Menschen auf. Derzeit liegt Norderstedt schon bei 580 Neuzugängen.
Notunterkünfte: Rekordzustrom – Flüchtlingslage überfordert Norderstedt
Von den 1500 Menschen in städtischer Notunterbringung, kamen 1400 Menschen als Geflüchtete oder Asylbewerber nach Norderstedt, darunter aktuell 320 Ukrainer. Tatsächlich befinden sich aber weitaus mehr Geflüchtete in der Stadt: Etwa 500 Menschen aus der Ukraine sind vorübergehend privat untergekommen. Letztendlich seien also 2000 Menschen ohne eigene feste Unterkunft in der Stadt, teilte Sozialamtsleiter Sirko Neuenfeldt im Hauptausschuss mit.
Und die Zahlen werden weiter stark steigen. Von den etwa 4400 Bewohnern in den Landesunterkünften in Schleswig-Holstein wird Norderstedt weitere 100 Personen aufnehmen müssen. Die Prognose der Ausländerbehörde des Kreises Segeberg sieht vor, dass im Jahr 2022 insgesamt 5000 Menschen im Kreis untergebracht werden müssen.
Weitere 800 Personen könnten dieses Jahr noch kommen
Nach dem geltenden Verteilungsschlüssel würden davon 1600 Personen auf Norderstedt entfallen. „Davon hat Norderstedt aktuell etwa die Hälfte erfüllt, oder anders ausgedrückt, es müssten noch 800 Personen – egal ob in städtischen Unterkünften oder privat – aufgenommen werden“, teilt Neuenfeldt mit. Rein rechnerisch würde das also den wöchentlichen Zustrom in Norderstedt von 20 auf 50 Personen erhöhen
Die Prognose des Kreises berücksichtigt, dass im Herbst in der Regel deutlich mehr Geflüchtete und Asylbewerber kommen als im Rest des Jahres. Sie bilde auch die „erhebliche Unsicherheit“ ab, wie es in der Ukraine weitergehe. Da die Russen bei ihrem Angriffskrieg viele Städte und die Infrastruktur in Schutt und Asche gelegt haben, wird im Winter allgemein mit einer verstärkten Fluchtbewegung gerechnet.
Die Stadt muss ein weiteres Hotel für die Unterbringung anmieten
Die Stadt Norderstedt und ihre Unterbringungskapazitäten seien laut Neuenfeldt allerdings schon beim jetzigen Zustrom von 20 Personen pro Woche und 300 Personen bis Jahresende überfordert. Man verfüge gerade noch über etwa 40 Plätze in verschiedenen Wohneinheiten und knapp 50 „mehr oder weniger gut beziehungsweise schlecht belegbaren Einzelbetten“ in bereits belegten Bereichen.
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Maximal 150 Plätze könnten bis Jahresende noch geschaffen werden – aber selbst das würde nicht ausreichen. Deswegen greift die Stadt erneut zu Notmaßnahmen: „Aktuell müssen wir wieder ein weiteres Hotel für die Unterbringung anmieten“, teilt Neuenfeldt mit.
Notunterkünfte: „Bedingt menschenwürdig“
Sollte jedoch die Kreisprognose zutreffen, würde die Lage zunehmend prekär. Dann müsste die Stadtverwaltung Notfallunterbringungen in Turnhallen einrichten oder „anderen nur sehr bedingt für eine menschenwürdige Unterbringung geeigneten Objekten“.
Schon heute leben 300 Flüchtlinge in solchen Verhältnissen in der Stadt. Die ehemalige Schule Fadens Tannen will das Sozialamt schon seit Jahren leerziehen, weil die Räumlichkeiten alt und verbraucht sind, dazu energetisch überholt. Die Menschen müssen sich dort Duschen, WCs und Küchen teilen. Etwa 100 Menschen leben im Hotel „Norderstedter Hof“, wo sie sich in den Zimmern noch nicht einmal ein eigenes Essen kochen können. Und in den veralteten Wohnungen am Stonsdorfer Weg laufen jetzt die Mietverträge aus – weil die betagten Häuser abgerissen werden.