Hamburg. Eigentümer soll sechsstellige Summe zahlen und klagt dagegen. Ist der Fall aus Lokstedt ein Signal an Vermieter? Was dahintersteckt.

Es ist ein extremer Fall und offenbar auch deshalb ein Signal in die Hamburger Immobilienwirtschaft: Das Bezirksamt Eimsbüttel hat wegen jahrelangen Leerstands von Dutzenden Wohnungen in Lokstedt gegen einen Eigentümer und Vermieter eine Strafe in sechsstelliger Höhe verhängt. Offiziell ist diese Forderung bezeichnet mit „Ausgleichszahlung für nicht erstellten Ersatzwohnraum“.

Tatsächlich steckt eine seit Jahren währende Auseinandersetzung dahinter, was mit den ehemals vier Gelbklinker-Blöcken an den Straßen Grandweg und An der Lohbek geschieht. Einer der Blöcke mit zahlreichen Wohnungen wurde bereits abgerissen. Hier sollte ein Neubau entstehen. Das Vorhaben stockt. Das Umfeld mit dem Zylinderviertel und dem direkt angrenzenden Park könnte für Wohnungsinteressenten kaum besser sein.

Leerstand in Hamburg: Wohnungen seit Jahren unvermietet

Den Verantwortlichen im Bezirk ist nun nach Jahren des Leerstands und einer Zwischenvermietung an Geflüchtete augenscheinlich der Geduldsfaden gerissen. Auf die Abendblatt-Frage, ob es sich um eine niedrige, mittlere oder hohe sechsstellige Ausgleichszahlung drehe, antwortete der Bezirk: „Es handelt sich um einen hohen sechsstelligen Betrag.“

Bei dieser mutmaßlichen Rekordsumme ist es wenig verwunderlich, dass der Hauseigentümer, die Potenberg-Gruppe, juristisch dagegen vorgeht. Beim Verwaltungsgericht liegt ein Eilantrag gegen den Behördenbescheid. Trotz „Eil“ im Namen wird nach Angaben eines Gerichtssprechers nicht mit einem Beschluss innerhalb weniger Tage gerechnet. Ein Verfahren könnte sich zudem länger hinziehen, falls beide Seiten mit den Entscheidungen des Gerichts nicht einverstanden sind.

Höchststrafe: 500.000 Euro

Im Hamburgischen Wohnraumschutzgesetz steht in Paragraf 15, Absatz 3: Bei Ordnungswidrigkeiten, also Verstößen, könne eine Geldbuße bis zu 500.000 Euro verhängt werden. Diese Höchstsumme hat der Senat vor einigen Jahren drastisch heraufgesetzt, nachdem sie lange bei 50.000 Euro gelegen hatte. Beim Leerstand sollte man allerdings aus vielen Gründen genau hinsehen. Jeder Fall hat seine Eigenheiten. Die Bezirksämter gehen mit unterschiedlichem Tempo gegen mutmaßliche „Entmieter“ unter den Eigentümern vor, die Bewohner vorgeblich vertreiben, neu bauen und teurer verkaufen oder vermieten wollen.

So ging aus einer Senatsantwort auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten André Trepoll zuletzt hervor, dass in Hamburg gut 2600 Wohnungen derzeit unvermietet seien. Doch in vielen Fällen wüssten die Behörden nicht, wie lange die Wohnungen bereits leer stehen, aus welchen Gründen und ob und wann Bußgelder verhängt werden. Der Grund kann banal sein. Zum Beispiel kann ein Eigentümer auf eine Abriss- oder Baugenehmigung warten. Eine Zwischenvermietung kann sich rechnen – oder eben nicht zumutbar sein. Die Behörden sind zudem auf Hinweise von Betroffenen oder Anwohnern angewiesen.

2610 Wohnungen in Hamburg stehen leer – offiziell

Die Bezirke Mitte, Nord und Wandsbek hatten laut Senatsantwort die Gründe für den Leerstand nicht erfasst. Baumaßnahmen sind offenbar der überwiegende Grund in den anderen Bezirken. Auffällig war, dass in Eimsbüttel in 89 Fällen noch „der Sachstand ermittelt wird“. In anderen Teilen Hamburgs sind es laut Senatsantwort erheblich weniger unbekannte Fälle oder keine. „Dass der Senat es zulässt, dass trotz des extrem angespannten Wohnungsmarktes 2610 Wohnungen in Hamburg leer stehen, ist alarmierend“, sagte der für die Bezirke zuständige CDU-Mann Trepoll. „Und noch alarmierender ist es, dass die zuständigen Stellen in manchen Bezirken weder wissen, wie lange der jeweilige Leerstand besteht, noch aus welchen Gründen das so ist.“

In Lokstedt liegen die Gründe auch im lange verzögerten Abriss und Neubau an der Stelle der bisherigen Häuser. Die Potenberg Gruppe hatte dem Abendblatt mitgeteilt, man wolle so neu bauen, dass es sich wirtschaftlich rechne. Drei statt bislang vier Häuserblöcke waren genehmigt. Den Antrag auf sechs Stockwerke statt der bisherigen vier hatte das Bezirksamt abgelehnt. Dagegen ging der Eigentümer vor. Potenberg berief sich auf das sogenannte Baulandmobilisierungsgesetz, das auch Hamburg nutzt, um möglichst schnell viel zu bauen. Senat und Bezirk setzen auf diese Regelungen, um in erhöhtem Tempo Flächen zu identifizieren, die für den Wohnungsbau geeignet sind – und um schnell die Kräne aufstellen zu lassen.

Bosse: "Bedauerlich, dass die Strafe so spät kommt"

Chef des Mietervereins: Dr. Rolf Bosse.
Chef des Mietervereins: Dr. Rolf Bosse. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Das Bezirksamt teilte dem Abendblatt über das Gelände zwischen Grandweg und Park mit: Es gebe aktuell überhaupt keinen Bauantrag. Der Vorsitzende des Mietervereins, Rolf Bosse, sagte: „Es ist gut, dass das Bezirksamt Eimsbüttel den jahrelangen Leerstand nun mit einem empfindlichen Bußgeld sanktioniert. Es ist bedauerlich, dass diese Aktion erst acht Jahre, nachdem erste Vorwürfe gegen den Eigentümer erhoben wurden, erfolgt.“ Wohnraum in Hamburg dürfe nicht so lange dem Markt vorenthalten wird. „Das muss sich ändern!“

Der Ärger um die Häuser und die Konflikte zwischen Altmietern und dem Eigentümer schwelt seit etlichen Jahren. 2015 wurden dann mit der Ankunft großer Zahlen von Geflüchteten zahlreiche Wohnungen hergerichtet und vermietet. Eine lokale Initiative unterstützte die Bewohner. Aus diesen Provisorien sind die Geflüchteten mittlerweile ausgezogen. Einige Wohnungen des Ensembles sind noch bewohnt.

Die Abteilung Wohnraumschutz im Bezirk hat bei Besichtigungen von 47 leeren Wohnungen so starke Mängel durch den Leerstand festgestellt, dass „eine Zwischenvermietung nicht zumutbar“ sei. Aktuell kämen die Wohnungen vermutlich kaum für Ukrainer in Frage, die in Hamburg vor dem Krieg Schutz suchen.