Hamburg. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer führt die „Crash-Teams“ zur Entlastung der Beamten ein. Sicherheitsbedenken hat er nicht.
Selten prallten im Hamburger Polizeipräsidium die Meinungen so schnell aufeinander: Kurz nachdem das Abendblatt am Freitagmorgen eine Anfrage zum geplanten Einsatz von Leiharbeitern an die Polizei und Gewerkschaften gestellt hatte, verschickte der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) einen internen Brief an die Dienststellen. Die Behördenleitung solle von dem Vorhaben „sofort absehen“, hieß es.
Einzelne Beamte wurden noch deutlicher: „Völlig gaga“ seien die Pläne, ein Tabubruch. Polizeiliche Aufgaben dürften nicht einfach an externe Privatfirmen ausgegliedert werden.
Polizei Hamburg lässt Leiharbeiter Aufgaben erledigen
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer trat dem noch am Nachmittag entgegen. Seine Sichtweise: Die sogenannten „Crash-Teams“ würden der „temporären Entlastung“ der Beamtinnen und Beamten bei der Kripo dienen – und das bei „Tausenden einfachen Vorgängen“, so Meyer im Gespräch mit dem Abendblatt. Ausdrücklich betont er, dass die Leiharbeiter keine Ermittlungsarbeit, sondern nur Verwaltungsaufgaben übernehmen würden.
Das Pilotprojekt sei Teil einer Gesamtstrategie. Es gehe darum, den Beruf von Kripobeamten möglichst attraktiver werden zu lassen. „Das werden wir mit verschiedenen Ansätzen tun. Hier arbeiten wir an einem Konzept, zu dem dann auch das Mittel Crash-Team gehören kann, wenn es nötig ist“, so der Polizeipräsident weiter.
Polizei Hamburg: Mitarbeitende kommen nicht hinterher
Sind Leiharbeiter bei der Polizei wirklich eine gute Idee? Auch unterhalb der Führungsetage gibt es durchaus Sympathie für die Idee. Zu oft habe die Realität im Dienst sehr wenig mit dem spannenden Bild gemein, dass man sich öffentlich noch immer ausmale.
Stattdessen stapelten sich in vielen Dienststellen die Unterlagen zu Fällen, in denen es kaum Ermittlungsansätze gebe. Zudem habe man bei der Bearbeitung von Abschleppvorgängen im Straßenverkehr bereits gute Erfahrungen mit Leiharbeitern gemacht.
Unstrittig ist: Gerade im Landeskriminalamt 1, das für die Kriminalitätsbekämpfung in der Fläche zuständig ist, kommen die Ermittler bei Alltagsdelikten derzeit nicht mehr hinterher. Allein 6000 Fälle mussten dort zuletzt zurückgestellt werden, 2000 weitere Akten sind es in anderen Abteilungen.
Dass das Fallaufkommen nicht mehr abgearbeitet werden kann, liegt laut Polizei teilweise an Corona-Krankheitsfällen bei der Kripo – und nach Ansicht von Polizisten auch an der Umstrukturierung bei der Polizei. „Früher gehörte die örtliche Kripo zur Wache. Damals konnte man Kollegen der Schutzpolizei, die nicht mehr für den Außendienst geeignet waren, im Notfall mit dieser Aufgabe betrauen. Jetzt gehören die örtlichen Kripodienststellen zum Landeskriminalamt. Da geht das nicht mehr“, so ein Beamter.
BDK kritisiert Plan der Polizei Hamburg scharf
Die Gewerkschaft BDK hält die Idee, nun Leiharbeiter einzusetzen, jedoch für den völlig falschen Ansatz. Die inzwischen berüchtigten „Aktenhalden“ seien Folge eines strukturellen Problems – dem „immer dramatischer werdenden Personalmangel“, wie der BDK-Landesvorsitzende Jan Reinecke auf Anfrage sagt. Entsprechend könnten Leiharbeiter auch höchstens die Symptome lindern, aber nicht deren Ursache.
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer wiederum betonte mehrfach, dass man auch maximal viele neue Polizistinnen und Polizisten ausbilde, dies jedoch Zeit brauche. Meyer sagt nun auch: „Personal allein ist nicht die Lösung, wenn die Arbeit unattraktiv ist.
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Bevor die von einer oder mehreren externen Firmen vermittelten Leiharbeiter tatsächlich bei der Kriminalpolizei eingesetzt werden können, gibt es aber noch Hürden zu überwinden. „Die derzeitigen Planungen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Einarbeitung sind noch nicht abgeschlossen“, heißt es von der Polizei. Ein grobes Konzept gibt es aber.
Polizei Hamburg: Leiharbeiter sollen für einige Tage an Polizeiakademie
So ist „beabsichtigt, die Leiharbeitskräfte zunächst an der Akademie der Polizei für drei bis fünf Tage zu beschulen“, teilte die Polizei auf Nachfrage mit.
Die angedachten Aufgaben – etwa das Zusammenstellen von Dokumenten zu bestimmten Fällen und das Versenden an die Staatsanwaltschaft – sei „keine Raketenwissenschaft“, so ein Spitzenbeamter. Die Kripo-Gewerkschaft sieht auch hier aber noch Tücken, etwa beim Kennenlernen der verschiedenen IT-Systeme der Polizei.
Sicherheitsbedenken hat die Polizeiführung nicht. Die nötige Überprüfung der zunächst geplanten 13 Leiharbeiter sei „im Aufwand überschaubar“, heißt es. Ein Polizeisprecher betonte auch, dass die externen Kräfte nicht allein arbeiten sollen – sondern „unter Betreuung, Anleitung und Überwachung“ einer gestandenen Ermittlerin oder eines Ermittlers.