Hamburg. Beschäftigte stellten sich gegen Funkhauschefin Sabine Rossbach. Beendet ist die Affäre damit aber noch nicht.

Die Spannung im NDR entlädt sich am Freitagvormittag um 10 Uhr. Videokonferenz mit dem Intendanten Joachim Knuth, der trotz zunehmenden Drucks in der Affäre um die Landesfunkhauschefin Sabine Rossbach geschwiegen hatte. Er habe sich nun einschalten müssen, sagt Knuth am Freitag laut Teilnehmern. Der Intendant sieht offenbar eine Gefahr für den gesamten NDR.

Noch während des Termins verschickt die NDR-Pressestelle eine Mitteilung: Sabine Rossbach zieht sich zurück. Knuth wird damit zitiert, dass sie den „Weg für einen Neuanfang“ frei mache. Zunächst werde sie ihr Amt ruhen lassen, aber habe auch „angekündigt, nicht dauerhaft auf ihre Position zurückkehren zu wollen“, wie es heißt. Es sind sorgsam abgeschmeckte Worte. Weder ist die Affäre aber mit dem Rückzug beendet, noch sind drängende Fragen geklärt.

NDR-Affäre: Landesfunkhauschefin zieht sich zurück

Nach Abendblatt-Informationen gab der Brief von 70 Mitarbeitenden den Ausschlag für die Entscheidung. Darin hatten die Verfasser von Knuth eine „schnelle Entscheidung“ gefordert und von einem „Klima der Angst“ gesprochen. Rossbach bestreitet die Vorwürfe, nach denen sie die Themen und Termine der PR-Agentur ihrer älteren Tochter „auffällig oft“ im Programm des „Hamburg Journal“ platziert haben soll.

Es gibt belastende Indizien, etwa Mails, in denen Rossbach „Sollten wir haben“ oder „Mit der Bitte um Berichterstattung“ schrieb. Schilderungen, dass Rossbach bei den Themen der PR-Agentur besonders beharrlich war. Andererseits sind weiterhin keine Beispiele bekannt, in denen das „Hamburg Journal“ ohne das Drängen der Chefin nicht über Themen der PR-Agentur berichtet hätte. Auch von möglichen persönlichen Motiven hinter den anonymen Anschuldigungen, die zuerst der „Business Insider“ veröffentlicht hatte, war zuletzt die Rede gewesen.

Die Senderspitze wollte zunächst die Ergebnisse der internen Prüfung abwarten, heißt es. Das ging durch den Aufstand von rund einem Drittel der Beschäftigten im Landesfunkhaus nun nicht mehr. Knuth soll in der Videokonferenz eine mögliche Gefährdung des Programmauftrags als Grund dafür genannt haben, warum er das Gespräch mit Rossbach suchte. Ob sie drei Tage nach dem Brief an Knuth wirklich freiwillig geht, bleibt offen.

NDR: Auch für den Intendanten ist die Affäre heikel

Auch für den Intendanten ist die Affäre heikel. Wie das Abendblatt enthüllt hatte, war der mögliche Interessenskonflikt von Sabine Rossbach mindestens seit 2017 im NDR bekannt. Damals ging eine Anfrage der „Mopo“ in der Pressestelle zu den Vorwürfen ein, „auffällig oft“ würde laut Mitarbeitern über Termine der PR-Agentur Hesse & Hallermann berichtet. NDR-Intendant war damals Lutz Marmor und Joachim Knuth noch Hörfunkchef.

Zu den offenen Fragen gehört, warum nach der damaligen Anfrage zwar ein Gespräch von Rossbach mit der Redaktionsleitung des „Hamburg Journal“ stattfand, aber offenbar ansonsten nicht viel passierte. Dabei sind die Compliance-Regeln im NDR nicht nur klar, sondern auch rechtsverbindlich per Dienstanweisung geregelt: Schon der Anschein von Interessenkonflikten muss schriftlich gemeldet werden, von den Betroffenen wie von anderen Mitarbeitenden. Auch Sanktionen sehen die Regeln vor (wir berichteten). Im Raum steht nun, dass das Kontrollsystem im NDR in diesem Fall versagt haben könnte.

Warum reagierte die Senderspitze erst jetzt?

Knuth soll intern bei der Videokonferenz nun betont haben, dass auch er angeblich erst jetzt von der persönlichen Verbindung von Sabine Rossbach zu der PR-Agentur erfuhr. Eine Gesprächsanfrage des Abendblatts lehnte er erneut ab. Gegen Medien, die weitere Vorwürfe der Vetternwirtschaft aus dem „Business Insider“ aufgreifen, geht der NDR inzwischen medienrechtlich vor. Tatsächlich ist die Indizienlage auch laut Insidern, die von Versäumnissen von Rossbach und der Senderleitung sprechen, hier sehr dünn.

Der mögliche Interessenskonflikt bei Themen der PR-Agentur war wiederum ein offenes Geheimnis im NDR-Fernsehen, sagen Beschäftigte aus mehreren Redaktionen. Beim „Hamburg Journal“ habe man sich seinen Teil gedacht, wenn wieder über Termine der Agentur berichtet wurde. Angesprochen wurde der mögliche Interessenkonflikt aber offenbar nicht. Brisant ist für Joachim Knuth auch, dass ein Teil der Mitarbeitenden nun nicht nur die Vorwürfe auf jahrelange Vetternwirtschaft für glaubwürdig hält, sondern auch so deutlich von einem „Klima der Angst“ und Mängeln in der „Unternehmens- und Führungskultur“ spricht.

Ilka Steinhausen übernimmt vorerst Rossbachs Posten

Dass Rossbach tatsächlich so tyrannisch geherrscht haben soll, bezeichnen jedoch mehrere langjährige Beschäftigte als überzogen oder sogar „völligen Quatsch“. Zwar habe ihr beim Umgang mit der Tätigkeit mit ihrer Tochter offenbar jedes Fingerspitzengefühl gefehlt und auch der alltägliche Umgang mit ihr sei kein Vergnügen gewesen, sagt einer von ihnen. „Aber das war nie über der Grenze.“ Die Vorwürfe wögen schwer, aber auch „Rachegelüste“ gegen Rossbach seien nun ausgelebt worden, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk bundesweit im Fokus von Kritik steht. Die Freude über den Abgang Rossbachs werde in dieser Gruppe kaum verhehlt.

Joachim Knuth, so heißt es, besteht darauf, sachlich zu bleiben. „Wir nehmen uns jetzt die Zeit, die im Raum stehenden Vorwürfe aufzuklären“, erklärte der Intendant in der Pressemitteilung. Die stellvertretende Funkhauschefin Ilka Steinhausen übernimmt Rossbachs Posten, bis die Prüfung abgeschlossen ist. Für die Zeit danach gebe es bereits Überlegungen, heißt es: den Chefposten im Landesfunkhaus extern neu zu besetzen, damit der Neuanfang im NDR eine Chance hat.