Hamburg. Beschäftigte fordern die Ablösung der Funkhauschefin. Verstieß sie mit der Verbindung zur PR-Agentur gegen eine Dienstanweisung?
Die schweren Vorwürfe gegen die NDR-Landesfunkhauschefin Sabine Rossbach münden in einen Aufstand: Ein Teil der Belegschaft hat die Absetzung ihrer Chefin gefordert. Der Intendant Joachim Knuth, der sich bislang nicht zu angeblicher Vetternwirtschaft und fehlenden Kontrollen im NDR äußern will, solle eine „schnelle Entscheidung“ treffen, heißt es in einem Schreiben. Nach Abendblatt-Recherchen gibt es zudem Indizien dafür, dass Rossbach und weitere Beschäftigte gegen Korruptionsregeln verstoßen haben könnten, auch wenn es keine direkte Beeinflussung durch die Funkhauschefin gab.
Am Dienstag versandten rund 70 Mitarbeitende das Schreiben an den Intendanten Knuth. „Wir können uns eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Sabine Rossbach nicht mehr vorstellen“, heißt es in dem Brief, der dem Abendblatt vorliegt und über den zuerst das NDR-Medienmagazin „Zapp“ berichtet hatte. Die Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen Rossbach halte man für „schwerwiegend“, so die Begründung.
NDR-Affäre: Rossbach wird Vetternwirtschaft vorgeworfen
Die Beschäftigten wehren sich auch ausdrücklich gegen die „Behauptung, die Redaktion sei in ihrer Entscheidung frei gewesen, was die umstrittenen Beiträge im ,Hamburg Journal‘ angeht“. Stattdessen schreiben die Verfasser des Briefs, dass „viele KollegInnen“ glaubwürdig von weiteren Beiträgen berichteten, „die auf Wunsch von Sabine Rossbach veröffentlicht wurden, ohne dass die Redaktion dies für begründet hielt“.
Im Kern der Affäre steht der Vorwurf, Rossbach habe die Themen und Termine der PR-Agentur Hesse & Hallermann, die der älteren Tochter von Sabine Rossbach gehört, „auffällig oft“ ins Programm gedrückt.
Rossbach bestreitet die Vorwürfe
Die Funkhauschefin selbst bestreitet dies. Auch mehrere Mitarbeiter des „Hamburg Journals“ sagen, über die bisher bekannten Fälle hätte man sowieso berichtet und Rossbach sei bei Themen der Agentur nicht energischer aufgetreten als sonst. Nach Abendblatt-Information wurde der nun versandte Appell 217 Mitarbeitern vorgelegt, rund ein Drittel schloss sich an.
Darin wird auch eine neue „Unternehmens- und Führungskultur“ im NDR gefordert. Auch der Umgang von Sabine Rossbach mit den Beschäftigten wird scharf kritisiert: „Konstruktive Kritik und Diskussionen auf Augenhöhe gab es kaum“, stattdessen hätten viele Beschäftigte in der Vergangenheit ein „Klima der Angst“ erlebt. Harte weitere Vorwürfe, zu denen sich bislang weder Rossbach noch Intendant Knuth geäußert haben.
Vorwürfe bereits seit 2017 bekannt
Wie das Abendblatt enthüllt hatte, waren die Vorwürfe gegen Rossbach bereits mindestens seit 2017 im NDR bekannt. Damals gab es eine Anfrage der „Hamburger Morgenpost“ bei der Pressestelle des Senders, die abgesehen von einem Gespräch von Rossbach mit der damaligen Redaktionsleitung des „Hamburg Journals“ keine weiteren Folgen hatte. Erst jetzt wurde die Anti-Korruptions-Beauftragte des NDR mit einer Prüfung der Frage beauftragt, ob Rossbach Compliance-Regeln verletzt oder Korruptionsstraftatbestände erfüllt haben könnte. „Es gilt die Unschuldsvermutung“ betonte eine Sprecherin.
Die eigenen Anforderungen des NDR könnten dabei aber sowohl für Rossbach als auch weitere Beschäftigte zum Problem werden. Ausdrücklich verpflichtet der Sender nämlich alle Bediensteten dazu, darauf zu achten, dass „schon der Anschein einer Bereitschaft zur Korruption vermieden wird“ – so steht es in den „Regelungen zum Schutz vor Korruption“ im NDR, die als Dienstanweisung rechtsverbindlich sind. Das bestätigte die Pressestelle des NDR auf Anfrage. In einem Verhaltenskodex wird ebenfalls die Vermeidung von Interessenkonflikten betont.
Compliance-Regeln des NDR sind eindeutig formuliert
Auch Mitarbeitende, die keine Belege für eine Einflussnahme sehen, hatten Rossbach doch zumindest diesen üblen Anschein vorgeworfen. Zudem besteht nach der Dienstanweisung auch eine schriftliche Meldepflicht: Nicht nur die betroffenen Beschäftigten, sondern auch andere Mitarbeitende, die von Korruptionsverdacht erfahren, sind dabei eingeschlossen.
Auch hier heißt es in der Dienstanweisung ausdrücklich: „Alle Mitarbeiter*innen sollen diese Unterrichtung auch dann vornehmen, wenn es den (begründeten) Verdacht von korruptem Verhalten im NDR oder bei den Beziehungen des NDR zu Dritten gibt“. Verstießen Mitarbeitende gegen das Regelwerk oder „sonstige Vorschriften zur Korruptionsvermeidung“, sei zu prüfen, ob und welche arbeitsrechtlichen oder sogar strafrechtlichen „Maßnahmen zu veranlassen seien“.
Gleich mehrere Verstöße gegen Dienstanweisungen
Im Klartext: Nicht nur die angebliche Einflussnahme für die PR-Agentur der Tochter wäre verboten, sondern Sabine Rossbach hätte die persönliche Verbindung zumindest gegenüber ihrem Vorgesetzten, dem NDR-Intendanten, melden müssen. Das Gleiche gilt theoretisch auch für die Pressestelle, bei der 2017 die erste Anfrage der „Hamburger Morgenpost“ auflief. Nach Abendblatt-Information wurde im Sender zuletzt aber noch nach einem schriftlichen Vermerk von Rossbach an Lutz Marmor (bis 2020 NDR-Intendant) oder seinen Nachfolger Joachim Knuth „gesucht“, wie es im Sender heißt. Rossbach lehnte die Anfrage für ein Gespräch zu den Vorwürfen erneut ab.
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Zuvor hatte es geheißen, dass einige Beschäftigte im Landesfunkhaus von der familiären Verbindung wussten, andere jedoch nicht. Wer wen und wann informiert habe, sei Teil der nun laufenden Prüfung. Die Pressestelle berief sich bei Nachfragen zu ähnlichen Fällen im NDR und Sanktionen wegen Interessenkonflikten auf Vertraulichkeit. Auch in der Causa Rossbach gelte weiter die Unschuldsvermutung, betonte eine Sprecherin.
NDR-Affäre: Schleichwerbung beim Wetter?
Abgesehen von Schilderungen von Mitarbeitern aus der Redaktion des „Hamburg Journals“ gibt es noch keine klaren Belege für eine Einflussnahme der Landesfunkhaus-Chefin. Nun werden aber weitere Beiträge, bei denen kommerzielle Interessen befördert wurden, öffentlich hinterfragt. So fragte das NDR-Magazin „Zapp“, warum in einem Wetterbericht im „Hamburg Journal“ recht unverblümt für Sonnenbrillen und ein bestimmtes Modell geworben wurde, dessen Gesicht die bekannte Moderatorin Sylvie Meis ist.
Die Antwort des Norddeutschen Rundfunks: Es sei hier um den „Promi-Faktor“ gegangen. Der Beitrag sei aber auch in der Redaktion im Nachhinein kritisch betrachtet worden.