Hamburg. Es geht um unangemessene Einflussnahme beim Programm sowie bei der Besetzung von Stellen. In der Kritik: Direktorin Sabine Rossbach.
Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) gerät weiter unter Druck. Nach den Vorwürfen gegen das Landesfunkhaus in Kiel weitet sich die Kritik nun auf das Medienhaus in Hamburg aus. Wie "Business Insider" berichtet, soll Sabine Rossbach, Direktorin des Landesfunkhauses Hamburg, unangemessen in Programmgestaltung und Stellenbesetzung eingegriffen haben.
Rossbach wird in dem Bericht vorgeworfen, ihren beiden Töchtern Vorteile bei Aufträgen und Bewerbungen verschafft zu haben. Ihre ältere Tochter, Inhaberin einer PR-Agentur, soll demnach in den vergangenen Jahren immer wieder Beiträge im Programm des NDR platziert haben können, wie beispielsweise eine Show von Promiköchin Cornelia Poletto, den Blankeneser Neujahrsempfang oder eine Erdbeerernte bei Glantz – alles Themen, die von ihrer Agentur vertreten wurden.
Die PR-Agentur betont in einer Stellungnahme gegenüber den Vorwürfen, dass der NDR "in keiner Weise" eine Sonderstellung einnehme. Über jedes einzelne Thema der Kundinnen und Kunden, über das im NDR berichtet wurde, hätten nachweislich zeitgleich viele andere renommierte Medien berichtet. Der Vorwurf, die Agentur hätte von einer familiären Verbindung profitiert "trifft nicht zu", hieß es.
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Auch die jüngere Tochter soll vor einigen Jahren von der Position der NDR-Direktorin Rossbach profitiert haben: Sie erhielt eine der begehrten Festanstellungen bei NDR Kultur, obwohl es offenbar eine qualifiziertere Bewerberin gegeben haben soll. "Die damalige Programmchefin von NDR-Kultur, Barbara Mirow, gilt intern als sehr gut vernetzt mit Rossbach", heißt es beim "Business Insider". Während die Tochter der Funkhaus-Chefin die feste Stelle bei Mirow bekommen habe, wurde die andere Bewerberin beim Radiosender NDR 90,3 untergebracht.
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In dem Zusammenhang wird auf ein weiteres pikantes Vorkommnis hingewiesen: Sabine Rossbach soll sich im selben Zeitraum für die Tochter von Mirow eingesetzt haben, die eine Hamburger Produktionsfirma leitet und für den NDR eine Serie über Hunde gedreht und produziert hat. Diese Serie soll von Rossbach in Auftrag gegeben worden sein und später sowohl intern als auch extern für viel Kritik in Bezug auf den Inhalt gesorgt haben.
NDR bezieht Stellung zu den Vorwürfen
Der NDR nimmt Bezug auf die Kritik und weist die Vorwürfe zum größten Teil zurück. Stellen würden in einem transparenten Genehmigungsverfahren besetzt, an dem auch die Personalabteilung, der Personalrat und die Gleichstellungsbeauftragten beteiligt seien. Die Hundeserie wiederum sei bereits im Jahr 2019 vom Redaktionsausschuss des NDR geprüft worden. Auch mit Rossbach habe es damals Gespräche gegeben. Anschließend habe der Ausschuss den Fall auf sich beruhen lassen.
Lediglich wie die Beiträge der PR-Agentur der älteren Tochter ihren Weg ins Programm gefunden hatten, soll von einer internen Revision nun nachvollzogen werden, heißt es in der Stellungnahme des NDR.
Der Sender belastet auf seiner eigenen Homepage allerdings Rossbach: „Den NDR-Reportern liegen E-Mails von Sabine Rossbach vor. Mit den Anmerkungen ,Sollten wir haben’ und ,Mit der Bitte um Berichterstattung’ hatte sie das Themenangebot der PR-Agentur ihrer Tochter an die Redaktion weitergeleitet“, heißt es.
Bereits Mitte August wurde Rossbach "Vetternwirtschaft" vorgeworfen, weil der externe Musikberater von NDR 1 Niedersachsen mit der Hamburger Funkhauschefin liiert ist. Die Vorwürfe der Vetternwirtschaft hatte der NDR in diesem Zusammenhang zurückgewiesen. Seit 2018 unterstütze demnach der Musikberater Dieter Petereit die Verjüngung des Musikprogramms von NDR 1 Niedersachsen. Als sich der Sender für Petereit entschieden hatte, sei bekannt gewesen, dass er der Lebensgefährte von Sabine Rossbach ist, so der NDR. Die persönliche Beziehung zwischen Petereit und Rossbach hat laut NDR ein engmaschiges Compliance-Verfahren durchlaufen. Das Engagement des Beraters Petereit sei geprüft und durch den Hörfunkchef und den damaligen Landesfunkhausdirektor genehmigt worden, hieß es.